Wesel. Viele Menschen in Wesel stehen nach dem Absturz eines Ultraleichtfliegers unter Schock. Am Sonntag hat die Suche nach der Unfallursache begonnen.

Am Morgen danach erinnert nur noch der von Flammen zerstörte Dachstuhl an das, was am Samstagnachmittag in Lackhausen passiert ist. Fachleute der Kriminalpolizei und der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung sind damit beschäftigt im und rund um das Fünf-Familien-Haus an der Straße Färberskamp die Spuren zu sichern, um am Ende vielleicht die Ursache für den Absturz des mit zwei Männern besetzten zweisitzigen Ultraleichtflugzeugs zu wissen.


Die beiden waren am Flugplatz Marl-Loemühle gestartet und hatten auf dem Flugplatz Römerwardt in Wesel einen Zwischenstopp eingelegt und einen Kaffee getrunken, wie es später am Unfallort heißt. Auf dem Rückflug passierte das schreckliche Unglück, nur drei Minuten nach dem Start in der Nähe des Rheins, um 14.42 Uhr, keine drei Kilometer vom Flugplatz entfernt. Der Ultraleichtflieger geriet nach Zeugenaussagen ins Trudeln, sank immer weiter ab und schlug ins Dachgeschoss des Wohnhauses ein. Dort starb nach ersten Erkenntnissen die Bewohnerin, eine 39 Jahre alte Frau, ihr Kind im Alter von zwei Jahren blieb nahezu unverletzt. Auch die beiden Männer aus dem Flieger verloren wohl ihr Leben. Genaues soll die Obduktion der drei Leichen am Sonntag zeigen. Ergebnisse dazu gibt es noch nicht.

Emmericher Straße nach dem Absturz teilweise gesperrt


Innerhalb kurzer Zeit waren zahlreiche Rettungskräfte aus dem gesamten Kreis Wesel vor Ort, unentwegt tönte das Martinshorn. Die Emmericher Straße wurde für das Großaufgebot mehrere Stunden zwischen der Nordstraße und dem Holzweg komplett gesperrt und erst gegen Abend wieder für den Verkehr freigegeben. Zwei Hubschrauber landeten, ein Rettungshubschrauber und einer des Such- und Rettungsdienstes der Bundeswehr (Search and Rescue, kurz SAR). Ein Polizeihubschrauber stand in der Luft, es wurden Fotos von der Unglücksstelle gemacht, später dann auch Drohnenbilder.

Merkwürdige Geräusche vom Ultraleichtflugzeug

Am Sonntag nach dem Unglück in dem betroffenen Wohnhaus in Wesel-Lackhausen.
Am Sonntag nach dem Unglück in dem betroffenen Wohnhaus in Wesel-Lackhausen. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser


Eine Weselerin, die eigentlich bei Edeka einkaufen wollte, ist auch fast eine Stunde nach dem Unfall noch total schockiert. Sie hatte mit angesehen, wie das Flugzeug abstürzte. Es habe zuvor merkwürdige Geräusche gemacht, „so als ob jemand Pappe über eine Straße zieht“. Dann habe es einen lauten Knall gegeben. Der Flieger hatte zu diesem Zeitpunkt offenbar kaum noch Ähnlichkeit mit einem Flugzeug. Es waren vermutlich bereits Teile davon abgefallen. Einige davon wurden rund um die Absturzstelle gefunden, dazu gehört auch der Auspuff des Luftsportgeräts Modell TL 96 .

Zahlreiche Menschen, auch Nachbarn haben das Unglück mit ansehen müssen. Entsprechend viele Anrufe legten die Leitungen von Polizei und Feuerwehr lahm. Doch die Rettungskräfte konnten nicht mehr helfen. Drei Menschen starben bei dem Unglück.

