Wesel. Nach 36 Jahren zieht sich Ludger Hovest als Chef des SPD-Stadtverbandes in Wesel zurück. Die Partei plant den Neustart mit anderen Kräften.
Kurz bevor Ludger Hovest zum Vorsitzenden der SPD in Wesel gewählt wurde, hatten die Sozialdemokraten gerade einen großartigen Erfolg bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eingefahren. Nach einem bis dahin sowie danach unerreichten (und wohl auf absehbare Zeit unerreichbaren) Rekordergebnis von 52,1 Prozent der Stimmen, konnte die Partei mit absoluter Mehrheit weiterregieren. 1985 war das und der Ministerpräsident hieß Johannes Rau.
Der Wahl-Weseler Hovest gehörte bei dieser Wahl ebenfalls zu den Gewinnern. Er holte hier das Direktmandat gegen den langjährigen CDU-Abgeordneten Günter Detert – das „war damals überraschend und vergleichbar mit dem Einzug von Rainer Keller in den Bundestag in diesem Jahr“, sagt Hovest heute. Nach seinem Erfolg in der Landespolitik, übernahm er im Herbst den Vorsitz des Stadtverbandes. Während die Zeit des Sozialdemokraten im Landtag 1995 endete, blieb er 36 Jahre lang Chef der Weseler SPD.
SPD in Wesel: Die Ära Ludger Hovest endet
Am Freitagabend ist diese Ära vorbei. Wenn sich der Vorstand in der Aula der Kunst- und Musikschule neu aufstellt, wird Hovest zum letzten Mal durch die Sitzung leiten und Bericht darüber abgeben, welche Themen die Partei in den vergangenen Monaten bewegt haben. Danach ist Schluss an der Spitze, andere sollen übernehmen.
Der Prozess zur Erneuerung sei in der Partei schon vor längerer Zeit angestoßen worden, betont Hovest. Eigentlich wollte er sein Amt bereits nach der Kommunalwahl im Herbst 2020 abgeben – der Lockdown kam dazwischen und verhinderte, dass sich die Delegierten zu Versammlungen treffen konnten. Erst ist in diesem Sommer war das wieder möglich, die SPD wählte zunächst die Vorstände ihrer vier Ortsverbände neu, bevor nun der Stadtverband an die Reihe kommt.
Für die Nachfolge von Hovest hat sich der Vorstand auf eine Lösung geeinigt: Der bisher in der Außenwahrnehmung der Partei eher unbekannte Martin Wegner wird am Freitag den Delegierten zur Wahl vorgeschlagen, einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Wegner arbeitet lange Zeit für die Kreisverwaltung und gehörte zeitweise zum Verwaltungsvorstand, ehe er 2013 zu den Technischen Betrieben der Stadt Solingen ging und seitdem dort als Betriebsleiter arbeitet.
Ludger Hovest: „Die meisten Wahlen habe ich gewonnen“
Bevor am Freitag die Neuaufstellung beginnt, nutzte Hovest am Dienstag die Gelegenheit, auf die vergangenen 36 Jahre zurückzublicken. „Ich war immer jemand, der sich robust durchgesetzt hat “, sagte der keineswegs immer unumstrittene SPD-Mann beim Gespräch über sich selbst. „Und die meisten Wahlen in meinem politischen Leben habe ich gewonnen.“ Gegenkandidaten für den Vorstand gab es nie, Gegenwind schon: Ende der 1990er-Jahre watschte ihn seine Partei mit nur 60 Prozent Zustimmung ab, „meistens waren es aber über 90 Prozent“.
Inhaltlich hob Hovest drei Themen hervor, „auf die ich stolz bin“: Die Umgestaltung des Bildungssystems bis hin zur Gründung der beiden Gesamtschulen, den Bau der Südumgehung sowie die Querelen um die sogenannten Heuschrecken, die der Bauverein vor einigen Jahren ausstehen musste. Er habe damals seine Kontakte genutzt, um die Zerschlagung des Bauvereins durch Aktionäre zu verhindern.
Hovest sieht sich als SPD-Lobbyist für Wesel
„Ich habe mich immer als SPD-Lobbyist für die Menschen in Wesel eingesetzt“, so Hovest. Seine Partei sieht er heute gut aufgestellt, diesen Weg weiterzugehen. Die Sozialdemokraten seien tief in der Stadtgesellschaft verankert und in sich „geschlossen und solidarisch“.
Dass der 71-Jährige weiterhin ein Teil der Partei sein wird, steht außer Frage. „Es ist ja nicht so, dass ich ab Samstag nur noch zuhause bin und zum Politik-Opa werde“, sagt er und lacht. Er bleibt Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat und will auch der neuen Parteispitze mit Rat zur Seite stehen – wenn die ihn denn einfordert.
Doch ein wenig Zeit mehr für Privates wird wohl da sein, für die drei Enkelkinder und die riesige Modelleisenbahn auf dem Dachboden. Und dann sind da ja noch die Briefmarken, die er als Philatelist prüft. In der Corona-Zeit haben viele Menschen ihre alten Schätzchen entdeckt, es kommen viele Anfragen. Also: „Ich habe keine Langeweile.“
SPD Wesel: Diese Veränderungen sind noch geplant
Neben der Wahl eines neuen Vorsitzenden stehen bei der SPD in Wesel weitere Veränderungen an. Moritz Hußmann soll neuer Stellvertreter des Stadtverbandes werden und Patrick te Paß ersetzen, der aus beruflichen Gründen aus dem Vorstand ausscheidet. Zudem soll Silvia Schlensag die bisherige Arbeit von Felix Stephan als Schriftführer übernehmen. Zum Jahreswechsel soll Christopher Tischkewitz das Amt des Kassierers von Helmut Trittmacher übernehmen. Über die Vorschläge wird am Freitag ebenfalls abgestimmt.