Wesel/Xanten/Rees. An der Demo der Bauern zwischen Wesel und Rees nahmen Landwirte mit mehr als 200 Traktoren teil und sorgten für Verkehrsstörungen.
Hunderte Landwirte mit mehr als 200 Fahrzeugen aus den Kreisen Wesel und Kleve haben am Dienstag mit einer stundenlangen Traktoren-Fahrt von Wesel über Xanten nach Rees unter anderem gegen das geplante Agrarpaket der Bundesregierung protestiert. Bereits am frühen Morgen fuhren die ersten Bauern mit ihren Fahrzeugen in einer blinkenden Kolonne über die B 8 in Richtung Wesel, gegen 8.30 Uhr startete der Protestzug an der Niederrheinhalle. Nach Ende der Demo zogen Landwirte noch zum Katjes-Werk nach Emmerich.
Die Landwirte fuhren über die Niederrheinbrücke in Wesel zunächst nach Xanten und anschließend weiter über die Rheinbrücke Kalkar nach Rees. Gegen 12.45 Uhr erreichte der Demo-Zug einen Parkplatz am Rande der Stadt, danach ging es weiter zum Schulzentrum. Laut Polizei waren 227 Traktoren an dem Aufzug beteiligt. Einer der Mitorganisatoren, Georg Biedemann, zeigte sich von dem Aufkommen der Landwirte „überwältigt“. Man habe ein „unglaubliches Ziel“ erreicht. Um kurz nach 14 Uhr wurde die Demonstration offiziell beendet.
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Die Bauern drückten ihren Protest während der Fahrt durch die Kreise Wesel und Kleve in Plakaten und Transparenten aus. Darauf war unter anderem zu lesen: „Landwirtschaft braucht Zukunft“ oder „Ohne Bauern keine Zukunft“. Entlang der Strecke kam es vereinzelt zu Sympathiebekundungen von Bürgern, die freundlich der Kolonne zuwinkten. An der Kreuzung Obermörmter bei Vynen stand ein landwirtschaftliches Fahrzeug mit einem Strohballen und der Aufschrift: „Danke, ihr fahrt für uns alle!“
„Testlauf“ für die Reeser Brücke
Matthias Kremer, Landwirt aus Schermbeck, freute sich über den Zuspruch der Kollegen. „Der Tag ist insofern wichtig, um zu sagen, so geht es nicht mehr weiter. Wenn das Agrarpaket so verabschiedet wird , was kommt dann als nächstes?“ Seine Sorge: „Wir kommen jetzt an einen Punkt, wo wir nicht mehr kostendeckend produzieren können.“ Und immer wieder fielen die Sätze: „Wir wollen gehört werden. Und wir wollen, dass man mit uns auf gleicher Augenhöhe spricht.“
Polizei- 1000 Traktoren durchquerten den Kreis Wesel
- Im Zusammenhang mit den Bauern-Demonstrationen am Niederrhein sowie in Bonn durchquerten laut Kreispolizeibehörde am Dienstag insgesamt 1000 Traktoren den Kreis Wesel.
- Polizeidirektor Rüdiger Kunst zog am Mittag ein positives Fazit: Alle Beteiligten sowie Verkehrsteilnehmer hätten besonnen reagiert und so eine friedliche Demonstration gewährleistet.
- „Wir hatten bereits in den letzten Tagen darüber informiert, dass auf Grund der großen Anzahl der Teilnehmer Verkehrsstörungen zu erwarten waren. Unsere Einschätzung war richtig. Angesichts einer kilometerlangen Fahrzeugschlange ließen sich Verkehrsstörungen natürlich nicht vermeiden“, sagt der Polizeidirektor im Kreis Wesel.
Quasi als „Testlauf“ für die Reeser Brücke befuhren die Trecker in Neuner-Blöcken die Weseler Niederrheinbrücke. Carina Schweers und Romine Ratz waren extra mit den Kindern Alexander und Jolien aus Hamminkeln-Nordbrock gekommen, um den Onkel, Mann und Bruder zu unterstützen. „Wir haben noch schnell gemolken und sind dann hierher“, erzählten sie und machten mit dem Handy einen Schnappschuss. Über Xanten und Obermörmter fuhr der Tross dann via die Reeser Rheinbrücke bis zum Reeser Parkplatz am Westring.
Organisator dankte Teilnehmern in Rees
Dort dankte Georg Biedemann allen Beteiligten für das deutliche Zeichen. „Wir haben ein unglaubliches Ziel erreicht“, verwies er auf die völlig lahmgelegte Stadt Bonn und die bundesweiten Proteste. Man habe mit der Demofahrt am Niederrhein die Anliegen der Landwirte deutlich gemacht hat. „Wir sind nicht mehr die Fußmatte der Nation. Auf uns tritt keiner mehr den Dreck ab,“ unterstrich der Winnekendonker Schweinebauer.
