Wesel. Angesichts der jüngsten Risse durch Wölfe fragen sich Stallbesitzer und Reiter, wie sie ihre Tiere effektiv vor dem Beutegreifer schützen können.

Die Nachricht, dass eine Entnahme von Wölfen aus dem Rudel Schermbeck weiterhin keine Option ist, weil es laut NRW-Umweltministerium mit wolfsabweisenden Zäunen, nächtlichem Aufstallen oder dem Einsatz von Herdenschutzhunden „zumutbare Alternativen“ gibt, stößt auch bei Weseler Pferdehaltern auf Kritik. Martin Quint-Mölleken ist Besitzer einer Pferdepension mit 35 Tieren.

Das Gelände mit rund zehn Hektar Weiden liegt in Obrighoven, direkt an den Lippewiesen nahe des Umspannwerkes. „Das ist ein enormer Aufwand. Wer macht die ganze Arbeit?“, fragt er sich. Zwar gab es auf seinem Hof noch keinen Übergriff durch einen Wolf wie jüngst in Hünxe, aber in nur fünf Kilometern Luftlinie Entfernung. Für einen Wolf ist das keine Entfernung, sagt er. 1,75 Meter hoch sind die Weidezäune, sie haben jeweils vier Stromlitzen, „sieben bis acht müsste ich haben.“

Die Pferde kommen abends in den Stall, doch auch die sind nicht alle wolfsicher, besonders der Offenstall nicht. Sollte etwas passieren, würden die Halter woanders einen Stall suchen, fürchtet Martin Quint-Mölleken. „Das sind alles Freizeitreiter, die haben eine enge emotionale Beziehung zu ihrem Tier.“

Mahnwache auf dem Hof in Wesel-Obrighoven

Der 42-Jährige hat Tier- und Pferdehalter auf seinem Hof am Mittwochabend zur Mahnwache eingeladen, denn er ist überzeugt: „Ich glaube nicht, dass es in NRW mit den Wölfen klappen kann.“

Ähnlich sieht es Hans-Peter Abeck, der Vorsitzende des Reitervereins St. Hubert Obrighoven. Der Wolf ist zurzeit ein viel diskutiertes Thema unter den Reitern, sie sind entsetzt, berichtet er. Auch seine Tiere sind nun nachts im Stall. Selbst, wenn die Mittel für Pferdebesitzer nun bald bereitstehen sollen, seien viele mit dem gewaltigen Aufwand für den Zaunbau mit Untergrabungsschutz überfordert, meint der Obrighovener.

„Und wer pflegt das alles? Wie lange dauert es, bis ich das Geld kriege?“ Dass ein Wolfsrudel sich an größere Pferde herantraut, fürchten die Besitzer – und dass bald auch in Wesel Tiere angegriffen werden könnten. „Die überqueren auch Flüsse und Autobahnen.“ Aber wie könnte eine Lösung für das hiesige Wolfsgebiet aussehen? Zumindest ein auffälliges Tier sollte entnommen werden, meint Hans-Peter Abeck, damit die anderen nicht von ihm lernen.

Nabu-Chef Malzbender: Herdenschutz ist möglich

Auch die CDU im Landtag sieht – anders als das Rechtsgutachten im Auftrag des Umweltministeriums – in dem Wolf sehr wohl eine ernstzunehmende wirtschaftliche Bedrohung für Nutztierhalter und plädiert für ein Wolfsmanagement wie in Frankreich, das im Ernstfall auch den Abschuss einzelner Wölfe beinhaltet. Die hiesige Abgeordnete Charlotte Quik fordert „die neue Bundesregierung dazu auf, eine Lösung für die Konflikte mit dem Wolf zu finden und eine Neubewertung des Erhaltungszustandes des Wolfs für Deutschland vorzunehmen.“ Man könne „eine unkontrollierte Ausbreitung auf Kosten unserer Landwirtschaft nicht mehr dulden.“ Diese Forderung kam auch von Landwirtschaftsverbänden.

Die Weideflächen von Martin Quint-Mölleken in Wesel-Obrighoven sind  sehr weitläufig und nur schwer Aufwand zu schützen, sagt der Pferdehofbesitzer.
Die Weideflächen von Martin Quint-Mölleken in Wesel-Obrighoven sind sehr weitläufig und nur schwer Aufwand zu schützen, sagt der Pferdehofbesitzer. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Völlig anders sieht das Nabu-Chef Peter Malzbender, der das Ergebnis des Gutachtens begrüßt und die Bewertung, dass ein Abschuss nicht zu rechtfertigen ist, für richtig hält. Vernünftiger Herdenschutz kann – nach einer Übergangszeit – funktionieren, ist er überzeugt. Und er ist unumgänglich: „Die Wölfe werden nicht mehr verschwinden.“ Es müssten nun schnell verlässliche Aussagen her, wie ein sicherer Zaun aussehen muss, „und die Förderung darf nicht im Schneckentempo fließen.“ Er appelliert aber auch an die Fürsorgepflicht der Halter, ihre Tiere zu sichern und sieht große Pferde nicht gefährdet – anders als Ponys.

>> Das sagt das Rechtsgutachten zur Entnahme der Wölfe

Die Übergriffe auf Ponysin Hünxe im Oktober konnten alle einem Wolf zugeordnet werden, in zwei Fällen wurden Spuren des im Wolfsgebiet Schermbeck ansässigen Rüden GW 1587m nachgewiesen.

Bei 73 Übergriffen seit 2018 mit 143 getöteten Tieren war nur in vier Fällen der empfohlene Herdenschutz vorhanden, heißt es in dem Rechtsgutachten. Voraussetzung für eine Tötung wäre, „dass erwartet werden kann, dass die Wölfe empfohlene und zumutbare Herdenschutzmaßnahmen überwinden werden. Die Nutztierrisse haben in der Vergangenheit ganz überwiegend Fälle betroffen, in denen solche Herdenschutzmaßnahmen nicht vorhanden waren.“

Herdenschutzmaßnahmen in Form von Zäunen und Herdenschutzhunden stellen aus Sicht des Gutachtens zur Zulässigkeit der Entnahme von Wölfen eine zumutbare Alternative dar.