Oberhausen. Bei einer Umfrage unter den eigenen Bürger schneidet Oberhausen nicht gut ab. Warum fühlen sich so viele Menschen unwohl? Und wie ändert man das?
- Die Politik diskutiert die Ergebnisse der aktuellen städtischen Umfrage unter 1700 Oberhausenern und Oberhausenerinnen, die : 77 Prozent der Befragten leben gerne in Oberhausen – das sind drei Prozentpunkte weniger als in der Umfrage 2020. 22 Prozent der männlichen und 23 Prozent der weiblichen Befragten würde lieber woanders wohnen.
- Gerade mal jeder zweite Befragte fühlt sich entschieden als Oberhausener. Mehr als elf Prozent kreuzten „kaum“ an, vier Prozent können gar nichts mit Oberhausen anfangen. Etwa ein Drittel ist unentschlossen.
- Seither rätseln Verantwortliche der Stadtgesellschaft darüber, warum so viele Oberhausener sich in ihrer eigenen Stadt nicht so richtig glücklich fühlen – und wie man sie wieder begeistern kann. Auch die älteren Sozialdemokraten der Parteigruppe „SPD 60plus“ mischen mit.
Fehlt den Menschen in Oberhausen ein Heimatgefühl und schreiben ihrer Stadt daher ein schlechtes Zeugnis aus? Wie berichtet schneidet Oberhausen bei einer städtischen Umfrage unter den eigenen Bürgern gar nicht gut ab: Viele würden lieber woanders wohnen, finden Oberhausen dreckig und träge, gerade mal jeder Zweite identifiziert sich mit der Stadt. Alteingesessene Oberhausener, die sich zudem seit Jahrzehnten für ihre Heimatstadt einsetzen, schmerzt das Ergebnis – und wagen mit dem schwindenden Heimatgefühl den Ansatz einer Erklärung. >>> Zur Nachricht: „Schmutzig, träge“: Das denken Oberhausener über ihre Stadt
„Ein Freund hat mir erzählt, dass er sich bei einem Besuch der Marktstraße ganz unwohl gefühlt hat, wie ein Fremdkörper“, berichtet Wolfgang Tzscheppan. Mit einem Teil seiner politischen Mitstreiter der SPD-Arbeitsgemeinschaft „60plus“ war der Sozialdemokrat jüngst in der Redaktion zu Gast, um über Themen zu reden, die Oberhausen derzeit bewegen.
Angesprochen auf das miese Umfrage-Ergebnis merkte man der Gruppe das Unbehagen deutlich an. Zum einen, weil man ihnen das Herz für Oberhausen ehrlich abnimmt. Zum anderen, weil die Umfrage durchaus auch Anlass für Selbstkritik ist: „Wir müssen die Menschen wieder mehr mitnehmen, wir müssen wieder Kümmerer werden“, sagt Tzscheppan – und alle pflichten bei. „Kümmerer“ – das Wort fällt im Gespräch mit den erfahrenen Sozialdemokraten besonders häufig. >>> Kommentar zum Thema: Erschreckende Umfrage: Warum die Oberhausener falschliegen
Integration: Menschen wurden nicht einbezogen
„Ich glaube, viele Menschen fühlen sich sehr allein“, sagt Tzscheppan. Und der Gang über die Marktstraße verstärke dies: „Man trifft keine bekannten Gesichter mehr zum Klönen, Treffpunkte fehlen.“ Und es tue ihm zwar leid, aber dass viele Geschäfte nicht mehr von Ur-Oberhausenern geführt werden, sondern von Menschen, denen man ihre nicht-deutsche Herkunft ansieht, trage bei einigen zu diesem Gefühl ebenso bei. „Schuld sind aber nicht die Menschen, ganz im Gegenteil, wir freuen uns, wenn es bunt ist“, sagt Tzscheppan. Aber bei der Integration sei etwas nicht richtig gelaufen: Die Ansässigen wurden zu wenig einbezogen, eben nicht mitgenommen. >>> Weiterer Bericht: Umfrage-Reaktionen: Was Bürger an Oberhausen kritisieren
Die SPD-Truppe nimmt aber genau diese Ansässigen auch in die Pflicht: Wie man sich darüber beschweren kann, dass es arabische Supermärkte gibt – wenn die Alternative ein hässlicher Leerstand wäre: Über diese Frage können Günter Wrobel und Helmut Brodrick bei allem Verständnis für ein Gefühl der Entfremdung nur den Kopf schütteln. „Da sind dann aber auch wieder wir gefragt, für mehr Verständnis zu sorgen“, sagt Brodrick. „Wir müssen Ideen entwickeln, wie man Menschen zusammenbringt. Gerade in einer Zeit, in der sich unsere Gesellschaft immer weiter spaltet.“
SPD: Soziale Netzwerke schüren Angst
Die Herausforderung sei groß. „Denn ganz oft geht es ja nicht um objektive Fakten, sondern um das individuelle Gefühl Einzelner“, sagt Günter Wrobel. Helmut Brodrick ergänzt: „Oberhausen ist einer der sichersten Städte Deutschlands, aber wenn sich jemand unwohl fühlt, nachts durch eine Unterführung zu laufen, dann fühlt er sich nun einmal unwohl.“ Und wenn sich eine 92 Jahre alte Frau jetzt Sorgen macht, ihre Heizung austauschen zu müssen, dann mache sie sich eben Sorgen, auch wenn diese unbegründet seien.
