Schermbeck. Seit der Verkehrsversuch in Schermbeck läuft, gehen bei Händlern an der Mittelstraße Kunden und Umsätze zurück. So deutlich ist ihre Kritik.

„Wir sind sehr gut auf dem Weg, den Ratsbeschluss, 50 Prozent des Verkehrs aus der Innenstadt zu verbannen, umzusetzen“, so Berthold Schmeing aus der Gemeindeverwaltung zu der Situation auf der Mittelstraße. Für eine endgültige Beurteilung müsse man aber neben der Auswertung der laufenden Verkehrszählungen auch die Einschätzungen von Betroffenen und Kaufleuten einbeziehen. Diese Meinungen hat die Redaktion eingeholt.

Die betroffenen Radfahrer und auch Fußgänger begrüßen die leere Mittelstraße natürlich. Allerdings gibt es immer noch Fahrzeuge, die vor der Schranke stehen und wenden müssen, weil sie die Verkehrszeichen schlichtweg übersehen. Das Urteil der Einzelhändler fällt hingegen anders aus:

„Das ist das totale Chaos“

„Die bereinigten Zahlen sprechen von 17 Prozent weniger Besuchen im Reisebüro“, berichtet Frank Herbrechter, Inhaber des Schermbecker Reisebüros, dem seit Beginn des Verkehrsversuchs die Kunden aus dem Kreis Borken, Gahlen und Besten fehlen. Außerdem bemängelt er, dass der Verkehr nicht kontrolliert werde, Motorräder ganz selbstverständlich an der Schranke vorbeifahren, die Straße aber ansonsten „tot“ sei. Externe Besucher fänden sich im Ort nicht mehr zurecht: „Das ist das totale Chaos“, sagt er.

Jörg Iser aus der Goldschmiede Iser & Dietzel findet die Sperrung der Mittelstraße für den Durchgangsverkehr unsinnig. Ihm fehlt genau wie Christiane Fröhlich aus der Geschenkboutique Stender der vorbeifahrende Verkehr, von dem das Geschäft gesehen wird: „Nicht selten kommt so jemand ins Geschäft“, so Iser. Christiane Fröhlich berichtet, dass es in all den Jahren nie so ruhig in der Geschenkboutique gewesen sei wie derzeit. Alice Esser vom gleichnamigen Modehaus bezeichnet den Versuch als „Katastrophe“ für ihr Unternehmen, auch ihr fehlt die mit dem Durchgangsverkehr verbundene Laufkundschaft.

Kunden meiden Geschäfte wegen der Verkehrsführung

Frustriert ist auch Udo Conrad, Inhaber des Rewe-Marktes. Er habe deutliche Umsatzeinbußen zu verzeichnen, genau wie der Fischhändler, der einmal die Woche vor Ort sei. Kunden hätten ihn angeschrieben und auch angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie aufgrund der Verkehrsführung woanders einkaufen. Von negativen Kundenrückmeldungen spricht auch Peter Verwiebe (Verwiebe Optik). Dem schließen sich die Angestellten der Burgapotheke an, die für den Verkehrsversuch die Note 6 aussprechen. In einer langen Liste haben 28 Kunden in der ersten Woche des Versuchs ihre negativen Erfahrungen niedergeschrieben. Mehr Medikamente müssten nun zu den Kunden gebracht werden, die die Apotheke insgesamt weniger frequentieren.

Auch die Stadtparfümerie Pieper verzeichnet seit der neuen Verkehrsführung weniger Kunden und Umsatz. Und Marie Adelheid Böckenhoff, die mit ihrem Verkaufswagen neben Rossmann steht, spricht gar von „erheblichen Umsatzeinbußen“ in diesem Jahr, der Verkehrsversuch sei für sie regelrecht geschäftsschädigend.

Umwege: Fünf Kilometer Fahrt zum Brötchenholen

„Das kann so nicht bleiben“, meint auch Rudi Draeger vom gleichnamigen Schuhhaus. „Ich habe in meinem Geschäft zwar bisher keine Nachteile, aber ich fahre irre Wege, wenn ich von meinem Zuhause aus mit dem Auto Besorgungen machen muss.“ Allein zum Brötchen holen fahre er nun fünf Kilometer hin und zurück und er weiß auch von Kunden zu berichten, die abstruse Umwege in Kauf nehmen müssen. Draeger favorisiert, wie die meisten Befragten, eindeutig die Einbahnstraßenregelung. Diese würde auch Claudia Wenzel (Friseursalon Wenzel) begrüßen. Sie habe zwar ebenfalls keine Nachteile, da sie wie einige andere Geschäftsleute an der Mi Stammkunden hat und nach Terminen arbeitet, aber irgendwie fehle das Leben auf der Straße. Das empfindet auch Tim Besten, Inhaber des EMS-Studios so.

Anja Mettler, Inhaberin des Uhren- und Schmuckfachgeschäfts „Edel und Metall“, findet den Verkehrsversuch positiv, die Problematik der Umwege sieht sie durchaus, aber: „Man kann nichts verändern, wenn man nichts verändert“, sagt sie.