Wesel. Der Tafelladen am Mühlenweg hat mehr Kunden als Waren. Damit alle Bedürftigen Lebensmittel erhalten, plant das Team jetzt eine Änderung.

Heute gibt es für die Kunden mal wieder Eier. Palettenweise stapeln sie sich im hinteren Teil des Tafelladens am Mühlenweg. „Das reicht gerade mal für drei Tage“, sagt der langjährige Vorsitzende Horst Maiß. Gepackte Gemüsekisten stehen bereit für die bedürftigen Familien, die an diesem Tag an der Reihe sind. Milchprodukte sind wie immer knapp. Seit 25 Jahren ist das Team der Weseler Tafel werktäglich im Einsatz, um Menschen für einen symbolischen Betrag einen Einkauf zu ermöglichen. Bedürftige, die ansonsten nicht über die Runden kämen. So viele sind es in Wesel, dass das Tafelteam sich zu einer Änderung durchgerungen hat: Jede berechtigte Familie oder Einzelperson kann ab Herbst statt maximal einmal die Woche nur noch alle zwei Wochen Waren erhalten.

Denn es gibt neben den etwa 300 Familien und Einzelpersonen noch rund 100 weitere Haushalte, die die Tafel derzeit nicht versorgen kann. Durch den zweiwöchigen Rhythmus sollen die übrig gebliebenen Lebensmitteln auf alle verteilt werden. Dann versorgt die Tafel insgesamt rund 1200 Personen oder mehr, schätzt Horst Maiß. Die steigende Nachfrage ist eine Folge der Inflation und der gestiegenen Energiepreise. Dass die Tafel in Wesel nun seit 25 Jahren besteht und so viele Bedürftige versorgen muss, ist für den Vorsitzenden „ein Armutszeugnis“: „Es gibt immer mehr Leute, die nicht mehr zurechtkommen.“

Gruppe der Tafelkunden in Wesel ist bunt gemischt

Darunter sind viele Rentner, die sich zum Teil schämen, das Angebot in Anspruch zu nehmen. „Manche kommen auch gar nicht“, weiß Maiß, obwohl er sie bei Vorträgen stets dazu ermutigt. Die Gruppe der Kunden ist bunt gemischt: Alleinerziehende, Rentner, Familien, Personen ohne Arbeit, darunter sind auch immer mehr geflüchtete Menschen. Und mancher bleibt aus Dankbarkeit als ehrenamtlicher Helfer hängen. So zum Beispiel zwei geflüchtete Männer, die nun mit anpacken.

Im Tafelladen am Mühlenweg werden die Waren für die Ausgabe sortiert und vorbereitet.
Im Tafelladen am Mühlenweg werden die Waren für die Ausgabe sortiert und vorbereitet. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Das Team besteht aus insgesamt gut 70 freiwilligen Helferinnen und Helfern. Jeder opfert so viel Zeit wie er kann, zum Beispiel als Fahrer oder Laden. Als hauptamtliche Kraft ist Mustafa Kardas aktiv. „Ohne ihn könnten wir dicht machen“, sagt Maiß. Er kümmert sich um so ziemlich alles, kennt die Kunden und ist fest angestellt. Zwei Jahre lang wird seine Stelle öffentlich gefördert, dann muss der Verein den Betrag komplett selbst aufbringen. Zum Glück gibt’s dafür treue Sponsoren, so Maiß: „Ohne die geht’s nicht“. Das gilt für alle Bereiche. Zwei oder vier Euro zahlen die Kunden je nach Haushaltsgröße für ihren Einkauf. Davon könnte der Verein den Betrieb nicht stemmen. Allein für den Warentransport sind drei Fahrzeuge im Einsatz. Das sind rund 350 Euro im Monat für Sprit, weiß Kassiererin Rita Schriever. Dazu kommen rund 500 Euro für Strom. Auch der Verein spürt die Preissteigerungen.

Tafel in Wesel: Weniger Ware, mehr Kunden

Die Zahl der Kunden ist gestiegen – 1998 wurden gerade einmal 170 Familien versorgt – die Menge der Ware im Gegenzug gesunken. Die Supermärkte kalkulieren genauer und verkaufen Artikel kurz vor dem Verfall zu günstigen Preisen. „Das sind Waren, die wir früher bekommen haben“, berichtet der Vorsitzende. Gerade bei Milchprodukten mache sich das bemerkbar, aber auch bei Obst und Gemüse. „Es gibt eben nicht immer alles. Wir versuchen es so gut wie möglich zu verteilen.“ Nur Brot, das eine Großbäckerei zur Verfügung stellt, sei immer genug da. Familien kommen bei der Ausgabe immer zum Schluss an die Reihe. Sie erhalten dann das, was übrig ist, obendrauf.

Für die Verteilung der Lebensmittel hat die Tafel in Wesel sechs coronagerechte Ausgabestellen eingerichtet. Elke Woerner (v.l.), Horst Maiß und Rita Schriever sind schon lange aktiv dabei.
Für die Verteilung der Lebensmittel hat die Tafel in Wesel sechs coronagerechte Ausgabestellen eingerichtet. Elke Woerner (v.l.), Horst Maiß und Rita Schriever sind schon lange aktiv dabei. © rme

Die Lebensmittel müssen in einigen Wochen nun für 14 statt für 8 Tage reichen. Das wird den Bestandskunden nicht gefallen, wissen die Tafel-Mitarbeiter, aber sie sehen keine Alternative. Dafür freuen sich diejenigen, die bisher nicht zum Zuge kamen. Um den Überblick behalten zu können, will die Tafel für alle Berechtigten Ausweise ausstellen, auf denen die Zahl der Haushaltsmitglieder vermerkt ist und auch die Gültigkeit der Papiere, mit denen die Bedürftigkeit nachgewiesen wurde.

Und was wünschen sich die aktiven Tafelhelfer für die Zukunft? Da muss Rita Schriever nicht lange überlegen: „Dass wir immer genug Lebensmittel und Sponsoren haben, damit wir alle Kunden versorgen können.“

Grillfest für Weseler Tafel-Helfer zum 25-Jährigen Bestehen

Bei seiner Gründung am 30. August 1998 war der Weseler Tafelverein der erste im Kreis Wesel. Angesichts der Tatsache, dass in Geschäften rund 20 Prozent der Lebensmittel entsorgt wurden, wollten die Initiatoren mit den aussortierten Waren Bedürftige versorgen. Mittlerweile gibt es in den Nachbarstädten wie Hamminkeln, Bocholt, Dinslaken oder Rheinberg ebenfalls Tafeln. Eine offizielle Feier zum 25. Geburtstag gibt es in Wesel nicht, aber ein Treffen aller Mitglieder zu einem Grillfest, das komplett aus Sponsorengeldern finanziert wird.