Wesel. Die Preise für Gebrauchtimmobilien sind in Wesel weiter gestiegen – aber es könnte eine Trendwende geben. Was Verkäufer und Käufer wissen müssen.

Wohnungen und Häuser sind in Wesel erneut deutlich teurer geworden. Das hat eine Auswertung der LBS ergeben. Die gestiegenen Hypothekenzinsen wirken sich demnach noch nicht auf die Preise für Gebrauchtimmobilien in Wesel aus. Über alle Objektarten hinweg sind die Angebotspreise im vergangenen Quartal um elf Prozent gestiegen. „Es ist noch keine Beruhigung der teilweise turbulenten Preisentwicklung der vergangenen Jahre erkennbar. Denn die Nachfrage bleibt weiter hoch“, sagt LBS-Gebietsleiter Thomas Stachowski, der die aktuelle Empirica-Preisdatenbank für Wesel ausgewertet hat.

So kosteten Eigentumswohnungen in Wesel durchschnittlich 2069 Euro pro Quadratmeter (166.000 Euro im Schnitt für eine Wohnung), sieben Prozent mehr als im ersten Quartal 2022. Vor einem Jahr sind die Preise im Vergleichszeitraum um zwei Prozent zurückgegangen. Für gebrauchte Reihen- und Doppelhäuser mussten im zweiten Quartal durchschnittlich 307.000 Euro und damit sechs Prozent mehr bezahlt werden. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum betrug die Teuerung noch sieben Prozent. Freistehende Eigenheime sind laut LBS besonders begehrt – sie werden für durchschnittlich 464.000 Euro angeboten. Das sind 22 Prozent mehr als noch im ersten Quartal. Dagegen sind die Preise vor einem Jahr um 18 Prozent gestiegen.

Basis der Empirica-Preisdatenbank sind alle Angebotspreise in Online- und Printanzeigen. Einen möglichen Effekt von Inflation und Zinsen sieht Thomas Stachowski dennoch: „Bisher musste meist davon ausgegangen werden, dass der tatsächliche Kaufpreis höher als das ursprüngliche Angebot lag. Jetzt haben Käufer oft wieder mehr Spielraum für Verhandlungen.“

Und es gibt durchaus mehr Anzeichen dafür, dass sich die Lage auf dem Immobilienmarkt bald verändert. „Viele Leute sind verunsichert“, sagt Frank Schalnaß, Immobilienberater bei der LBS. Die gestiegenen Zinsen, der Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation oder die explodierenden Gaspreise – all das spiegelt sich so langsam in der Nachfrage nach Immobilien in Wesel wider. Während zu Beginn des Jahres noch 50 bis 75 Interessenten im Schnitt auf ein Angebot kamen, sind es jetzt noch 30 bis 40, berichtet Schalnaß.

Immobilienmarkt in Wesel: Richtigen Zeitpunkt schon verpasst?

Zwar werden gebrauchte Wohnungen und Häuser immer noch regelmäßig im Bieterverfahren verkauft, wer die höchste Kaufsumme anbietet, bekommt also den Zuschlag, Rabatte sind damit ausgeschlossen, doch „das wird nachlassen“, ist der Berater überzeugt. Viele Verkäufer könnten den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf bereits verpasst haben – und wollen jetzt noch schnell hinterherziehen. „Es kommen derzeit deutlich mehr Immobilien auf den Markt“, so Schalnaß.

Gleichzeitig sinkt die Nachfrage, folgt man also den Gesetzen der wirtschaftlichen Logik, müssten die Preise irgendwann fallen – das gilt insbesondere für Gebrauchtimmobilien in einem nicht so guten Zustand. Schalnaß rechnet damit, dass die Preise mit Beginn des neuen Jahres zumindest schonmal stagnieren und dann langsam sinken. „Derzeit wird 25 Prozent über Wert verkauft, die Preise würden sich dann wieder etwas der Realität annähern.“ Der Effekt könnte sich allerdings noch etwas verzögern, weil Verkäufer noch abwarten, um möglichst viel Geld für ihre Immobilie zu bekommen.

So schätzt eine Weseler Immobilienmaklerin die Lage ein

Ähnlich sieht es Jennifer Berndsen vom Weseler Maklerbüro Berndsen. „Die Preisralley, getrieben durch niedrigste Zinsen über Jahre hinweg, ist erstmal vorbei“, sagt Berndsen. Selbst Immobilien mit Modernisierungsstau seien wegen der Niedrigzinsphase gut verkauft worden. Das sei nun nicht mehr möglich. Immobilien, die den aktuellen Top-Anforderungen an Ausstattung und Lage nicht mehr erfüllen, sind somit die Verlierer. „Hier gehen die Preise deutlich runter“, so Berndsen.

Bei den Verkäufern mache sich derzeit die Unsicherheit darüber breit, ob der Zeitpunkt zum Verkauf verpasst wurde. Das sieht auch die Maklerin so. Die Eigenkapitalanforderungen der Banken seien in den letzten Monaten zudem gestiegen. Objekte würden derzeit ganz genau geprüft, besonders hinsichtlich Drittverwendungsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Das alles bedeute insgesamt eine Zurückhaltung bei potenziellen Käufern und Käuferinnen. „Die Interessenten warten teilweise auf zu erwartende Immobilienpreissenkungen in absehbarer Zeit“, sagt Berndsen.

Hintergrund: Die Zinsen werden auf einem hohen Niveau bleiben

Laut LBS-Berater Frank Schalnaß haben sich die Hypotheken-Zinsen seit Beginn des Jahres mehr als verdreifacht. Während sie Anfang 2022 noch bei um die ein Prozent lagen, gingen sie zwischenzeitlich sogar auf bis zu vier Prozent hoch und haben sich mittlerweile bei etwa 3,5 Prozent eingependelt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zinsen in absehbarer Zeit fallen werden“, sagt Schalnaß. Die Entwicklung hat massive Auswirkungen auf Kreditnehmer. Ein Beispiel: Lag die monatliche Belastung bei einer 300.000 Euro-Immobilie Anfang des Jahres noch bei 1100 Euro, könnten es jetzt 1600 Euro sein, rechnet der Experte vor.