Oberhausen. Kerstin Ott bringt 4000 Fans beim Konzert in der Arena Oberhausen zum Tanzen. Die Schlagersängerin erinnert sich an ihre Zeit bei „Let’s Dance“.

Das Konzert ist gerade eine halbe Stunde alt, schon hat Schlagersängerin Kerstin Ott in der Arena Oberhausen ein Alleinstellungsmerkmal ausgemacht. „So früh sind die Zuschauer noch nie aufgestanden…“ Zwar ist die Konzerthalle etwa auf halbe Kapazität verkleinert und im Innenraum bestuhlt, doch rund 4000 Fans sparen nicht, ihre Zuneigung kundzutun.

Viele Fans haben sich blinkende Krönchen in die Haare gesteckt, die in der Rudolf-Weber-Arena für ein buntes Glühwürmchenbild sorgen. In den hinteren Sitzreihen könnte im Vorfeld auch das ein oder andere Sektglas geleert worden sein. Auffällig viele Frauen im mittleren Alter sind dabei, die im letzten Viertel des Konzerts ihren Beste-Freundinnen-Moment erleben. Wenn Kerstin Ott sich von ihrer sechsköpfigen Konzertband löst, sich die Akustikgitarre umschnallt und den Song spielt, den gefühlt jede und jeder in Oberhausen mitsingen kann - und auch tatsächlich mitsingt: „Die immer lacht!“

Eine sechsköpfige Band begleitete Kerstin Ott am Samstagabend in der Arena neben dem Centro Oberhausen.
Eine sechsköpfige Band begleitete Kerstin Ott am Samstagabend in der Arena neben dem Centro Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Der Song, durch das DJ-Projekt Stereoact auch etwas flotter arrangiert, bedeutete für die heute 42-Jährige den Durchbruch. Den Stereotypen-Baukasten für Schlagersängerinnen lässt sie links liegen. Die Frau, die einst mit Malerin und Lackiererin einen bodenständigen Beruf lernte und bei Kinderlieder-Star Rolf Zuckowski im Hintergrundchor sang.

Kerstin Ott in Oberhausen: Songs zwischen Mut und Mahnung

„Die immer lacht“ avancierte zu einem Partysong, in Schützenfestzelten, bei Karnevalssitzungen und in Après-Ski-Hütten. Dass der Song das Seelenleben einer guten Freundin der Sängerin spiegelt, der es in einer Phase ihres Lebens nicht gut ging, zeigt sich, wenn man nicht nur den Refrain mitgrölt, sondern sorgfältig in die Songzeilen hineinhorcht. „Und nur sie weiß: Es ist nicht wie es scheint. Oh sie weint, oh sie weint, sie weint. Aber nur, wenn sie alleine ist…“

„Ich bin ein Dachrinnenrohr heraufgeklettert.“
Kerstin Ott - erinnert sich an die Zeit als sie frisch verliebt war.

Auch wenn Kerstin Ott zwischendurch häufig von Party und guter Laune spricht, gehen viele ihrer Songs tiefer, wollen Mutmach-Hymnen sein. Bei „Der Blick in deinen Augen“ geht es um eine Person, die droht, in den Drogensumpf abzudriften. Es ist ein Song aus der musikalischen Anfangszeit der Sängerin. „Ich muss 17 Jahre alt gewesen sein…“ Es sind Beobachtungen aus ihrem persönlichen Freundeskreis. „Drogen sind scheiße“, sagt sie hinterher, um zu ergänzen: „Und was auch richtig scheiße ist, ist die AfD.“ Mut und Mahnung liegen manchmal eng beieinander.

Dass die Sängerin ein enges Verhältnis zu ihren Fans hat, transportiert sie authentisch. Sie spricht über Romy, mit der sie eine Brieffreundschaft pflegt und die als Parabel dafür steht, wie unterschiedlich Liebe an Menschen gelangen kann. Romy leidet am Downsyndrom und wurde von ihrem Umfeld für ihre „Liebesbeziehung“ zur Sängerin belächelt. Kerstin Schritt hat ein Lied darüber: „Was weißt du von meiner Liebe!“

Kerstin Ott in Oberhausen: Konzert im Konzert stört die Dramaturgie

Die Sängerin, die ihre Fans zwischendurch immer wieder zum Knuddeln aufruft („Ein bisschen Liebe kann doch jeder gut gebrauchen“), befindet sich seit sechseinhalb Jahren glücklich in einer Ehe mit ihrer Partnerin Karolina, lässt jetzt in ihr Familienleben blicken. Sie erzählt, was Menschen zu leisten vermögen, wenn man verliebt ist: „Ich bin ein Dachrinnenrohr heraufgeklettert.“

Und sie berichtet über ihre beiden Töchter, die ihre Partnerin mit in die Ehe brachte. „Manchmal möchte man sie ja zum Mond schießen. Aber die Ältere ist jetzt 18 Jahre alt und ausgezogen, steht auf eigenen Beinen.“ Für alle Mamas und Papas singt sie: „Schon wieder geht ’ne Zeit mit Dir vorbei!“

Es geht auch ohne Halligalli: Schlagersängerin Kerstin Ott mischte ihr Konzert in Oberhausen mit sensiblen Songtexten und Partyhits.
Es geht auch ohne Halligalli: Schlagersängerin Kerstin Ott mischte ihr Konzert in Oberhausen mit sensiblen Songtexten und Partyhits. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Auch die Konzertzeit vergeht in der Arena Oberhausen zügig. Längst hat sich etabliert, einen unterstützenden Künstler nicht vorher, sondern in der Konzertmitte einzupflechten. Quasi als Konzert im Konzert. So auch bei Kerstin Ott, die erst mit einem Cover die eigene Songlinie aufweicht und „Proud Mary“ („Rollin’ on the river“) sogar auf Tina Turner macht.

Danach übernimmt für fast eine halbe Stunde die Sangeskollegin Marina Marx, die Bon Jovis „It’s my Life“ ein deutschsprachiges Schlagerkostüm verpasst. Das Zwischenspiel mag Geschmackssache sein, doch letztendlich ist es fast immer ein Stilbruch, der einer Pause gleichkommt - und nervt. Etliche Fans zieht es zum Getränkestand.

Kerstin Ott in Oberhausen: Helene Fischer, Andrea Berg bis Roland Kaiser

Verspielt ist das Konzert sowieso schon genug, was nicht nur an den Pac-Man-Figuren liegt, die Kerstin Ott beim Intro über die Leinwand flitzen lässt. Mit Star-Kollegen des Genres kennt sie sich bestens aus. Viele denken an das Duett mit Helene Fischer bei „Regenbogenfarben“. Zuletzt sang sie mit Roland Kaiser den Titel „Zuversicht“ bei der „Giovanni Zarrella Show - 50 Jahre Roland Kaiser“. Und mit Andrea Berg stand sie auch schon für „Was auch immer passiert“ am Mikrofon.

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Manch einer, der die Augen schließt, sieht die abwesenden Stars fast vor Augen. Viele Fans in der Halle tanzen, die Sängerin verzichtet darauf. „Auch wenn ‚Let‘s Dance‘ gerade angefangen hat, kann ich da ja nicht schon wieder mitmachen.“ Die Berlinerin nahm 2019 an der RTL-Show teil, schied aber früh aus.

Kerstin Ott spielt ihr Konzert in Oberhausen nahbar und sensibel. Auch wenn sie mit Konventionen des Genres bricht, steht sie musikalisch eher für den klassischen Schlager, der übertriebenen Halligalli nicht nötig hat.

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