„Die Menschen fühlen sich betroffen, ob wohl sie es gar nicht sind“, sagt Brodrick – und macht dafür auch die sozialen Netzwerke verantwortlich. „Wenn ich bei Facebook immer wieder die eine Nachricht zu einem Einbruch in Holten ausgespielt bekomme, denke ich doch irgendwann, hier würde ständig und überall eingebrochen.“
In Schutz nehmen die Polit-Köpfe die Oberhausener Stadtverwaltung. „Viele meinen, die Stadt müsse alles richten“, sagt Helmut Brodrick. „Aber Wochenmärkte verschwinden doch, weil die Nachfrage sinkt, was soll die Stadt da machen?“ Es sei auch nicht Aufgabe der Stadt, Geschäfte zu erhalten. „Der Metzger schließt, weil immer mehr Kunden ihr Fleisch woanders kaufen und die Sparkasse macht Filialen dicht, weil immer mehr Menschen ihre Bankgeschäfte im Internet erledigen“, sagt auch Norbert Nadolski.
Stadt Oberhausen muss mehr für sich werben
Und die Verantwortlichen im Rathaus können wirklich gar nichts gegen das schlechte Image tun? „Aber selbstverständlich, die Stadt muss mehr auf den Putz hauen“, sagt Wolfgang Tzscheppan ganz energisch. Udo Jürgens habe mal gesagt: „Oberhausen ist eine Kulturstadt. Aber man sieht es nicht.“ Genau so sei es. „Oberhausen hält seinen Bürger ein riesiges Kulturangebot vor. Obwohl die Stadt so arm ist.“ Doch was nütze das, wenn es niemand mitbekommt?
Auch Helmut Brodrick meint: Wenn die Menschen nur wüssten, was alles angeboten wird, würden sie diese Angebote auch nutzen. Was der Stadt fehle, sei gutes Eigen-Marketing, fasst Helmuth Eidam zusammen. Dietmar Look ist aufgefallen: „Das Niebuhrg-Theater ist sehr beliebt und richtig gut besucht – nur leider nicht von vielen Oberhausenern.“
Und welche Hausaufgaben für die eigene Partei nimmt die AG 60plus aus der Zufriedenheits-Umfrage mit? Brodrick fürchtet, dass sich viele Menschen mit ihren individuellen Problemen nicht ernst genommen fühlen. „Das müssen wir, das müssen alle demokratischen Parteien wieder ändern.“ Die AfD dürfe man dabei nicht verteufeln, meint er. „Wir müssen uns stattdessen wieder als Kümmerer sichtbar machen.“
Günter Wrobel plädiert dafür, Bürger mehr an der politischen Arbeit zu beteiligen. Norbert Nadolski und Wolfgang Tzscheppan weisen auf Info-Abende der AG 60plus hin, etwa zu Themen wie Ärztemangel, Grundsteuer oder Schockanrufe. „Wenn wir Menschen mit Informationen versorgen, entstehen manche Unsicherheiten gar nicht erst“, sagt Tzscheppan. Und doch bleibt eine große Aufgabe: „Manchmal ist man schon etwas ratlos, wie man die Menschen erreichen soll“, sagt Helmut Brodrick ehrlich.