Wesel. Eine Suche am Ufer lohnt jetzt ganz besonders: „Vater Rhein“ hat sich sehr weit in sein Bett zurückgezogen und gibt so ungewöhnliche Dinge frei.

Gerade in diesen Tagen lohnt sich ein Spaziergang am Rheinufer in Wesel, denn der Strom ist deutlich schmaler als gewöhnlich und legt damit Dinge frei, die sonst unter der Wasseroberfläche im Verborgenen bleiben.

Schon als Kind war Silke Bergmann gerne am Rheinufer unterwegs und hat Ausschau nach Fundstücken gehalten. Die heute 60-jährige Weselerin hat daraus mittlerweile seit vielen Jahren ein besonderes Hobby gemacht – sie gestaltet das Schwemmgut künstlerisch um und präsentiert ihre Werke unter anderem bei der Ateliergemeinschaft Z6 in der Weseler Zitadelle.

Mit offenen Augen am Ufer unterwegs

Sie berichtet, dass es sich immer wieder aufs Neue lohne, am Ufer des Flusses auf „Schatzsuche“ zu gehen: „Man muss nur die Augen offen halten und Geduld haben. Irgendwas findet man immer“, so Bergmann, die allerdings meistens nach Rheinhochwasser viele angeschwemmte Objekte einsammelt. „Wenn sich das Wasser zurückzieht, bleibt vor allem viel Totholz zurück“, erzählt die Weselerin, die aber auch einen Blick für ganz andere Dinge hat.

Ganz schön verknotet sind diese Kabel und Seile unweit des Bislicher Fähranlegers.
Ganz schön verknotet sind diese Kabel und Seile unweit des Bislicher Fähranlegers. © Johannes Kruck

„Steine mit Löchern habe ich auch schon gefunden: Hühnergott sagen einige dazu und verbinden das sogar manchmal mit Aberglauben“, so die Künstlerin. Die Bezeichnung Hühnergott stammt von der Vorstellung mit solchen Steinen das Hausgeflügel gegen böse Geister schützen zu können, so ein alter slawischer Volksglaube.

„Ganz bizarr sind aber auch manche Glasstücke, die schon vom Rhein rund gewaschen wurden“, ergänzt Bergmann, die daraus beispielsweise ein neues Mosaik gestaltet. Im Wasser selber hat sie auch schon alte Beschläge entdeckt, die völlig verrostet und mit Muscheln besetzt, wohl schon Jahrzehnte dort liegen.

Was leuchtet da so auffällig im Rhein?

Beim Spaziergang entlang des Rheins zwischen dem Fähranleger Bislich und Rheinkilometer 822 bestätigen sich die Erzählungen: Alle paar Meter gibt es zwischen tausenden Muscheln sowie Sand und Kies Spannendes zu entdecken: Mal ist es ein Stück Holz, mal ein zur Hälfte im Boden versunkener Kanister, mal eine dicke Holzscheibe, mal ein Gewirr aus Seilen und dicken Kabeln. Ganz unten an der Wasserkante zeigen sich verrostete Metallteile, die sonst nicht zu sehen sind: Teilweise leuchten sie orange-rot und sind komplett mit Muscheln überzogen – vermutlich liegen diese Fundstücke bereits sehr viele Jahre dort im Rhein.

Gleich mehrmals findet man auf diesem Abschnitt auch Reibhölzer mit Seilen, also hölzerne Fender die eigentlich zum Schutz von Booten und Schiffen an Kaimauern dienen, aber offenbar ins Wasser gelangt sind und nun in Bislich angeschwemmt wurden. Doch dieses Schiffszubehör ist hier wohl nur auf Zeit anzutreffen: Beim nächsten Hochwasser nimmt der Fluss die Hölzer vermutlicht wieder einige Kilometer Richtung Niederlande mit und legt sie dann woanders wieder ab.

Der Rhein hat dieses Reibholz vorübergehend nahe Wesel am Ufer abgelegt. Spätestens beim nächsten Hochwasser wird der Fluss das etwa 1,5 Meter lange Teil wohl weiter in Richtung Niederlande mitnehmen.
Der Rhein hat dieses Reibholz vorübergehend nahe Wesel am Ufer abgelegt. Spätestens beim nächsten Hochwasser wird der Fluss das etwa 1,5 Meter lange Teil wohl weiter in Richtung Niederlande mitnehmen. © . Johannes Kruck

„Vater Rhein“ schwemmt natürlich auch diversen Müll an: Vor allem farbige Plastikteile leuchten von weitem, aber auch Flaschen in den verschiedensten Größen und Formen glänzen in der Sonne. Ein neugieriger Sammler schaut dann natürlich genau hin, ob es sich um eine Flaschenpost handelt. Der gebürtige Weseler Ralf Neuköther-von Malottki, der mittlerweile in Rheinberg lebt, ist ebenfalls oft am Ufer unterwegs – und hat dort sogar mal eine Flaschenpost gefunden. Und was stand drin? „Das war leider nicht mehr zu lesen, weil Wasser in die Flasche gedungen war“, berichtet der 62-Jährige.

War das mal eine Schatztruhe? Oder nur ein verrosteter größerer Kanister? Einige Fundstücke am Rhein geben Rätsel auf.
War das mal eine Schatztruhe? Oder nur ein verrosteter größerer Kanister? Einige Fundstücke am Rhein geben Rätsel auf. © Johannes Kruck

Wie Silke Bergmann war er auch künstlerisch bei der Weseler Ateliergemeinschaft Z6 aktiv, weil er seine „Schätze“ vom Ufer weiterverarbeitet. Er sagt über seine Vorgehensweise bei der Schatzsuche am Rhein: „Man scannt mit dem Auge das Ufer und bekommt irgendwann einen Blick dafür, was interessant sein könnte.“ Er habe eine Klappsäge dabei, um manche Dinge, die zum Beispiel im Boden feststecken, loszusägen. Und im Zweifel nehme er ein Fundstück erstmal mit, manchmal komme ihm dann erst Tage oder Wochen später eine Idee, was er daraus gestalten könne, so Neuköther-von Malottki, der seine Objekte schon in diversen Ausstellungen präsentiert hat – unter anderem auch wieder am 24. und 25. September auf Gut Bovenholt in Kalkar.

Neue Schatzsuche voller Vorfreude

Das stellt sich die Frage: Hat der Künstler denn nicht irgendwann genug Fundstücke in seinem Fundus? „Sicher nicht“, erklärt Neuköther-von Malottki lachend und fügt hinzu, „das Rheinufer liefert immer wieder neue Überraschungen.“ Vermutlich wird er also bald erneut auf neue Schatzsuche gehen. Eines ist gewiss: „Vater Rhein“ legt Tag für Tag neue Fundstücke an seinen Ufern ab. „Man muss nur darauf stoßen“, ergänzt der Sammler voller Vorfreude auf die nächsten Funde.