Oberhausen. Die Kastelruther Spatzen haben 2000 Fans in Oberhausen begeistert. Ein Moment erinnert an ein Rock-Konzert. Doch organisatorisch ärgern Hürden.
Die karierten Gardinen wirken wie frisch aus der Mangel. Die hölzernen Wände versprühen den Charme einer Berghütte. Und plötzlich öffnen sich auch noch große Fensterläden. Am Freitagabend blicken 2000 Fans in der Arena Oberhausen fortan auf ein weites Bergpanorama. Blauer Himmel. Grüne Wiesen. Und ein Dorf wie aus dem Bilderbuch. Die „Kastelruther Spatzen“ transportieren ihre Heimat Südtirol spielend leicht auf die Bühnen-Leindwand.
„Es ist schon lange her. Da hat es angefangen…“ singt ihr Frontmann Norbert Rier und gibt dem Eröffnungssong „Freundschaft aus Gold“ eine doppelte Bedeutung. Seit 40 Jahren reisen die Musiker von Halle zu Halle. Und in zweieinhalb Stunden samt halbstündiger Pause bekommt man nicht den Eindruck, dass die sieben Spatzen zeitnah die Flatter machen und die Bühnenrente einläuten wollen.
Kastelruther Spatzen in Oberhausen: Songs gegen den Stress des Alltags
Sänger Norbert Rier (63), Keyboarder Albin Gross (68), Klarinetten-Spieler Valentin Silbernagl (67), Baritonist Karl Heufler (64), Schlagzeuger Rüdiger Hemmelmann (57), Gitarrist Kurt Dasser (65) und Trompeten-Profi Walter Mauroner (67) stehen für eine unverwüstliche Beständigkeit.
Ihre Kastelruther Tracht samt Seidenkrawatte, schicker Weste und Lederhose sitzt unverändert wie am ersten Tag. Die Show trotzt jedem Zeitgeist, die Spatzen wirken auf ihre Fans wie ein Wohlfühl-Kokon in stürmischen Zeiten. Norbert Rier: „Musik ist doch dafür da, um abzuschalten. Vom Stress und negativen Dingen etwas Abstand zu nehmen.“ Damit verdient sich der Sänger auch in Oberhausen zustimmendes Nicken.
Sie singen über Liebe, Heimat und zeigen sich auf der Leinwand beim Wandern durch die Postkarten-Idylle. Doch wenn man genauer hinhört, singen die Spatzen nicht nur über eine heile Welt. In „Schatten über'm Rosenhof“ geht es um einen Mann, der durch seine Glücksspielsucht beim Kartenspielen Haus und Hof verzockt.
Auch persönliche Schicksalsschläge musste die volkstümliche Schlagerband verkraften. Ihr damaliger Manager Karl-Heinz Gross wurde 1998 während einer Tournee in der Nähe von Magdeburg schwer verletzt aufgefunden - und verstarb später. Eine Soko der Polizei ermittelte. Doch wie, warum und durch wen der Spatzen-Boss zu Tode kam, ist bis heute nicht aufgeklärt.
Kastelruther Spatzen in Oberhausen: „Eine weiße Rose“ sorgt für Stimmung
Auch wenn die verkleinerte Arena für 2000 Fans überdimensioniert wirkt, haben viele treue Anhänger die Spatzen durch schwierige Zeiten begleitet. 16 Millionen Platten wurden verkauft. Enkelkinder begleiten nun ihre Großeltern zu den Konzerten. Einige tragen eine Tracht. Andere versuchen sich zwischendurch beim Jodeln. Die Stimmung ist für die kleine Kulisse durchaus bemerkenswert.
„Das Mädchen mit den erloschenen Augen“ - ein Raunen geht durch die Halle. „Rosmarie“ - ein lautes „Jaa…“ unterbricht die kurze Stille. „Feuervogel flieg“ - ein wohliges „Ohhh…“ schwappt bis zur Bühne.
Mit modernem Halli Galli haben sie nichts am Hut. Auch wenn sich ihr Titel „Ich schwör“ nach einem Deutschrapper anhört, schmachten die Spatzen tatsächlich nur über die unerschütterliche Liebe zur Partnerin oder zum Partner. Sie brachten diese Hymne bereits vor 26 Jahren heraus. Ironische Genre-Mischungen wie bei Kollegen wie Heino gibt es bei ihnen nicht. Auch Rocker wollen sie nicht mehr werden.
Obwohl manche Rituale locker mit Rock-Konzerten mithalten könnten. Als ihr langerwarteter Hit „Eine weiße Rose“ kurz vor dem Feierabend erklingt, stürmen rüstige Fans zum Bühnengraben. Für einige Songs sind sie ihren Idolen ganz nah. Wer nicht nach vorne kann, schunkelt auf den Sitzplätzen weiter. Es ist ein schöner Abend.
Kastelruther Spatzen in Oberhausen: Unnötige Treppenwege für Senioren
Die Kastelruther Spatzen haben ihre Hausausgaben erledigt, die Fans haben fröhlich gefeiert. Doch die Organisation in der Arena muss bei Konzerten für ältere Zuschauer einfach besser werden. Zwar öffnete sich in der Pause für betagte Zuhörer ein ebenerdiges Tor zu den Toiletten. Doch viele Fans bekamen davon nichts mit. Sie absolvierten vom Innenraum aus den beschwerlichen Weg über lange Treppen zu den WCs im Foyer.
In den ebenerdigen Katakomben hätte es auf der nahen Gegenseite durchaus weitere Toiletten gegeben. Dieses Tor blieb aber geschlossen. Auch, dass gefühlt schon Minuten nach Pausenbeginn der mahnende Gong das nahe Pausenende ankündigte, vermittelte unnötige Hektik. Zum Konzertende blieben einige Hallenausgänge zunächst ohne Licht, was für dustere Tunnelatmosphäre sorgte. Die Tore zum beleuchteten Foyer hätten einfach früher geöffnet werden können.
Auch vor der Halle geht es besser: Wegweiser zu den Arena-Kassenhäuschen wären sinnvoll gewesen, schließlich ist der Platz der Guten Hoffnung durch den Aufbau des Centro-Weihnachtsmarktes abgesperrt und musste umrundet werden. Und Rollator-Benutzer, die mit Bus und Bahn anreisten, mussten ihre Gehilfe an der Haltestelle „Neue Mitte“ auf den Rolltreppen-Stufen balancieren. Ein Unding: Der Aufzug war mal wieder defekt.
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