Schermbeck. Vieles von dem, was die Verkehrsplaner vorgesagt hatten, trat genau so ein. Doch an einigen Stellen ergaben die Messungen unerwartete Werte.
Welche Schlüsse sind aus dem Schermbecker Verkehrsversuch zu ziehen? Wenige Wochen vor dem Ende des viermonatigen Experiments hatten nun die Verkehrsplaner in der Sondersitzung des Rates die Möglichkeit, ihre Zwischenergebnisse vorzustellen. Fast eine Stunde lang präsentierte Stadtplaner Hans-Rainer Runge jede Menge Zahlen und Grafiken, die auch bereits auf der Internetseite der Gemeinde Schermbeck veröffentlicht sind.
Vor allem die Zu- und Abnahme des Verkehrsaufkommens hatte der Experte zusammen mit seinen Mitarbeitern in den Blick benommen. Eines der Ziele, die Reduzierung des Kfz-Verkehrs im Ortskern von mindestens 50 Prozent, sei erreicht worden, erläuterte Runge. Die Mittelstraße sei deutlich entlastet – vor allem nahe der Schranke im unteren Bereich ging das Verkehrsaufkommen spürbar zurück. „Die Beruhigung ist da“, so das Fazit des Experten.
Entgegen den Darstellungen vieler Anwohner der Marellenkämpe sei das Verkehrsaufkommen dort „verträglich“. Das ganze untermauerte der Verkehrsplaner mit konkreten Zahlen: 1700 bis 1800 Fahrzeuge passieren während der Versuchszeit die Marellenkämpe – dies sei ein etwa gleich hoher Wert wie in der Schienebergstege. Die Engstelle am Ende der Marellenkämpe sei jedoch problematisch. Hier wären für eine dauerhafte Lösung dringend bauliche Maßnahmen erforderlich, sie aber möglich seien wegen breiter Gehwege.
Kastanienstraße als Problem bekannt
Als ein weiteres Problem benannte der Experte die Kastanienstraße, zu der sich in der Einwohnerfragestunde bereits eine Anwohnerin gemeldet und geschimpft hatte: „Die Kastanienstraße ist eine verkehrsberuhigte Straße mit vielen kleinen Kindern und Familien, sie ist jetzt zu einer Haupt- und Durchgangsstraße geworden. Die Geschwindigkeit wird nie eingehalten – das ist unzumutbar!“
„Zur Wahrheit gehört aber auch, dass schon vor dem Verkehrsversuch auf der Kastanienstraße nicht angemessen gefahren wurde“, erklärte Mike Rexforth dazu. Verkehrsplaner Runge untermauerte das mit konkreten Zahlen durch seine Verkehrsmessung: Diese habe ergeben, dass alle (!) gemessenen Fahrzeuge zu schnell unterwegs waren und niemand mit Schrittgeschwindigkeit (7 km/h) registriert wurde (der Langsamste erreichte bei der Messung 10 km/h, die beiden Schnellsten 30 km/h). Zudem habe sich das Kfz-Aufkommen dort durch den Verkehrsversuch verdoppelt.
Eine weitere erschreckende Zahl wurde von vielen Kritikern bereits seit Wochen vorhergesagt: Durch den Verkehrsversuch hat sich der motorisierte Verkehr insgesamt nicht reduziert, sondern sogar erhöht. Durch Umwege würden zurzeit täglich 4.400 Kilometer mehr gefahren, so Runges Berechnungen.
Wurden 358 Falschfahrer festgestellt?
Gregor Sebastian überreichte dem Bürgermeister als Vertreter der Marellenkämpe-Anwohner eine mehrseitige Liste, die sich wohl auf die Engstelle bezieht: „Bis heute haben wir 358 Falschfahrer – es reicht jetzt langsam!“ Er ergänzte in Richtung Mike Rexforth drohend: „Wenn da was passieren sollte, bist Du dran! Genauso wie die Vertreter von Rat und Gemeinde und alle, die es beschlossen haben.“ Noch nicht mal zehn Prozent der Falschfahrer seien auf der Liste mit Kennzeichen vermerkt, kritisierte der Bürgermeister nach einem kurzen Blick auf die Blätter und ergänzte: „Tut mir leid, damit kann ich nichts anfangen!“ Im Übrigen seien Falschfahrer Sache der Polizei.
Das Planungsbüro „Runge IVP“ zieht zusammenfassend diese vorläufige Bilanz des Verkehrsversuchs: Die Sperrung der drei Nord-Süd-Straßen im Ortskern führt zur angestrebten deutlichen Reduzierung des Kfz-Verkehrs. Defizite wurden an der Rampe Dorstener Straße zur B58 festgestellt (eine Ampel würde hier helfen). Auf dem Hauptverkehrsstraßenzug der L 607 (Dorstener Straße, Freudenbergstraße, Erler Straße) und der B58 gibt es keine Beeinträchtigungen. Die Engstelle der Marellenkämpe ist zwingend auszubauen, um Konflikte zu verhindern. Konflikte auf der Kastanienstraße sind durch Bodenwellen und auch die Öffnung anderer West-Ost-Straßen (zum Beispiel Eschenstraße oder Ahornstraße) abbaubar.