Wesel. Lauerhaas-Gesamtschüler gestalten beeindruckendes Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Willibrordi-Dom.
Schon die Namen auf den weißen Zetteln, die im Willibrordi-Dom aufhängt sind, machen betroffen: Schaul Grunwald, ermordet 1942, 6 Jahre; Laszlo Schenker, ermordet 1944, 3 Jahre; Judith Rupp, ermordet 1944, 5 Jahre. Sie und viele andere mehr stehen für die während des Holocausts getöteten Mädchen und Jungen.
Es sind die Leiden und die Ermordung der Kinder in Auschwitz, die Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule am Lauerhaas in den Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers durch die Rote Armee gestellt haben. Zum 75. Jahrestag kamen zahlreiche Menschen in den Dom, in den die Stadt und der Jüdisch-Christliche Freundeskreis Wesel eingeladen hatten.
Dort appellierte Pfarrer Albrecht Holthuis von der Evangelischen Kirchengemeinde an die Menschen, gemeinsam gegen Intoleranz und Antisemitismus aufzustehen. Dabei machte er auf einen Satz aufmerksam, der an einer Wand der Schule am Lauerhaas steht: Es ist normal, verschieden zu sein. Auch Kreisdechant Stefan Sühling von der Katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus forderte dazu auf, gegen jede Form so genannte Minderheiten auszugrenzen, aufzustehen.
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Bürgermeisterin Ulrike Westkamp nannte stellvertretend für jüdische Familien aus Wesel das Schicksal der Baums, deren fünf Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren nach Riga deportiert und ermordet wurden. Auch der Rest der Familie sei nahezu vollständig ausgelöscht worden. Wesels Ehrenbürger Ernest Kolman hatte Glück. Er wurde von seinen Eltern mit einem der Kindertransporte im Alter von zwölf Jahren nach England geschickt und wuchs bei Pflegeeltern auf. Vater und Mutter sah er nie wieder, seine Schwester Margret überlebte das Konzentrationslager. Was sie dort mitgemacht hat, habe sie in einem Brief geschildert, aber nie darüber gesprochen.
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„Wir müssen uns Rassismus und Antisemitismus entgegenstellen, wo immer er uns begegnet“, sagte Westkamp, bevor Gesamtschüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 jüdischen Kindern ein Gesicht gaben. Sie berichteten vom Leid der Zwillinge in der Hölle von Auschwitz, aber auch davon, wie überlebende Kinder nach und nach wieder Vertrauen in die Zukunft bekamen. Und sie erinnerten an Geschehnisse der Neuzeit, zuletzt über den Anschlag auf die Synagoge von Halle im vergangenen Jahr. Auch Hoyerswerda, Mölln, Solingen, Erfurt und Düsseldorf wurden erwähnt.
Schule ohne Rassismus
Der Niederländer Paul Glaser, Autor von „Die Tänzerin von Auschwitz“, erzählte eindrucksvoll vom Schicksal seiner Familie. Er, der katholisch erzogen wurde und Messdiener war, erfuhr erst spät davon, dass er jüdische Wurzeln hat.
Zum Abschluss sollten alle Teilnehmer der Gedenkstunde eine Frage beantworten: Welchen Tipp würden die Opfer des Holocausts Ihnen wohl für Ihre Zukunft geben? In der Gesamtschule, demnächst „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, sollen die Antworten ausgestellt werden. Eine Kooperationsvereinbarung mit dem Jüdisch-Christlichen Freundeskreis wird bald unterzeichnet.