Wesel. Ein Kleinflugzeug ist in ein Haus in Wesel gestürzt. Drei Menschen starben. Ihre Identität ist nun geklärt. Was wir bisher zum Hergang wissen.

Beim Absturz eines Ultraleichtflugzeugs in Wesel sind am Samstag, dem 25. Juli, drei Menschen ums Leben gekommen. Das Kleinflugzeug stürzte in ein Mehrfamilienhaus im Ortsteil Lackhausen.

Die Feuerwehr löste Großalarm aus. Rettungskräfte aus dem gesamten Kreis Wesel waren vor Ort, auch Rettungshubschrauber sowie eine Rettungshundestaffel. Das Leichtflugzeug war am frühen Nachmittag in die Dachwohnung des Fünf-Familien-Hauses gekracht und in Flammen aufgegangen. Auch der Dachstuhl brannte.

Flugzeugabsturz in Wesel: Was wir bislang wissen

Die Opfer

Die Toten waren ersten Erkenntnissen zufolge die beiden Männer, die bei dem Absturz in dem Kleinflugzeug waren, teilte ein Polizeisprecher auf Nachfrage mit. Zudem kam eine Frau aus dem Haus ums Leben. Weitere Opfer unter Bewohnern gab es nicht.

Tödliches Unglück in Wesel: Ein Kleinflugzeug ist am Samstag in ein Mehrfamilienhaus gestürzt. Beide Insassen sowie eine Bewohnerin starben. Die Frau hinterlässt eine zweijährige Tochter.
Tödliches Unglück in Wesel: Ein Kleinflugzeug ist am Samstag in ein Mehrfamilienhaus gestürzt. Beide Insassen sowie eine Bewohnerin starben. Die Frau hinterlässt eine zweijährige Tochter. © Gerd Hermann / FUNKE Foto Services

Nach Auskunft der Weseler Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, die ebenfalls zum Absturzort geeilt war, handle es sich bei der getöteten Frau um eine alleinerziehende Mutter. Ihre zweijährige Tochter sei mit ihr in der Wohnung gewesen und bei dem Unglück leicht verletzt worden. Westkamp zeigte sich von dem Unglück sehr bestürzt. Das Mädchen sei nun bei Verwandten untergebracht, hieß es am Sonntag.

Die Identität der Toten war mehrere Tage nach dem Unfall noch nicht bestätigt. Erst am Donnerstag gaben die Staatsanwaltschaft Duisburg und die Kreispolizei Wesel ihre Erkenntnisse bekannt: "Die drei Personen, die nach einem Absturz eines Ultraleichtflugzeuges am vergangenen Samstag ums Leben gekommen sind, konnten jetzt zweifelsfrei identifiziert werden", berichteten die Behörden: Es handle sich um eine 39-jährige Weselerin, einen 55 Jahre alten Mann aus Hattingen, der das Flugzeug geflogen hatte, und seinen 83-jährigen Vater, der aus dem polnischen Ort Zaerze stammt, heißt es in der Mitteilung. Dass ein Ort dieses Namens einschlägigen Suchmaschinen nach in Polen offenbar nicht auffindbar ist, hat auch bei der Polizei Zweifel ausgelöst, sagte eine Sprecherin. Doch die Staatsanwaltschaft habe die Schreibweise des Ortes auf Nachfrage der Kreispolizei Wesel bestätigt, sagte die Polizeisprecherin.

"Im Fall der 39-jährigen Mutter konnte festgestellt werden, dass diese sofort das Bewusstsein verloren hatte. Ihr Kind lag zum Zeitpunkt des Unfalls im Kinderbett und wurde von Feuerwehrleuten aus der Wohnung gerettet", teilten Polizei und Justizbehörde mit.

Die Leichen waren am Sonntag nach dem Unfall obduziert werden.

Der Pilot des Flugzeugs

Mittlerweile ist es wahrscheinlich, dass der Pilot aus Hattingen gekommen ist. Dr. Raimund Utsch, Geschäftsführer des Flugplatzes Loemühle in Marl, auf dem die Maschine gestartet war, bestätigt, dass die Kriminalpolizei die Kennung des Flugzeugs abgefragt hat. Mit deren Hilfe konnte ermittelt werden, dass der Halter des Fliegers aus Hattingen kommt. Die Maschine ist normalerweise im Hangar in Marl untergebracht.

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Ob der Halter auch selbst geflogen ist, steht unterdessen noch nicht zu 100 Prozent fest.

Der Absturzort

Laut Feuerwehr geschah der Flugunfall gegen 14.40 Uhr im Ortsteil Lackhausen an der Straße Färberskamp. Der Bereich wurde weiträumig gesperrt, dazu zählte auch die Emmericher Straße, eine der Weseler Hauptverkehrsstraßen.

Von dem Ultralight-Flugzeug ist nach dem Aufprall so gut wie nichts mehr übrig, teilte die Feuerwehr mit. Es sei nahezu komplett verbrannt. Zudem ging der Dachstuhl in Flammen auf. Der Brand sei schwer zu löschen gewesen und hätte mehr als zwei Stunden gedauert, sagte ein Feuerwehrsprecher.