Anschließend fuhr eine Abordnung von 50 Schleppern noch zu Katjes nach Emmerich - und hinterließ aus Protest gegen den Werbespot der Firma für vegane Schokolade symbolisch den „Goldenen Misteimer 2019“ für den „beschissensten Werbespot des Jahres.“
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Die Polizei warnte den gesamten Vormittag über auf der Strecke vor erheblichen Verkehrsstörungen und riet Autofahrern, den Bereich wenn möglich zu umfahren. Auf dem Weg zur Weseler Rheinbrücke hatte die Polizei am Morgen die Zufahrt für den normalen Verkehr gesperrt, um die Traktoren passieren zu lassen. Spätestens ab neun Uhr kam es auf der B 8 zu erheblichen Staus auf dem Weg von Voerde nach Wesel – auch die Frankfurter Straße war dicht. Auf der Niederrheinbrücke (B 58) staute es sich in Richtung Wesel gut einen Kilometer.
Gegen 9.40 Uhr fuhren die letzten Traktoren des Trosses auf die Rheinbrücke auf. Damit alle Fahrzeuge zusammenblieben, blieb die Spitze des Protestzuges rund 1,5 Kilometer hinter der Brücke auf der B 58 stehen. Um kurz nach zehn Uhr setzte sich der Zug in Richtung Grünthal-Kreuzung in Bewegung. Gegen 10.45 Uhr erreichten die Demonstranten Xanten, dann lösten sich auch die letzten Staus um Wesel auf.
Auf ihrer Fahrt von Wesel über Xanten in Richtung Rees, fuhren die Bauern immer wieder an landwirtschaftlichen Gehöften vorbei. Ein imposantes Bild, berichtete unser Reporter vor Ort.
Auf dem Weg nach Bonn fuhren Bauern durch Hünxe
Wo die Bauern unterwegs waren, kam es regelmäßig zu kleineren Staus. Gegen 12.15 Uhr erreichten die Landwirte schließlich die Reeser Rheinbrücke, kurz darauf sammelten sie sich auf einem Parkplatz am Rande der Stadt. Am Schulzentrum sollte es danach eine kurze Abschlusskundgebung geben. Über die Reeser Rheinbrücke durften die Landwirte aus Sicherheitsgründen nur in kleinen Kolonnen von neun Fahrzeugen fahren.
Bereits am frühen Morgen fuhren rund 400 Traktoren vom Kreis Borken kommend durch Wesel und weiter in Richtung Alpen und in den Kreis Kleve. Auch durch Hünxe und Dinslaken zogen Bauern, wie auf Videos in sozialen Netzwerken zu sehen war. Sie gehörten nicht zu der Demo am Niederrhein, sondern waren nach Angaben der Polizei auf dem Weg zur zentralen Protestkundgebung in Bonn.
Darum geht es im Protest der Landwirte am Niederrhein
Der Bauern-Protest hat nicht nur am Niederrhein für Staus und Verkehrsbehinderungen gesorgt, sondern in mehreren Teilen Nordrhein-Westfalens. Mehrere Tausend Bauern aus weiten Teilen von NRW trafen sich am Dienstag zur zentralen Kundgebung in Bonn. Polizeistationen berichteten von Verkehrsbehinderungen durch Trecker-Konvois, etwa die Polizei in Duisburg, die von 140 Traktoren sprach.
Die Landwirte fordern Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dazu auf, mit ihnen über aktuelle Agrar- und Klimapläne zu diskutieren. Die aktuelle Politik gefährde Familienbetriebe, warnten die Bauern. Außerdem führe „Bauernbashing“, also etwa herablassende Äußerungen über Landwirte, in vielen Bereichen zu Ärger in der Berufsgruppe. Die Bonner Polizei erwartet in der Innenstadt erhebliche Verkehrsbehinderungen.
Der Unmut richtet sich aber nicht nur gegen das von Bundesumweltministerin Svenja Schulzeund Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf den Weg gebrachte Agrarpaket mit dem Insektenprogramm und den Pflanzenschutzauflagen, die die Landwirte gefährden, weil es dafür keinen finanziellen Ausgleich gibt. Das erklärt der Sprecher der Bewegung „Land schafft Verbindung“, Georg Biedemann aus Winnekendonk im Vorfeld.
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Dazu kommen die EU-Meldungen über Strafzahlungen wegen der Nitrat- und Güllebelastungen, obwohl die 2018 beschlossene Düngemittel-Anwendungsverordnung in der Umsetzung ist. Ebenso ärgern sich die Bauern über die „Mercosur“-Handelsvereinbarung, die mit Billigimporten aus dem Ausland den heimischen Markt gefährden.
Bauern bitten um Verständnis für Verkehrsbehinderungen
Für die erheblichen Verkehrsbehinderungen am Niederrhein baten die Bauern bereits im Vorfeld um Verständnis. Biedemann: „Wir wollen die Bevölkerung nicht verärgern. Aber um wahrgenommen zu werden, muss man etwas machen.“
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Die Kreisbauernschaft war an der Aktion in Wesel, Xanten und Rees nicht beteiligt, befürwortete sie jedoch, wie Kreisgeschäftsführer Gerrit Korte im Vorfeld erklärte. Der Vorstand der Kreisbauernschaft hatte am vergangenen Montag bereits mit rund 70 Bauern aus der Region einem Protest in Bonn teilgenommen. Auch Korte sieht die heimischen Betriebe gefährdet. Er verweist darauf, dass das Höfesterben zugenommen hat, weil der wirtschaftliche Ertrag sinke: 2018 mussten vier Prozent der Milchviehbetriebe im Rheinland aufgeben – die Zahl habe sich in den letzten Jahren verdoppelt. (mit rme/tt)