Oberhausen. Mia Julia hat ihre Tour eröffnet. Ein Schlagerkonzert ab 18 Jahren. Der Start: zum Einschlafen. Wie die Mallorca-Queen dennoch die Kurve kriegt.

Wenn bei einem Schlagerkonzert am frühen Abend der Personalausweis verlangt wird, hat man sich entweder in der Tür geirrt - oder ist beim Tourauftakt von Mallorca-Partystar Mia Julia Brückner (36) gelandet. 2500 Fans zücken am Freitag am Eingang zur Oberhausener Turbinenhalle artig den Pass. Schließlich hatte die ehemalige Erotik-Darstellerin (Künstlername Mia Magma) nebulös betont, dass ihre Konzerte erst ab 18 Jahren freigegeben sind und es prickelnde Momente geben werde. Den Verkaufszahlen der „Schlechte Manieren“-Tour hat das sicher nicht geschadet.

Gut zehn Jahre ist es her, dass die gebürtige Bayerin auf Schlagerstar umgeschult hat. Und das sehr erfolgreich. Mia Julia ist ein Mega-Star des Party-Genres, besitzt einen gut dotierten Vertrag mit der Ballermann-Diskothek Bierkönig. Bei großen Genre-Festivals wie „Inselfieber“ und „Oberhausen Olé“ gehört sie zu den Headlinern. Viel mehr Party geht kaum.

Mia Julia begeistert von 2500 Fans - „Oberhausen, du geile Sau!“

Normalerweise teilt sie sich die Bühne bei Sammelfeten mit etlichen Zicke-Zacke-Kollegen wie Mickie Krause und Ikke Hüftgold, spielt kürzere Sets - doch diesmal sind alle nur für sie gekommen. Eine ganz andere, abendfüllende Hausnummer. Wenn sie sagt „Ich zittere schon die ganze Zeit“, dann nimmt man ihr die Aufregung ab. Obwohl diesmal 2500 Menschen da sind - und nicht 25.000 oder mehr wie bei manchen Festivals.

Der Anfang klappt so gar nicht. Der Vorhang fällt dramatisch. Eine Lasershow beleuchtet eine leere Bühne. Schon wieder ein Countdown. Ein Leinwand-Video ackert erst einmal einen Teil ihrer Karriere ab. Viel zu lang. Viel zu langweilig. Es ist der Moment, an dem bei Partys nun der DJ beschimpft würde. Ein Prolog als Stimmungskiller!

Doch schnell wird klar, warum die Fans ihre „Mia Julia Ultras“-Schals um den Hals tragen. Und gefühlt jede Kehle wie im Fußballstadion ein „Mia Julia Olé“ anstimmt. Sie weiß ganz genau, wie sie Fans auf Betriebstemperatur bringt.

„Scheiß auf Schickimicki“ heißt nicht nur einer ihrer Songs, sondern ist Programm. Ihre Lust auf Party wirkt authentisch. Sie spricht gerade heraus, gibt sich volksnah. Als die Stimmung unter den Fans explodiert, lässt sie sich von der Begeisterung anstecken. Der Zug hat keine Bremse. „Oberhausen, du geile Sau!“

Mia Julia im Mallorca-Rausch: Silhouetten-Tänze und Koitus-Synonyme

Stilistisch mischt sich Partyschlager mit Elektronik. Auch wenn manche Textzeilen auf „Schlechte Manieren“ schließen lassen könnten, sind dies nur Party-Synonyme. Die knapp 1,60-Meter-Frau zeigt bei allem Halli-Galli immer wieder Größe. Als vor sechs Jahren Neonazis bei einem Bierkönig-Auftritt auf Mallorca im Publikum mit einer Reichkriegsflagge posierten, unterbrach sie die Show sofort. Das Publikum buhte die Gruppe aus dem Laden.

Und wie war das jetzt mit dem nicht jugendfreien Konzert? Sie könne auch familienfreundlich, sagt sie zwischendurch, aber diesmal wolle sie nicht ständig aufpassen müssen, was sie ins Mikrofon spreche. Vielleicht geht es aber auch um ihre Hauch-von-nichts-Garderobe, die sehr Rohstoff-schonend ausfällt. Oder um die unkonventionellen Dildo-Modelle, die aussehen als hätte sie MacGyver zusammengeschustert. Dazu entblätterte Silhouetten-Tänze, diverse Wort-Synonyme für Koitus. Und Songs mit Zeilen wie „Ich suche einen Mann, der mit seiner Zunge Karate kann…“ Nun ja.

Fans feiern Ballermann-Star mit „Mia Julia Olé“-Gesängen

„Wer hat sich schon mal vorgestellt, mit mir in die Kiste zu steigen?“, fragt sie sehr direkt. Ein Kongress für Altherrenwitze ist das Konzert aber trotzdem nicht. Etliche Frauen rufen der blonden Sängerin ihr „Ich“ entgegen.

Ein Fan darf letztlich für einen Song kurz auf die Bühne, sich auf einem hineingeschobenen Himmelbett fesseln und von der Sängerin in Nahkampf-Distanz die Schweißperlen auf der Stirn zählen lassen. Hölle! Hölle! Hölle!

Die meisten Fans sind eher in den Zwanzigern oder Dreißigern. Der Anteil von Männern und Frauen hält sich im Gleichgewicht. Mia Julia zieht Grenzen beim Zügellosen, fragt zwischendurch immer wieder nach: „Fühlen sich die Ladys wohl?“

Was die Fans vor allem packt, ist eine andere Sehnsucht: Mallorca. Ihre Songs treffen den Nerv der Ballermann-Liebhaber. „Mallorca, da bin ich daheim“, „Endlich wieder Malle“. Es ist der alljährliche Soundtrack für qualmende Tanz-Sandalen und Kater-Kopfschmerzen.

Die gut zwei Stunden sind nichts für Genre-Anfänger. Mia Julia ist ein Vollprofi unter den Party-Puristen, hat sich aber gegenüber einigen künstlich wirkenden Phrasendreschern im Schlager-Kollegium eine authentische Art bewahrt. Trotz stilistischer Schwächen: Die Stimmung stimmt, weil die Sängerin die zwei Konzertstunden durchaus sympathisch meistert. Die Fans stehen hinterher Schlange für Autogramme und Fotos.

>>> Mia Julia: Ehemann Peter Brückner stammt aus Oberhausen

Ein bisschen Lokalkolorit gab es beim Auftakt der „Schlechte Manieren“-Tour auch noch. Mia Julia erzählt, dass ihr Ehemann Peter Brückner aus Oberhausen stammt. Brückner betreibt ein Künstler-Management und unterstützt auch seine Frau.

Die Sängerin reist häufiger in die Stadt. 2017 stellte der Ballermann-Star im Cinestar-Kino am Centro die „Geile Zeit“-Konzerttour vor.

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