Die unmittelbaren Rettungsarbeiten am Unglücksort wurden am Samstagabend beendet. Einsatzkräfte hatten zuvor die Leichen aus dem Wohnhaus geborgen. Das Haus sei weiterhin bewohnbar und nicht einsturzgefährdet, teilte die Feuerwehr mit. Dennoch wurde es am Sonntag noch von einem Statiker untersucht. Die Bewohner stünden "unter dem Eindruck der Ereignisse".

Das Flugzeug

Bei dem Flugzeug handelte es sich nach Angaben der Luftsportfreunde Wesel-Rheinhausen um das Modell TL-96, ein sogenanntes Luftsportgerät aus der Klasse der Ultralight-Flugzeuge. Die Maschine, die für zwei Personen zugelassen ist, stammt aus tschechischer Produktion, der Flugzeugtyp wurde erstmals 1996 zugelassen. Es gehört nach Auskunft des deutschen Generalvertreibers zu den meist verkauften Tiefdeckern dieser Flugzeugklasse, europaweit seien etwa 300 dieser Flugzeuge verkauft worden.

"Dieser Flugzeugtyp gilt als sehr sicher und wird auch in Anfängerschulungen verwendet", berichtet ein Fluglehrer auf Nachfrage. Es gebe bis dato nur sehr wenige Flugunfälle mit diesem Flugzeugtyp, sagte er. Als Höchstgeschwindigkeit der TL-96, die wie ein herkömmliches Sportflugzeug aussieht und nicht wie ein Fluggerät, dass man sich unter dem Stichwort "UItralight" gemeinhin vorstellt, werden 260 Stundenkilometer angegeben. Das maximale Abfluggewicht einer TL-96 liegt bei 472,5 Kilogramm und kann auf bis zu 560 Kilo erhöht werden.

Der Unfallhergang

Das Leichtflugzeug sei in Marl gemeldet, erklärte ein Polizeisprecher. Der Flieger mit den beiden Männern an Bord sei am Samstag von Marl Loemühle aus nach Wesel geflogen. Auf dem dortigen Flugplatz Römerwardt hätten die beiden Männer eine Kaffeepause in der Gaststätte Tante Ju gemacht, um dann gegen 14.30 Uhr wieder zu ihrem Ursprungsort zurückzufliegen, teilte der Sprecher mit.

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Die Maschine sei in Wesel um 14.39 Uhr losgeflogen. Der Absturz in dem Wohngebiet ereignete sich laut Polizeiangaben vom Samstag gegen 14.42 Uhr. Nach Angaben von Sportfliegern auf dem Flugplatz Römerwardt hätte sich der Pilot nach dem Start noch ordnungsgemäß verabschiedet. Kurz darauf kam es zum Absturz. Einen Notruf hat es nicht gegeben.

Die Unfallursache

Wie es zu dem Unfall kam, ist noch offen. Augenzeugen berichteten am Samstag, dass das Kleinflugzeug womöglich in der Luft auseinander gebrochen sei und dann zu Boden stürzte. Im Umfeld der Absturzstelle seien Trümmer gefunden worden. Am Flugplatz wunderten sich Flieger darüber, dass der Bremsfallschirm des Kleinflugzeugs bei dem Absturz getrennt von der Maschine zu Boden gefallen war.

Die Unfallstelle liegt in der Nähe eines großen Edeka-Marktes. Eine Zeugin, die dort gerade auf dem Parkplatz war, hatte laut einer Reporterin dieser Zeitung den Absturz gesehen. Zuvor habe sie ein Geräusch wahrgenommen, „als wenn man Pappe über einen Boden zieht“. Danach habe sie gesehen, wie der Flieger in den Dachstuhl krachte.

Das Flugzeug sei aber kurz vor dem Aufprall kaum mehr als Flugzeug zu erkennen gewesen. Andere Zeugen sprachen von einer Explosion, die beim Aufprall zu hören gewesen sei.

Etwas entfernt von der Unfallstelle, an der Konrad-Duden-Straße, war ein Fallschirm zu Boden gegangen, hieß es bei der Polizei. Es handle sich wohl um den Bremsfallschirm, wie er bei Ultralight-Flugzeugen zur Ausrüstung gehöre, teilte die Polizei mit.

Unfall mit Ultra-Leichtflugzeug

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Der Fallschirm

Der Fallschirm könnte entscheidende Hinweise zur Ursache des Unfalls geben, sagen Experten. Derartige Flugzeuge sind in Deutschland nur mit einem solchen Rettungssystem zugelassen. Es soll helfen, dass ein Flugzeug in einer Notsituation im Flug an einem Fallschirm hängend gebremst zu Boden gleitet. Im Notfall kann das Rettungssystem vom Piloten auf Knopfdruck ausgelöst werden; ein eingebaut 'Rakete' schieße den in einem Packsack gefalteten Fallschirm von der Maschine weg, bis er sich öffnet.

