Wesel. Elena Skoda stammt aus der umkämpften Stadt Charkiw und sorgt sich um Angehörige, denen die Flucht aus der Kriegsregion noch nicht gelungen ist.

Der Krieg in der Ukraine ist gut 2000 Kilometer von Wesel entfernt und für Elena Skoda doch so nah. Denn die 56-Jährige stammt gebürtig aus Charkiw - der Stadt, die seit Tagen unter schwerem Beschuss liegt. „Es ist wie in einem falschen Film, einem Horrorfilm“, so beschreibt sie ihre Gefühlslage. Das Handy meldet sich während des Gesprächs mehrfach, ihre Schwestern oder Freunde senden Informationen aus der früheren Heimat und Fotos von der Zerstörung in Charkiw. Elena Skoda wartet auf erlösende Nachrichten von ihrer älteren Schwester, die auf dem Weg zur westlichen Landesgrenze ist.

Die 63-Jährige ist mit ihrem Sohn unterwegs, schon seit dem 25. Februar. Doch im Tross der vielen Flüchtenden geht es nur langsam voran. „Sie schlafen oft im Auto.“ Der Sohn wird sie über die Grenze bringen und dann umkehren, um zu Hause weiterzukämpfen. Derzeit kann die Frau wegen Herzproblemen nicht weiter, sie ist bei einer Familie untergekommen, hat aber keine Medikamente.

Die andere, 64-Jährige Schwester sitzt mit ihrer Tochter, der Schwiegertochter und drei Kindern im Wochenendhaus der Familie in einem Dorf nicht weit von Charkiw. Viele Ukrainer haben kleine Häuschen im Umland der Städte, sagt Elena Skoda. Wie geht es der geflüchteten Familie? „Sie reißen sich zusammen, hoffen, dass die Russen nicht soweit kommen.“ Sie können die Explosionen der Angriffe hören. Und: „Es gibt kaum Lebensmittel wie Eier und Brot.“ Auch Holz zum Heizen und Kochen neige sich dem Ende. Doch weg können die Frauen derzeit nicht, es ist einfach zu gefährlich.

„Russische Propaganda hat das Verhältnis zu Ukrainern vergiftet“

Viele Menschen in der Ukraine hätten ein derartiges Bombardement auf die Städte nicht für möglich gehalten, berichtet Elena Skoda, die 2001 mit ihrem Mann Wladimir und der damals zehnjährigen Tochter nach Deutschland kam. Ihr Mann ist eigentlich Physiker, er arbeitet in Deutschland derzeit als Lkw-Fahrer. Die 56-Jährige hat russische Sprache und Literatur studiert und hier eine Stelle in einem Brautmodengeschäft gefunden, Tochter Camilla ist Tanzlehrerin. Die Skodas fühlen sich am Niederrhein heimisch, haben die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, sind zufrieden mit ihrem Leben. Doch nun überschattet der Krieg in der früheren Heimat alles, die Angst um die Familie wächst mit der Eskalation, den immer massiver werdenden Angriffen.

Elena Skoda glaubt, dass die russische Propaganda einen großen Anteil an der aktuellen Lage hat. Seit der Annexion der Krim 2014 sei seien immer häufiger falsche Behauptungen in den russischen Medien verbreitet worden, sagt sie. „Das hat das Verhältnis über Jahre vergiftet.“ Denn eigentlich, erzählt sie, sei das Zusammenleben von Russen und Ukrainern in ihrer Heimatstadt immer gut gewesen. „Viele Menschen verstehen beide Sprachen.“ Ihre Mutter war Russin, der Vater Ukrainer – das war kein Problem. Ganz besonders ärgert die Weselerin, dass russisches Staatsfernsehen auch in Deutschland übers Smart TV angeboten wird - solche Sender sollten blockiert werden, findet sie. Denn viele Russen schauen nur diese Sender und glauben, was sie dort sehen.

Hilfe bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine in Wesel

Viel kann die Elena Skoda von daheim aus für ihre Angehörigen nicht tun, daher stellt sie ihre Unterstützung in Wesel zur Verfügung. Bei der Friedens-Demo am Großen Markt hat sie die Bürgermeisterin angesprochen. Nun hilft sie bei den Vorbereitungen für die Ankunft von Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet, dabei kann sie vor allem als Dolmetscherin nützlich sein. Auch andere Frauen aus der Ukraine hat sie bei der Kundgebung kennengelernt und mit ihnen eine Whatsapp-Gruppe gegründet. „Wir unterstützen uns gegenseitig.“ Elena Skodas größte Hoffnung ist, dass die Schwestern es zu ihr nach Wesel schaffen – an einen baldigen Frieden in der Ukraine wagt sie derzeit nicht zu glauben.