Oberhausen. Fans der „Schlagernacht des Jahres“ haben sechs Stunden abgefeiert. Partysänger reißen die Hütte ab. Doch ein Duett geht ziemlich in die Binsen.

Es schallt ordentlich: „Sie hatte nur noch Schuhe an!“ Doch hätte Mickie Krause am Samstag in der nahezu ausverkauften Arena Oberhausen noch länger den Feten-Motor angeworfen, wären wohl auch die Sohlen durchgetanzt gewesen. „Die Schlagernacht des Jahres“ hat ihren Titel für die brodelndste Indoor-Party des Genres spielend leicht verteidigt.

Ausgerechnet ein eher häufig zu sehender Schlagerkünstler reißt die Hütte ab - und setzt sich im Wechselspiel von mehreren Dutzend Sängerinnen, Sängern und Gruppen deutlich ab. Der Wuschel-Perückenträger und Partysänger schreitet ganz nach vorne auf den Bühnensteg, zupft an seiner Jeansjacke, ein unscheinbares schwarzes Shirt bedeckt und reimt sich in Rage: „Mickie Krause ist in the Hause!“

„Schatzi, schenk mir ein Foto“ und „Eine Woche wach“ - der Mallorca-Sänger rockt ab. Die Fans haben längst einen in der Krone. Doch für Ausfallerscheinungen ist es nach gut zwei Stunden wirklich noch zu früh. Gemeint sind die vielen bunten Plastik-Krönchen, die sich Fans in die Haare gesteckt haben. Die Blinklichter sorgen in der voll besetzten Halle für ein putziges Bild. Helle Freude!

Schlagernacht des Jahres: Bunte Plastik-Krönchen blinken in der Arena

Sechs Stunden Spielzeit können ganz schön lang sein. Das Warten an Arena-Toiletten und Getränkeständen zur Pause ebenfalls. Vor allem, wenn die elektronischen Geldkarten-Lesegeräte zwischendurch streiken. Die Fans zelebrieren trotzdem ihre Stars, die schallfreudig meist halbstündige Auftrittsblöcke füllen.

Und Wunder gibt es nicht nur immer wieder, sondern auch wundern kann man sich im Akkord: Der Schweizer Schlagersänger Vincent Gross sieht mittlerweile aus wie Nick Carter von den Backstreet Boys. Mit „Joana“ singt der 27-Jährige aber lieber genüsslich einen Song der nicht anwesenden Schlager-Ikone Roland Kaiser nach. Die Bühne ist dem Nachwuchssänger nicht groß genug, also wechselt er kurzerhand in die Zuschauerränge und hakt sich für griechische Volkstänze ein. „Ich trinke Ouzo, was trinkst du?“

Die Fans haben jedenfalls Spaß, erst recht als überdimensionale Luftballons durch die Arena fliegen. Den unverwüstlichsten Auftritt legt Michael Holm hin. Mit 80 Jahren stellt er etliche Jünglinge in den Schatten. Er kickt wie ein Karate-Künstler sportlich in die Luft. Im lockeren Anzug, mit flotten Turnschuhen und cooler Sonnenbrille bleibt er authentisch. Klar, Tränen lügen nicht!

Schlagernacht des Jahres: Altmeister Michael Holm mit Karate-Kick

Während draußen verspätete Zuschauer zwar nicht „Barfuß im Regen“, aber mit Schirm eintrudeln, bringt die Schlagerlegende die Fans auf Trab. Zum Abschluss soll „Mendocino“ noch den Höhepunkt bilden. Doch auf ein Duett mit dem jungen Kollegen Ramon Roselly hätte der Altmeister besser verzichtet. Es wirkt so als würde Roselly dem Text dauernd hinterher hinken. Weniger ist manchmal eben mehr.

Auch Ex-DSDS-Finalistin Sarah Engels erscheint mit ihren eigenwilligen Interpretationen internationaler Star-Hits wie „I wanna dance with somebody“ von Whitney Houston im Reigen der Schlagergrößen irgendwie deplatziert. Zumindest freut es Freunde des Boulevards, als ihr Partner Julian kurz auf die Bühne flitzt, um seine Sarah für ein Instagram-Foto abzulichten.

Ben Zucker kann sich unterdessen an die Arena Oberhausen gewöhnen, schließlich spielt er in einem Jahr an gleicher Stelle ein Solokonzert. Seine Reibeisenstimme klingt manchmal fast wie Grönemeyer, wenn dieser bei Aprés-Ski-Feten einen Jagertee schlürfen würde. Zucker kann das Fazit der Schlagernacht mit einem kompatiblen Song früh vorwegnehmen: „Was für eine geile Zeit!“

>>> Enttäuschung vor dem ersten Song - zwei Stars fehlten

Auf Schlagersängerin Michelle (51, „Wer liebe lebt“) mussten die Schlagerfans am Samstag in der Arena Oberhausen verzichten. Das Team der Sängerin begründete ihre Absage mit „Planungsfehlern“ des ehemaligen Managements. Michelles jüngerer Freund, der Sänger und Trompeter Eric Philippi (26), trat beim Indoor-Festival dagegen planmäßig auf.

Auch Altmeisterin Vicky Leandros (71, „Ich liebe das Leben“) musste die Show in Oberhausen kurzfristig absagen. Die Sängerin mit dem deutschen und griechischen Pass meldete sich für die Oberhausen-Show erkrankt ab. Das Line-up war in den Vorjahren schon deutlich attraktiver.

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