An der Konrad-Duden-Straße ging der Bremsfallschirm des Leichtflugzeugs nieder.
An der Konrad-Duden-Straße ging der Bremsfallschirm des Leichtflugzeugs nieder. © Martina Schürmann | Martina Schürmann

"Ich habe noch nie davon gehört, dass ein Rettungssystem von einem Flugzeug abgefallen ist", sagt ein Fluglehrer auf Anfrage, der auch für ein Unternehmen tätig ist, das Flugzeuge des Typs TL-96 in Deutschland verkauft.

Alle fünf Jahre muss ein solches Rettungssystem bei eine Art Tüv überprüft werden. Dazu muss es ausgebaut bzw. später wieder eingebaut werden. "Das kann auch ein Flugzeugeigner selbst aus- und einbauen", sagt der Fluglehrer. Vor jedem Flug sei es notwendig und üblich, dass der Pilot/die Pilotin ihre Maschine einer Sichtkontrolle unterziehe, erklärt der Experte. "Ob das Rettungssystem mit der Maschine verbunden ist, kann man bei der TL-96 ohne Schwierigkeiten sehen." Der Falschirm sei auf der Rückseite des Cockpits an Karabiner-Haken und Gurten mit dem Flugzeug verbunden.

Die Ermittlungen

Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft Duisburg sowie die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) haben Ermittlungen aufgenommen zur Frage, was genau zum Absturz führte, teilte die Kreispolizei Wesel am Samstagabend mit. Es gebe mehr als ein Dutzend Augenzeugen, die die Polizei befragen werde, teilte ein Polizeisprecher auf Nachfrage mit.

Während Polizei und Justiz sich vor allem aus der juristischen Perspektive um Aufklärung kümmerten, erläutert ein Sprecher der BfU, habe die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung die technischen Aspekte des Absturzes in den Blick zu nehmen: "Was genau ist passiert, was hat zum Absturz geführt und was ist zu tun, damit sich ein solcher Flugunfall möglichst künftig vermeiden lässt", erklärte ein Behördensprecher auf Nachfrage.

Wichtiger Schlüssel zur Unfallursache könnte der Fallschirm sein. Auch hier aber existieren bei den Ermittlern derzeit vor allem Fragen, erklärte der BfU-Sprecher: Wurde der Falschirm durch den Piloten ausgelöst oder wurde er auf andere Weise aktiviert? Möglich sei auch, dass das Flugzeug zu schnell geflogen war, das Rettungssystem auslöste, dann aber vom Flieger abriss.

DER TAG DANACH: Ultra-Leichtflugzeug fliegt in ein Wohnhaus

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"Es wird Zeit dauern, bis wir Erkenntnisse veröffentlichen können", sagte der BfU-Sprecher auf Nachfrage. Ein erster Zwischenbericht wurde für Ende September angekündigt, im dann turnusgemäß veröffentlichten "Bulletin" der Behörde zu Flugunfällen vom Monat Juli. "Wir sind bestrebt, innerhalb von zwölf Monaten solche Untersuchungen abzuschließen", erklärte der Sprecher. Im Falle von Flugunfällen mit Ultralight-Fliegern werden die BfU normalweise nicht hinzugezogen, sagt der Sprecher: "Nur in besonders schweren Fällen".

Von dem Flugzeug selbst ist das meiste wohl verbrannt. Das könnte laut BfU dazu führen, "dass sich manche Fragen womöglich nicht mehr klären lassen'", sagte der Sprecher. Als Hilfsmittel zur Ermittlung der Unfallursache werden auch Radar-Daten herangezogen, erklärte er. Dies könne Aufschluss geben zum Flugverlauf unmittelbar vor dem Absturz.

Daneben werde auch die "Lebenslaufakte" des Flugzeugs geprüft, indem alle Informationen etwa zu Wartungen zu finden seien, erkärte der Sprecher. In den Blick nähmen die Ermittler zudem den Piloten; wichtige Fragen seien unter anderem seine Flugerfahrung, wie geübt er mit dem betreffenden Flugzeugtyp war und in welchem Trainingszustand er sich befand.

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Für den Betrieb solcher Leichtflugzeuge ist eine Privatpilotenlizenz notwendig, die alle zwei Jahre erneuert werden muss. Dazu müssen jährlich mindestens zwölf Flugstunden nachgewiesen werden, zudem mindestens eine Flugstunde innerhalb von zwei Jahren in Begleitung eines Fluglehrers.

Leichtflugzeuge des genannten Typs dürfen seit diesem Jahr auch anstelle von schwereren Sportflugzeug-Typen wie Cessna- oder Piper-Maschinen zum Lizenz-Erhalt von Privatpiloten dienen. "Der Flugzeugbetrieb mit einer TL-96 ist deutlich günstiger als etwa mit einer Cessna", sagt ein Fluglehrer.

(dae/cfs/P.H.)