Bremsfallschirm nach dem Absturz gefunden

In dieses Haus am Färberskamp in Wesel-Lackhausen ist das Ultraleichtflugzeug am Samstag gekracht.
In dieses Haus am Färberskamp in Wesel-Lackhausen ist das Ultraleichtflugzeug am Samstag gekracht. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Rätsel gab zunächst ein Fallschirm auf, der auf einem Grundstück an der Konrad-Duden-Straße gefunden wurde. Vermutlich handelt es sich um einen so genannten Bremsfallschirm, der im Notfall ausgelöst wird, dann aber normalerweise am Flugzeug hängt, wie Achim Strobel, Vorsitzender der Luftsportfreunde Wesel-Rheinhausen, im Gespräch mit der NRZ erläutert. Dennoch war die Rettungshundestaffel im Einsatz, um möglicherweise den Piloten oder seinen Mitflieger doch noch aufzuspüren - ohne Erfolg.

Tief sitzt der Schock nicht nur bei den Betroffenen, Anliegern und Augenzeugen, auch am Flugplatz Römerwardt findet man nur schwer Worte. „Wir haben keine Erklärung für den Absturz“, sagt Strobel. „Sie haben sich ordnungsgemäß verabschiedet und sind weggeflogen. Ich befürchte fast, dass wir den eigentlichen Grund für den Absturz nie erfahren.“ Deshalb sei alles, was geäußert werde, bislang reine Spekulation. Unfälle wie diese passierten extrem selten, so Strobel weiter. Vor über 20 Jahren gab es allerdings schon mal einen tödlichen Absturz eines Ultraleichtfliegers in Wesel. Während der PPP-Tage Anfang August war ein solches Fluggerät in unmittelbarer Nähe des Flugplatzes aufgeprallt. Damals habe es sich um einen Pilotenfehler gehandelt, erinnert sich Strobel.

Notfallseelsorger in Wesel-Lackhausen vor Ort

In einem Facebook-Post sprechen die Luftsportfreunde den Angehörigen der Opfer ihr aufrichtiges Beileid aus. Der Flugbetrieb ruht seit dem Absturz des Ultraleichtfliegers.


Zwei Notfallseelsorger waren an der Unglücksstelle im Einsatz. Die Stadt Wesel sorgte am Samstag noch für die Unterbringung von Bewohnern des betroffenen Hauses, die nicht bei Verwandten oder Bekannten untergekommen sind. Ein Statiker sollte sich am Sonntag ein Bild von dem Gebäude machen, Bewohner konnten auch noch mal rein, um wichtige Sachen zu holen. Auch Bürgermeisterin Ulrike Westkamp war nach dem Unglück sofort vor Ort, nachdem sie von einem Ratsmitglied informiert worden sei. Sie zeigte sich tief betroffen und sprach mit den Menschen.

Via Facebook äußerten viele ihr Beileid, die Weseler sind geschockt. Die Gruppe „Ich liebe Wesel“ änderte ihr Erkennungszeichen. „Wesel trauert“ steht nun auf einem gelben Ortseingangsschild, während einige Weseler den Familien aus dem Haus ihre Hilfe anboten.

Kondolenzbuch liegt im Rathaus aus

Die Stadt Wesel hat am Sonntag die Stadtflagge auf halbmast gehisst. „Die ganze Stadt trauert um die Opfer des Flugzeugabsturzes. Unser Mitgefühl gilt den Familien der Toten“, sagt Bürgermeisterin Ulrike Westkamp.

Zudem liegt ab Montag (27. Juli 2020) im Eingangsbereich des Rathauses ein Kondolenzbuch aus, in das man sich während der Öffnungszeiten des Rathauses eintragen kann.

Rund um das Ultraleichtflugzeug

Ein Ultraleichtflugzeug ist eigentlich kein Flugzeug, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, sondern gilt vor dem Gesetz als Luftsportgerät. Ultraleicht ist der Flieger aber auf jeden Fall - im Vergleich zu anderen Flugzeugen.

Als Materialien kommen Holz, Aluminium und Karbon zum Einsatz. Bis zu zwei Personen können in einem solchen Luftsportgerät Platz nehmen.

Um es zu fliegen, benötigt der Pilot eine Sportpilotenlizenz. Der Erwerb ist schon ab einem Alter von 16 Jahren in diversen Flugschulen möglich.