Wesel. Immer häufiger landen im Tierheim Kaninchen, die keiner mehr will – einige wurden ausgesetzt. Auch viele Katzenbabys werden aktuell aufgepäppelt.
Das kleine, braune Kaninchen ist scheu, nur die Nase guckt aus seinem Versteck hervor. Dass der etwa dreijährige Bock noch lebt, ist pures Glück. An einer Bushaltestelle an der Feldstraße in Obrighoven wurde das Langohr Anfang Juni ausgesetzt – in einer Plastiktüte. Daniela Möllmann vom Tierheim Wesel kann es nicht verstehen: „Er wurde nur durch Zufall rechtzeitig entdeckt. Es war sehr warm an diesem Tag.“ Nur eines von vielen Kleintierschicksalen, mit denen das Tierheim derzeit täglich konfrontiert wird. Daher warnen die Tierschützer vor unüberlegten Käufen.
In der Zoohandlung sieht alles so leicht aus: Mal eben ein Kaninchen fürs Kind kaufen, die Auswahl ist ja groß, dazu den oft viel zu kleinen Käfig – und die Freude ist perfekt. Leider landen unbedacht gekaufte Tiere viel zu häufig in der Einrichtung an der Lackfabrik. 19 Kaninchen leben derzeit in den Gehegen, damit sind alle Plätze belegt und Daniela Möllmann bittet dringend: „Die Leute sollten sich vorher Gedanken machen.“ Und wer sich einen kleinen Hausgenossen zulegen möchte, kann sich auch im Tierheim nach einem passenden Tier umschauen.
Die Kleinen sind derzeit die Sorgenkinder. Denn die Freude über den vermeintlich anspruchslosen Familienzuwachs hält mitunter nicht lange an: Immer wieder werden Kaninchen abgegeben oder gar ausgesetzt. Weil das Kleintier eben doch Arbeit macht. Weil es zu langweilig geworden ist. Oder weil es durch ein einsames Leben in einem winzigen Käfig verhaltensauffällig wird und beißt. „Wir haben fast täglich Anfragen“, berichtet Daniela Möllmann. Selbst in den Ställen, die für Meerschweinchen gedacht waren, leben derzeit Langohren: Vom Zwergwidder übers Löwenköpfchen und Rexkaninchen bis zum Angora-Mix, der wegen der aufwendigen Fellpflege richtig Arbeit macht.
Tierschützer warnen: Nicht aus Laune heraus Kaninchen kaufen
So viele Kaninchen kamen letzter Zeit hinzu, dass das Tierheim auf seiner Facebookseite warnt: „Informiert Euch genauestens über die anspruchsvolle Haltung von Kaninchen und Kleintieren und kauft nicht mal eben aus der Laune heraus welche im Zoohandel, weil sie ja so niedlich aussehen. Informiert Euch auch vorher welche Platzbedürfnisse diese Tiere haben und kauft nicht einfach den Ein-Meter-Käfig, weil es der Verkäufer so erzählt.“
So mancher Bewohner des Tierheims ist durch die schlechte Haltung nicht mehr zu sozialisieren. So wie der Widderbock, der sich allein in einem zu kleinen Gehege zum Beißer entwickelt hat und keinen Artgenossen mehr in seiner Nähe duldet. „Die Zoogeschäfte beraten oft nicht gut genug“, sagt Daniela Möllmann. Pro Tier sollte man drei Quadratmeter Platz rechnen und die Tiere nicht allein halten. Auch sei das Kinderzimmer nicht der richtige Ort, weil oft zu unruhig.
Junge Katzen landen im Tierheim
Nur einige Schritte weiter herrscht Flauschalarm: 16 Katzenkinder werden derzeit großgezogen, zusammen mit den erwachsenen Tieren sind es 40 bis 45 Stubentiger, um die sich die Mitarbeiter kümmern. In der Sommerzeit werden häufig junge Katzen gebracht: Eine Vierergruppe Katzenbabys von einem Bauernhof zum Beispiel, wo sie wild aufgewachsen wären.
Nun haben die scheuen Welpen die Möglichkeit, sich an Menschen zu gewöhnen und in einiger Zeit eine Familie zu finden. Bei einigen Babys kennen die Mitarbeiter die Herkunft nicht. Eine getigerte Jungkatze ist zum Beispiel ganz handzahm. „Da fragt man sich, woher sie stammen“, sagt Daniela Möllmann.
Sehr zutraulich ist auch Lucky, ein rot-weißes Katzenbaby, das noch in Quarantäne lebt. Es ist erst wenige Wochen alt und wurde alleine aufgefunden. „Sie kam in erbärmlichem Zustand zu uns, hatte Katzenschnupfen und ganz verklebte Augen. Wir hatten Bedenken, ob sie es schafft.“ Sie schaffte es und heißt daher Lucky, die Glückliche. Die Jungtiere müssen mindestens zehn Wochen alt werden, bevor sie in neue Hände vermittelt werden.
Katzenfutterspenden sind große Hilfe für das Tierheim
Es gibt auch erwachsene Samtpfoten, die das Tierheim vor Rätsel stellen, weil sie anscheinend niemand vermisst. Da ist „Boss“, ein grauer Britisch-Kurzhaar-Kater. Der wunderschöne, verschmuste Rassekater wurde vor zwei Wochen in Dinslaken-Hiesfeld gefunden. Er wird Boss genannt, „weil er sich so verhält“, sagt Daniela Möllmann. Ob er irgendwo ausgebüxt ist? Keiner weiß es.
Die vielen Katzen, besonders die Jungtiere, haben großen Hunger. Daher hat das Tierheim zu Futterspenden aufgerufen. Beim Online-Versandhändler Amazon können Spender Katzenfutter von einer Wunschliste bestellen und an das Tierheim liefern lassen – eine ganze Reihe von Lieferungen ist schon in Lackhausen angekommen – zur Freude der Tierschützer. Weitere Informationen hierzu gibt es auf der Homepage des Tierheimes www.tierheim-wesel.de oder auf der Facebookseite (Tierheim Wesel).
>>Tierheim wegen Corona geschlossen
Aufgrund von Coronainfektionen im Team sind die Türen derzeit für Besucher bis zum 14. Juli geschossen. Spenden können an der Tür abgestellt werden, auch Fundtiere nehmen die Mitarbeiter weiter an. Telefonisch ist das Tierheim unter 0281/56699 erreichbar, Anliegen können auf dem Anrufbeantworter hinterlassen oder per Mail an info@tierheim-wesel.de geschickt werden.