Bonn. Agrarpaket und Düngeverordnung erzürnen die Landwirte. Bauern beklagen zunehmenden wirtschaftlichen und psychischen Druck.
Gut 1000 Bauern aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben an diesem Montag (14. Oktober 2019) vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium demonstriert. Der Protest richtete sich gegen anstehende neue Umweltauflagen aus Agrarpaket und Düngeverordnung. „Die Politik hat die Realität auf unseren Höfen aus den Augen verloren“, klagte der Rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen.
Die Landwirte befürchten Betriebsaufgaben. Bis zu 15 Prozent der Ackerfläche könnten durch neue Auflagen aus der landwirtschaftlichen Nutzung fallen, hieß es. Das komme einer „Enteignung“ gleich, klagte Conzen. Große Sorge bereiten den Bauern insbesondere angekündigte Düngebeschränkungen in Gebieten wie dem Niederrhein, wo weite Teile des Grundwassers stark mit Nitrat belastet sind. Gegenüber der Redaktion erinnerte Conzen daran, dass gerade am Niederrhein zahlreiche Arbeitsplätze von Landwirtschaft und Gartenbau abhängen.
„Wir wollen, dass sich die Politik wieder mit uns an einen Tisch setzt“
Besondere Sorge bereitet ebenso, dass auch eingeschränkter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten nicht mehr möglich sein soll. Die Landwirte beklagen, dass sie zu diesen Vorhaben bisher nicht gehört wurden. „Wir wollen, dass sich die Politik wieder mit uns an einen Tisch setzt“, forderte der westfälisch-lippische Bauernpräsident Johannes Röring. Gut 80 Landwirte hatten zur Demo ihre Trecker mitgebracht. „Agrarpaket ist Mist“ und „Wir sind die wahren Klimaschützer“ stand auf Transparenten zu lesen. Der Ärger bei den Bauern ist groß.
Unter den Demo-Teilnehmern waren viele Landwirte vom Niederrhein – Max Wilmsen aus Kalkar etwa. Der junge Ackerbauer aus Kalkar sorgt sich wegen drohender Düngebeschränkungen. „Wir Bauern sind beim Naturschutz immer bereit, auf die Bürger zuzugehen“, sagte Wilmsen am Rande der Demo. Vertreten war auch das Ruhrgebiet. Anette im Brahm aus Essen zum Beispiel sagte: „Wer mehr Tierwohl will, muss sich auch beim Baurecht bewegen.“ Ihre Familie hat einen Schweinemastbetrieb. Die Bereitschaft in neue Ställe zu investieren sei da, „aber man bekommt keine Genehmigung“.
Wachsender wirtschaftlicher und psychischer Druck
Jutta Kuhles, die Präsidentin der rheinischen Landfrauen, beklagte wachsenden wirtschaftlichen, aber auch psychischen Druck. Die Zahl der Anrufe beim Sorgentelefon der Landfrauen in NRW habe sich verdoppelt. „Viele von uns können nicht mehr“, sagte Kühles. Berufskollegen hätten ihr aufgetragen, das der Politik auszurichten. Aktuell gibt es in NRW noch rund 32.000 landwirtschaftliche Betriebe. Im Schnitt lag der Rückgang zuletzt bei zwei bis vier Prozent pro Jahr. Aktuell geben vor allem viele Ferkelerzeuger auf.
Wenn in Gebieten mit besonderer Grundwasserbelastung nicht mehr bedarfsgerecht gedüngt werden darf, werde man nicht alle Gemüsesorten in marktfähiger Qualität liefern können: „Niemand kauft uns hellgrünen Spinat oder Porree ab“, klagte Christoph Nagelschmitz, der Präsident der Rheinischen Obst- und Gemüsebauer. Dem Handel sei „völlig egal“, woher das Obst- und Gemüse komme.
Beim Grundwaser drohen enorm hohe Strafzahlungen an die EU
Onno Aeikens (CDU), Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, betonte, dass beim Insektenschutzpaket der Bundesregierung „noch kein Rechtstext geschrieben“ sei, die Maßnahmen werde man nach guter Sitte noch mit dem Berufsstand diskutieren. Aeikens versicherte: „Im Ministerium und in der Bundesregierung gibt es niemand, der sich eine Zukunft ohne Bauern vorstellen kann.“
Gleichwohl gelte es, die Landwirtschaft gesellschaftlich akzeptiert und zukunftsfest neu aufzustellen. Das Grundwasserproblem in weiten Teilen Deutschland müsse man jetzt in den Griff bekommen: „Sonst drohen Strafzahlungen von 800.000 Euro pro Tag und die EU wird uns sagen, was zu tun ist.“ Seit 1991 gelte die EU-Nitratrichtlinie, Brüssel habe die Einhaltung der Werte 2012 angemahnt und 2016 mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof Recht bekommen.
Umweltverband BUND fordert: Viehdichte reduzieren
Der Umweltverband BUND erinnerte in einer Stellungnahme zur Bauerndemo in Bonn daran, dass laut Umweltbundesamt rund 60 % der gesamten Methan-Emissionen und 80 % der Lachgas-Emissionen in Deutschland aus der Landwirtschaft stammen. Beide Gase seien noch sehr viel klimaschädlicher als CO2. „Die Landwirte sind Betroffene des Klimawandels mit gravierenden Folgen für ihre Betriebe und sie sind gleichzeitig auch Mitverursacher. Dieser Verantwortung muss sich die Landwirtschaft stellen“, so Ralf Bilke, Agrarreferent des BUND NRW. Die Bundesregierung gehe dieses Problem nur halbherzig an.
So sei im Klimapaket weder zu lesen, wie die zu hohen Viehdichten in den Zentren der intensiven Tierhaltung abgebaut werden sollen, noch wie Deutschland von den hohen Stickstoffüberschüssen runter komme. Das sind aber zentrale Schlüssel, für den Klimaschutz wie auch für eine Artenvielfalt in der Agrarlandschaft“, meinte Bilke. Hier erwarte der BUND auch von den demonstrierenden Bauern klare Antworten und einen verbindlichen Zeithorizont, in dem es nachmessbar zu einer Minderung der Emissionen komme.