Wesel. Der 21-Jährige musste sich nach dem Unfall mit drei Toten im Stadthafen vor Gericht in Wesel verantworten. Nun gibt es ein überraschendes Urteil.

Die fast sechsstündige Verhandlung vor dem Schöffengericht offenbarte die ganze Tragödie des Unfalls am Weseler Stadthafen vom 28. Februar 2022. Am Ende stand nicht nur ein überraschendes Urteil nach dem Jugendstrafrecht gegen den Angeklagten, der bei der Tat 20 Jahre alt war. Durch mehrere Zeugenaussagen wurde zudem deutlich, dass es um ein Haar eine noch größere Katastrophe – mit bis zu sieben Toten – hätte geben können: Denn nur wenige Meter neben der Stelle, an der das Auto in den Rhein stürzte, saßen drei junge Weseler an der Kaimauer, die das Fahrzeug allerdings knapp verfehlte.

Fahrerlaubnis bleibt erstmal eingezogen

Weil er den Tod von drei jungen Menschen verursacht hatte, wurde der 21 Jahre alte Angeklagte aus Wesel verwarnt. Darüber hinaus wurden dem jungen Mann mehrere Auflagen gemacht: So muss er 200 Sozialstunden leisten, ein Gespräch bei der Jugendberatungsstelle wahrnehmen, ein Fahrsicherheitstraining auf eigene Kosten absolvieren und sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Seine Fahrerlaubnis, die ihm direkt nach dem Unfall aberkannt worden war, bleibt noch drei weitere Monate eingezogen.

Der Prozess um den tödlichen Unfall im Stadthafen hatte am Dienstag unter großem Medien- und Zuschauerinteresse begonnen – unmittelbar zu Prozessbeginn zeigte sich der Angeklagte voll geständig. „Durch den Tod seiner drei Freunde hat er seine Strafe schon lange kassiert“, sagte sein Anwalt. Am Nachmittag fiel dann das für viele Beobachter etwas überraschende Urteil: Die Anklage lautete zuvor noch auf fahrlässiger Tötung.

Die vorsitzende Richterin erläuterte aber ausführlich, warum der Angeklagte nicht zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Zu diesem Urteil wäre es wohl gekommen, falls das Gericht nach dem Erwachsenenstrafrecht entschieden hätte, doch viele Aspekte zeigten eine eindeutige Reifeverzögerung bei dem Beschuldigten. Also waren sich alle Beteiligten einig, dass nach dem Jugendstrafrecht verfahren werden müsse. In diesem wiederum ist eine Haftstrafe nur möglich, wenn „schädliche Neigungen“ oder die „Schwere der Schuld“ nachzuweisen sind. Ersteres verneinte das Gericht eindeutig, bei der Schwere der Schuld überlegte das Schöffengericht länger, verneinte aber auch die. Man dürfe nicht die Schwere der Folgen, die schlimmer kaum sein könnten, mit der Schwere der Schuld gleichsetzen, so die vorsitzende Richterin.

Das Fahrzeug, ein Audi A3, wurde am Tag nach dem Unfall mit einem Kran aus den Rhein gezogen. Drei Tote wurden im Inneren des Pkw gefunden – es waren die drei Freunde des Fahrers.
Das Fahrzeug, ein Audi A3, wurde am Tag nach dem Unfall mit einem Kran aus den Rhein gezogen. Drei Tote wurden im Inneren des Pkw gefunden – es waren die drei Freunde des Fahrers. © FFS | Markus Joosten

Der junge Mann aus Wesel war Fahrer des Autos, das bei dem Unfall im Rhein versunken war. Auf der Rückbank ertranken dabei drei Heranwachsende (16,18 und 19 Jahre alt). Der Beifahrer könnte sich wie der Fahrer aus dem untergegangenen Auto retten. Das Fahrzeug hatte hinten keine Türen, zudem war das Schiebedach geöffnet – der Wagen muss innerhalb von Sekunden gesunken sein.

Vor allem wegen vollkommen abgefahrener Reifen misslang ein Bremsmanöver des Fahrers, der in dem eigentlich für den Verkehr gesperrten Silo-Bereich des Hafens an diesem Abend seine erste Fahrt mit dem für ihn neuen Auto absolvierte. Erst einen Monat zuvor hatte der Weseler seinen Führerschein gemacht. Weil er an zwei Reifen „null Millimeter Profiltiefe“ hatte, durch eine große Pfütze und dann auf mehrere Stahlplatten mit viel zu hoher Geschwindigkeit fuhr, reagierte das Auto beim Bremsen „wie auf einer Eisfläche“, so der Gutachter – es war nicht mehr kontrollierbar.

An dieser Stelle schlitterte das Unfallfahrzeug in den Rhein. Ungefähr an der Stelle, wo man die gelbe Zahl 3 sieht, befanden sich drei weitere Jugendliche, die an der Kaimauer saßen.
An dieser Stelle schlitterte das Unfallfahrzeug in den Rhein. Ungefähr an der Stelle, wo man die gelbe Zahl 3 sieht, befanden sich drei weitere Jugendliche, die an der Kaimauer saßen. © FFS | Erwin Pottgiesser

Während der Beifahrer sich an die Kaimauer retten konnte und von Zeugen aus dem Wasser gezogen wurde, trieb der Fahrer auf den offenen Rhein hinaus. Das sah ein 43-Jähriger niederländischer Schiffer, der geistesgegenwärtig einen Rettungsring mit Seil dem Unfallfahrer zuwarf und ihn auf sein Schiff zog. Damit rettete er dem 20-Jährigen vermutlich das Leben, das aber durch die Tragödie seit diesem Tag nicht mehr dasselbe ist.