Wesel. Viele Frauen in Nepal leiden unter massiver Inkontinenz. Ein Weseler Chefarzt unterstützt ein Projekt zur operativen Versorgung der Betroffenen.

Wenn der Chefarzt der Universitätsfrauenklinik Kathmandu am Standort Dhulikhel, Prof. Dr. Suman Ray Tamrakar, und seine Stellvertreterin Dr. Abha Shresta über die Arbeit ihres Gastgebers, Dr. Bernhard Uhl, reden, sind ihre Worte geprägt von Dankbarkeit. Der Chefarzt der Klinik für Gynäkologie, Urogynäkologie und Gynäkologische Onkologie am Evangelischen Krankenhaus in Wesel engagiert sich seit Jahren im Rahmen eines Entwicklungsprojektes für die gynäkologische Versorgung von Frauen in Nepal.

Uhl hat seine Kollegen aus Nepal für einige Tage zu Besuch, bevor es gemeinsam zum Gynäkologie-Kongress nach München geht. Untergebracht in einem Appartement des EVK-Wohnheims konnten die beiden Mediziner bereits in der Klinik hospitieren und sich über moderne Operationstechniken mit robotischer Unterstützung informieren. Dabei wohnten sie bereits einer komplizierten Endometriose-OP mit Darmbeteiligung bei, die ihnen das Maximum dessen, was endoskopisch machbar ist, vermittelte.

Bernhard Uhl hatte auf Trekkingtouren in Nepal einst seine Liebe zum Land entwickelt und schnell die Not der Frauen, insbesondere in seinem Fachbereich, erkannt. Im Jahr 2013 startete er ein urogynäkologisches Projekt, nachdem die dortigen Gesundheitsbehörden einen Hilferuf abgesetzt hatten. Das Problem: Ein großer Teil der 20- bis 40-jährigen Frauen leiden unter massiver Harninkontinenz. Ein Tabuthema – nicht nur in Nepal.

Darum leiden viele Frauen in Nepal unter Harninkontinenz

Nun galt es, nicht nur Spenden für die nötige Infrastruktur, für Operationsmaterial und Gerätschaften zu akquirieren, sondern auch Ärzte und Pflegekräfte zu schulen. Operationen, die der Lebensqualität, nicht dem Überleben nutzen, haben in einem armen Land keine Priorität. Doch junge Mädchen müssen früh körperlich arbeiten, schwere Lasten tragen.

Zudem gebären sie bereits in jungen Jahren mehrfach, was zu Schädigungen des Beckenbodens, zu Gebärmuttersenkungen und in Folge zu unkontrollierbarem Urinverlust führt. Was nicht nur ein hygienisches Problem ist, das die Frauen ausgrenzt, sondern auch ein medizinisches. Aufsteigende Infektionen wie schwere Blasen- und Nierenentzündungen oder Ekzeme der Haut sind häufige Komplikationen, wie Abha Shresta, die auch stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Nepalesischen Gesellschaft für Gynäkologie ist, bei ihrem jetzigen Besuch erläuterte.

Sie hat über Jahre Aufklärungsarbeit geleistet, jede Patientin nach Inkontinenzproblemen befragt, entsprechende Forschungsprojekte geleitet und die Operationsmethode erklärt. Unter örtlicher Betäubung oder leichter Kurznarkose werden Minischlingen unter der Harnröhre implantiert. „Diese Operationen sind auch in den kleinen Gesundheitscamps ambulant möglich“, erklärt Uhl.

Was wichtig für die Bergbevölkerung ist. Die Operation kostet zirka 300 Euro, was die Bevölkerung, die im Schnitt, so erläutert Tamrakar, 500 bis 600 Euro im Jahr verdient, selbst nicht leisten kann. Daher wollen die beiden Ärzte bei ihrem jetzigen Besuch in Deutschland sich nicht nur medizinisch fortbilden sondern auch um Spenden werben.

Eine kleine Operation kann Frauen in Nepal das Leber erleichtern

In den vergangenen Jahren gab es einen regen Austausch der Mediziner mit gegenseitigen Workshops, Hospitationen und Fortbildungen. „In manchen Dingen wird in Nepal so gearbeitet wie bei uns vor 30 Jahren“, erzählt Dr. Uhl. So sei wichtig, dort die Bereitschaft zu schaffen, neue Methoden zu erlernen. Dazu wird Uhl in zwei Wochen wieder zu einem Einsatz nach Nepal fliegen - im Gepäck ein transportables Ultraschallgerät als Geschenk.

Für seine Verdienste wurden Uhl und sein Team bereits vom nepalesischen Präsidenten geehrt. Denn Jahr für Jahr wurde immer mehr Frauen dank einer Operation geholfen. Gerne erinnert sich Dr. Uhl an eine Abreise. Die operierten Frauen standen Spalier, um ihm mit den Worten zu danken, er habe ihnen ein neues Leben geschenkt. „Was mich sehr bewegt hat“, zeigt sich der Chefarzt heute noch gerührt.

Inkontinenz: Dunkelziffer der betroffenen Frauen ist hoch

Die Dunkelziffer der von Harninkontinenz-Betroffenen ist hoch, auch in Deutschland. „Bei uns wird eher für Slip-Einlagen geworben als für urogynäkologische Untersuchungen wie beispielsweise in England“, bemängelt Chefarzt Dr. Uhl, der die höchsten Qualifikationen auf diesem Gebiet nachweisen kann. Wer für das Nepal-Projekt spenden möchte, kann sich unter www.gnesog.com informieren. Der gemeinnützige Verein stellt gerne Spendenquittungen aus. Bernhard Uhl ist Präsident der Deutsch-Nepalesischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und Ehrenmitglied der nepalesischen Gesellschaft. Im Rahmen seines Entwicklungsprozesses steht auch die Ausbildung von Ärzten auf der Agenda.