Schermbeck. 50 Anwohner der Marellenkämpe verzögern mit einer Demonstration den Start. Bürgermeister Rexforth stellt sich tapfer, Autofahrer verirren sich.

Mit chaotischen Nebenerscheinungen ist am Montagnachmittag der Verkehrsversuch in Schermbeck gestartet. Rund 50 Anwohner der Marellenkämpe machten mit Plakaten ihrem Unmut Luft und beschimpften teilweise wüst den Schermbecker Bürgermeister Mike Rexforth, den sie persönlich für die Öffnung ihrer Straße verantwortlich machen wollten. Diese Nachbarn mochten sich einfach nicht damit abfinden, dass versuchsweise die normalerweise durch Poller blockierte Straße für den Verkehr in eine Fahrtrichtung geöffnet wird und (laut Prognose) täglich etwa 1000 Fahrzeuge hier in den kommenden Wochen langfahren werden.

„Marellenkämpe zu – für unsere Sicherheit!“, „Umwege für den Klimaschutz?“, „Keine Umleitung durchs Wohngebiet“ und „Falsche Umsetzung der Online-Befragung“ stand auf den Plakaten zu lesen. Ein Schermbecker sieht in dem Verkehrsversuch gar einen „Betrug an den Bürgern“, andere forderten den Rücktritt des Bürgermeisters. Sichtlich angespannt, aber doch souverän stellte sich Mike Rexforth fast eine Stunde lang der Kritik und erläuterte die Umsetzung des Ratsbeschlusses.

Anwohner der Marellenkämpe brachten ihre Wut über die Öffnung ihrer Straße unter anderem mit Plakaten zum Ausdruck.
Anwohner der Marellenkämpe brachten ihre Wut über die Öffnung ihrer Straße unter anderem mit Plakaten zum Ausdruck. © FFS | Erwin Pottgiesser

Das beruhigte die erboten Bürger jedoch wenig: „Hier fahren morgens 200 bis 250 Schüler durch: Jetzt wird hier künstlich ein Gefahrenknotenpunkt neu geschaffen“, schimpfte beispielsweise Peter-Michael Spix. Silvia Konze bezeichnete die „jetzt schon dritte Öffnung der Marellenkämpe“ als „total albern“ und schmetterte dem Bürgermeister lautstark ins Gesicht: „Wir haben ja bisher wirklich gerne hier in Schermbeck gewohnt, aber so langsam reicht’s.“ Und Anwohner Mehmet Aygün sagte: „Hier werden garantiert eine krasse Menge Unfälle passieren, die Kinder fahren hier einfach durch ohne zu gucken – und Erwachsene auch.“

Forderung nach Tempo 10 wird geprüft

Alle Vorwürfe versuchte Mike Rexforth mit einer bewundernswerten Gelassenheit zu erklären – immer und immer wieder verwies er auf den gesamten Prozess samt zahlreicher Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung und auf den Ratsbeschluss, der nun umgesetzt werden müsse. Und er versprach auch selbstverständlich nachzubessern, sollte dies erforderlich sein – wie bei der möglicherweise berechtigten Forderung einer Anwohnerin, an dem engen Nadelöhr der Marellenkämpe statt Tempo 30 deutlich weniger Geschwindigkeit zu erlauben. Auch weitere Halteverbotsschilder könnten noch erforderlich werden, bestätigte das Gemeindeoberhaupt. Rexforth machte – mit Unterstützung zahlreicher Ratsmitglieder aus fast allen Parteien – aber unmissverständlich klar, dass es keine Alternative zu dem Verkehrsversuch gebe. Nachdem der Bürgermeister mehrmals damit gedroht hatte, die Polizei zu rufen, räumten die Demonstranten dann doch freiwillig die Fahrbahn.

Autofahrer ignorieren die Verkehrszeichen

Mehrere Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung hatten in den Stunden zuvor dutzenden Autofahrern erklären müssen, wie sie mit der neuen Verkehrsregelung umgehen müssen. Vor allem in der nicht mehr zu durchfahrbaren Mittelstraße strandeten viele Verkehrsteilnehmer – mehrere Autofahrer ignorierten dabei einfach die Verkehrszeichen.

Eine Absperrung verhindert die Durchfahrt in der Mittelstraße  – Busse können die Schranke jedoch passieren.
Eine Absperrung verhindert die Durchfahrt in der Mittelstraße – Busse können die Schranke jedoch passieren. © FFS | Erwin Pottgiesser

Unter keinem guten Stern ist also der lange vorbereitete Verkehrsversuch im Rahmen des Mobilitätskonzeptes im Schermbecker Ortskern angelaufen – bis zum 17. September gelten jetzt testweise diese Einschränkungen. Übergeordnetes Ziel ist es, den bis zum Jahr 2030 zu erwartenden Verkehr um die Hälfte zu reduzieren. Dies soll konkret zu einer besseren Aufenthaltsqualität in der Mittelstraße führen, anderseits aktiv den Klimaschutz unterstützen, erläuterte Schermbecks Bürgermeister Mike Rexforth.

Busse und Rettungsdienst haben freie Fahrt

Die Änderung der Verkehrsführung soll zu einer Reduzierung der verkehrlichen Belastung im gesamten verdichteten Ortskern führen. Insbesondere auf der Mittelstraße verbleibt nur der Kfz-Verkehr der Anlieger, sodass eine Ausweisung als Fahrradzone möglich ist. Die Busverbindungen sind nicht von Sperren betroffen – per Drücker können die Busfahrer die Schranken öffnen. Auch der Rettungsdienst wird selbstverständlich nicht ausgebremst.