Oberhausen. Die Kriminalitätsstatistik 2023 hat Oberhausen alarmiert. Wie handeln jetzt Stadt und Polizei gegen die wachsende Jugendkriminalität?
Oberbürgermeister Daniel Schranz will mit Blick auf die Anfang Mai vorgestellte Kriminalitätsstatistik 2023 und jüngste brisante Fälle in diesem Deliktbereich die Jugendkriminalität in Oberhausen gezielter und besser bekämpfen. „Die Statistiken zur Jugendkriminalität, vor allem aber auch die ganz konkreten Fälle, zeigen uns, dass wir noch genauer hinsehen müssen – bundesweit, landesweit, und auch in Oberhausen“, sagt der CDU-Politiker, dem in diesen Wochen bei öffentlichen Auftritten deutlich anzumerken ist, wie sehr ihn dieses Thema beschäftigt.
Die Fallzahlen sind in allen wichtigen Deliktbereichen im Jahr 2023 in Oberhausen deutlich gestiegen. Zu den 8109 Tatverdächtigen im Jahr 2023 zählen 1904 junge Menschen unter 21 Jahren; ein Anteil von 23,5 Prozent. Das sind 65 junge Tatverdächtige mehr als im Jahr 2022, als 1839 Tatverdächtige in dieser Altersgruppe erwischt wurden. Zuletzt haben Delikte wie die tödliche Messerattacke auf zwei junge Ukrainer am Willy-Brandt-Platz (Stoag-Busbahnhof) oder auch die Schrecken und Angst verbreitende Gang 46 für Aufsehen und Betroffenheit gesorgt. Wie die Polizei auf Anfrage erläuterte, haben 640 der 1904 Verdächtigen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit (= 33,6 Prozent), im Jahr 2022 waren es 567 (= 30,8 Prozent).
„Wir werden die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen, unter anderem in unserem Haus des Jugendrechts, bewerten und bei Bedarf nachjustieren“, kündigt Daniel Schranz an. „Diesen Prozess haben wir bereits mit mehreren Gesprächen angestoßen, zum Beispiel im Präventiven Rat unserer Stadt.“
Klar sei, dass man Jugendkriminalität nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfe. Dazu tausche sich die Stadt Oberhausen mit den Strafverfolgungsbehörden, aber auch mit freien Trägern von vorbeugenden Angeboten fortlaufend aus. Stadt, Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten zudem im Haus des Jugendrechts Tür an Tür zusammen, um auf jugendliche und heranwachsende Intensivtäter zu reagieren.
Schockierende Vorgänge um die Gang 46 sollen sich in Oberhausen nicht wiederholen
Die Polizei Oberhausen hat unterdessen nach eigenem Bekunden ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Stadtraum verbessert. Die schockierenden kriminellen Vorgänge um die Gang 46, die an der Langemarkstraße in Alt-Oberhausen Geschäftsleute über Wochen drangsaliert und terrorisiert hat, sollen sich nicht wiederholen. Die Polizei hat kurzfristig reagiert und sich an jenen Punkten im Stadtgebiet von Oberhausen stärker aufgestellt, wo polizeiliche Präsenz notwendig ist.
Der Bezirksdienst läuft regelmäßig Streife in den Stadtteilen und ist für die Menschen vor Ort ansprechbar. Auch die Streifenwagenteams haben ihre Präsenz erhöht, ebenso die Mobile Wache von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst (KOD).
Darüber hinaus seien zahlreiche Sicherheitsgespräche geführt und Gefährderansprachen abgehalten worden, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion. Die Polizei redet also mit den ihnen bekannten, als durchaus gefährlich eingeschätzten Jugendlichen und mit den Eltern. Sie werden in diesen Gesprächen verwarnt und eindringlich darüber informiert, was alles passiert, wenn sie weiter eine solch falsche Richtung einschlagen.
Die Ermittlerinnen und Ermittler im Bereich der Jugendkriminalität seien jedenfalls „sensibilisiert, jeden sich ergebenden Ermittlungsansatz aufzuspüren und zu verfolgen“.
Polizeipräsidentin Sylke Sackermann sieht nicht allein ihre Behörde in der Pflicht, der steigenden Jugendkriminalität Einhalt zu gebieten. „Es ist unerlässlich, dass wir gemeinsam an dem Ziel arbeiten, die Kinder- und Jugendkriminalität zu senken. Aber nicht nur wir als Polizei, sondern die Gesellschaft muss sich der Herausforderung stellen, die Kinder und Jugendlichen, die wir künftig für eine funktionierende Gesellschaft brauchen, auf den richtigen Weg zu bringen“, erklärt Sylke Sackermann. „Ich bin überzeugt davon, dass wir viele gute Projekte und Werkzeuge haben, um die Kinder und Jugendlichen abzuholen und ihnen gute Alternativen zu einer kriminellen Karriere zu bieten.“
So haben seit dem Jahr 2016 in Oberhausen insgesamt 68 junge Menschen am NRW-Programm „Kurve kriegen“ teilgenommen, das bereits im Jahr 2011 vom NRW-Innenministerium gestartet worden ist. 13 davon sind immer noch aktiv dabei. Im Schnitt sind die Teilnehmer etwa 13 Jahre alt, wenn sie dazukommen. Von den bislang 55 ehemaligen Teilnehmern haben nach Polizeiangaben 29 die Initiative erfolgreich absolviert und sind danach straffrei geblieben. Wo Prävention nicht fruchte, müsse man junge Straftäter allerdings konsequent verfolgen und überführen, ergänzt die Polizeipräsidentin.
Ermittlungsresultat im Fall der Oberhausener Gang 46: Alle Verdächtigen unter 18 Jahre alt
Und so hat ja die Polizei im Fall der Gang 46 bereits Ermittlungserfolge erzielen können und konkrete Verdächtige ausfindig gemacht, die alle unter 18 Jahre alt sind und in vielen Fällen einen Migrationshintergrund haben. Handelt es sich um Clan-Mitglieder? Laut Polizei teilen die Verdächtigen keinen gemeinsamen familiären Hintergrund. Es handele sich also nicht um eine Großfamilie mit clanähnlichen Strukturen. Gleichwohl seien auch Geschwisterkinder in der Gruppe vertreten. In dieser Gruppe befänden sich sowohl deutsche als auch nichtdeutsche Mitglieder, von denen einige aus Serbien und Rumänien stammen.
Unterdessen befindet sich die Polizei Oberhausen nach eigenen Angaben im stetigen Austausch mit anderen Polizeibehörden, um neue Ideen und gute Praxisbeispiele für Oberhausen zu prüfen und eventuell zu übernehmen. Ein solches gutes Praxisbeispiel könnte die jetzt in Gelsenkirchen neu eingerichtete Sonderkommission (Soko) Jugend sein.
Mit ihrer Hilfe werden dort erkannte junge Straftäter und ihre örtlichen Tatschwerpunkte zwischen Kriminal- und uniformierter Polizei automatisiert ausgetauscht. Diese täterorientierte Kripo-Arbeit erhöhe den Ermittlungsdruck auf die Verdächtigen, heißt es. Auch „Hausbesuche“, in deren Verlauf den Jugendlichen und ihren Angehörigen das Risiko einer weiteren kriminellen Karriere konkret vor Augen geführt werde, zählen zum Arbeitsprogramm der Soko Jugend. Ziel ist es dabei, die mutmaßlichen Täterinnen und Täter aus der Anonymität zu holen und das Rückfallrisiko zu reduzieren.
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