Hünxe. Noah (10) aus Hünxe leidet an einer unheilbaren Krankheit. Beim Konzert von Johannes Oerding rührt sein Schicksal die Zuschauer zu Tränen.
Heute ist nichts okay. Noah ist zu schwach, um aufzustehen. Alles tut weh. Infusionsständer stehen an seinem Bett. Der Zehnjährige aus Hünxe-Drevenack wird künstlich ernährt, Medikamente fließen durch Schläuche, Morphinpflaster sorgen dafür, dass Noahs Schmerzen gelindert werden. Vor zwei Wochen wurde er im Hospiz in Wuppertal noch einmal neu medikamentös eingestellt. Damit es für ihn noch gute Tage gibt, wie jetzt dank Johannes Oerding beim Fantastival in Dinslaken.
Seine Mutter hatte nach dem Kauf der Konzertkarten das Management von Johannes Oerding angeschrieben. Ob der Künstler vielleicht vor seinem Konzert, Noah begrüßen und ihm ein Autogramm geben könne? „Es ist sein erstes Konzert und er liebt Ihre Songs“, hatte Nadine Hennen geschrieben. „Insbesondere das Lied ‚Alles okay´.“ Tatsächlich erhielt die Familie kurz vor dem Konzerttag die Zusage. Am Merchandise-Stand wurden Nadine und Noah Hennen von Oerdings Assistentin Lena abgeholt.
Johannes Oerding singt nur für Noah aus Hünxe-Drevenack
Was Noah wenig gefiel, wollte er doch auf keinen Fall das Konzert verpassen. Auch der Hinweis von Lena: „Wir zeigen dir die Technik hinter der Bühne“, begeisterte Noah wenig – bis plötzlich Johannes Oerding vor ihm stand. „Uns zitterten beide die Beine“, erinnert sich Mutter Nadine. Johannes Oerding nahm ihnen jede Scheu, ganz natürlich und voller Herzenswärme unterhielt er sich mit Noah, nahm ihn in den Arm, schrieb „Für meinen Freund Noah“ auf dessen T-Shirt und schlug sogar noch ein Foto mit Noahs Bruder Anthony vor. Nur als er die Familie zu einem Drink einlud, musste Nadine Hennen mit Rücksicht auf Noahs Gesundheit passen. Was Noah gar nicht gefiel, hätte er doch noch so viel Fragen gehabt.
Doch es sollte noch eine Überraschung geben, von der auch Nadine Hennen nichts wusste. Während des Konzertes sucht sich Johannes Oerding einen Weg durch die Besucherreihen. „Dich kenn‘ ich doch“, hört Noah ihn sagen, als er vor seiner Reihe stoppt. „Du bist doch Noah und hast ein Lieblingslied“, sagt der Künstler, lässt sich seine Gitarre reichen und nimmt neben Noah Platz. Er singt für Noah, als habe er nur für ihn den Text geschrieben: „Unsere Narben sind `n Leben lang zu sehen“. Mehr als 50 Bauchoperationen haben nicht nur auf Noahs Körper Spuren hinterlassen. Er hängt an Oerdings Lippen, als er singt: „Irgendwann tut’s nicht mehr weh, dann ist es wieder okay“. Nicht nur Noahs Mutter, viele Konzertbesucher haben Tränen in den Augen. Das Schicksal des Zehnjährigen berührt die Menschen.
Das bewies im Dezember vergangenen Jahres eine unglaubliche Hilfsaktion. In der Nacht war die Wohnung der sechsköpfigen Familie, die im Hünxer Ortsteil Drevenack wohnt, durch einen Rohrschaden fast komplett mit Fäkalien vollgelaufen. Das Mobiliar war kontaminiert, alles was mit der braunen Brühe in Kontakt gekommen war, musste entfernt werden, wie sämtliche Bodenbeläge, die komplette Küche, Schränke, Inventar, Kleidung, Schuhe, Pflegeutensilien und alle Weihnachtsgeschenke. Die Menschen spendeten Geld, füllten im Friseursalon Petra Meyer die Spendendosen, und ermöglichten so, dass die Familie in ihrer Wohnung bleiben konnte.
„Wir haben jede Ausgabe dokumentiert und die neue Küche sogar selbst eingebaut“, erzählt Nadine Hennen. Viele der Spenderinnen und Spender kannte sie persönlich und konnte sich bei ihnen bedanken, Schwestern der Kinderstation in Neuss, Ärzte und Psychologen, die Noah behandeln, Sozialarbeiter, der Heimatverein, die Lehrerin eines der Geschwister und ganz viele Leute, die einfach nur helfen wollten. „Erst jetzt im Juni war die letzte Baustelle beseitigt, das Badezimmer“, schaut Nadine Hennen auf anstrengende Monate zurück. „Ohne die Mitwirkung unserer Kinderintensivschwester Silvia Fastring vom Pflegedienst Mogli, die sich in dieser Zeit intensiv um Noah gekümmert hat, hätte ich es nicht geschafft“, zeigt sich Nadine Hennen dankbar.
Beim Konzert von Johannes Oerding hat Noah alle Kräfte zusammengenommen
Noah hat beim Konzert alles gegeben, begeistert ist er zur Musik hochgesprungen. Nur seine Mutter sah, wie er sich immer wieder schmerzverzerrt den Bauch hielt. Das Konzert musste er vorzeitig verlassen. Doch selten haben seine Augen so gestrahlt. Im Krankenbett lässt er den großen Rahmen, der mit den Fotos und Erinnerungen an das Konzert bestückt ist, nicht aus den Augen. Sein Bruder Anthony hat ein Shirt vom Künstler bekommen „mit allen Konzertterminen von Johannes“, freut er sich.
„Wir wollen, solange es geht, Noah noch viele schöne Tage bescheren“, hat sich seine Mutter vorgenommen und lässt an den Songtext denken „An guten Tagen gibt es nur hier und jetzt … Mach‘ ich ‘n Foto…. Damit ich auch an schwarzen Tagen die hellen nicht vergess‘“. Noch kämpft Noah und hofft auf den nächsten guten Tag. „Was war denn dein schönster Tag?“, wird Noah gefragt. „Johannes Oerding oder der Überraschungsbesuch der Feuerwehr an deinem Geburtstag?“ An dem Tag durfte er im Feuerwehrwagen Platz nehmen und wurde durch Drevenack gefahren. „Das mit der Feuerwehr war schon cool“, erinnert er sich auch daran, dass die Männer als Ersthelfer damals die Wohnung leer pumpten. So teilen sich jetzt Johannes Oerding und die Feuerwehr Hünxe den Listenplatz 1.
Hintergrund: An dieser Krankheit leidet Noah aus Drevenack
Noah leidet an der Chronischen intestinalen Pseudoobstruktion, kurz CIPO. Die Krankheit führt dazu, dass der Darm nach und nach abstirbt und eine Heilung letztendlich nicht möglich ist. Die endgültige Diagnose wurde erst vor drei Jahren gestellt. Ein langer Leidensweg ging dem voraus.