Oberhausen. Erstaunlich viele Bewohnerinnen und Bewohner von Oberhausen wollen lieber woanders leben – auf dieses miese Umfrage-Resultat reagieren viele.
Wenn das Münchner Regionalinstitut für Mittelstandsmarktforschung (RIM) von den Bewohnern in München und Umland in einer repräsentativen Umfrage wissen will, ob sie gerne oder sogar sehr gerne dort leben, dann sagt eine überwältigende Mehrheit euphorisch: „Ja“. 95 Prozent sind es genau, nur vier Prozent geben an, weniger gerne in der Region München zu leben. In Oberhausen dagegen sagen auf eine ähnliche Frage der Stadt nur 77 Prozent, dass sie gerne hier leben, 23 Prozent geben an, sie würden lieber woanders leben. Und nur die Hälfte fühlt sich als Oberhausenerin oder Oberhausener. Die derzeitige Lebensqualität in der Stadt bewerten nur 44 Prozent der Befragen als gut bis sehr gut.
Nach der Veröffentlichung dieser Ergebnisse der städtischen Befragung („Schmutzig, träge: Das denken Oberhausener über ihre Stadt“), die im Oktober 2022 stattfand und deren Auswertung nun vorliegt, haben wir viele Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger erhalten – per Mail als Leserbrief oder als Reaktion auf Facebook. Hier eine Auswahl an Stimmen zu den Gründen, warum sich Menschen in Oberhausen wohl oder unwohl fühlen – auch zu unserem Kommentar „Erschreckende Umfrage: Warum die Oberhausener falschliegen“:
„Für die Lösung der Alltagsprobleme sind nicht nur das Rathaus, die Politik und der Oberbürgermeister zuständig, sondern vieles lässt sich auch – allein oder gemeinschaftlich – selbst erledigen. Oder frei nach Kennedy: Frage nicht, was deine Stadt für dich tun kann, sondern was du für deine Stadt tun kannst. Leider hat sich inzwischen in der Gesellschaft eine gewisse Erwartungshaltung eingeschlichen, die zwischen Selbstverwirklichung und der Suche nach einer Work-Life-Balance wenig Platz für Ehrenamt, Spendenbereitschaft und Bürgersinn lässt. Dass es in Schmachtendorf in der Wahrnehmung der Befragten offenbar besser läuft, ist dabei kein Produkt des Zufalls, sondern Früchte der Arbeit derer, die sich mit ihrem Stadtteil identifizieren und sich für ihn auf vielfältige Weise einsetzen. Das motiviert zum Mitmachen. Es muss ja nicht gleich eine Vereinsgründung sein: Wenn schon jeder, der sich über Müll auf Straßen und Plätzen ärgert, statt Fotos zu machen und laut nach der Stadt zu rufen, selber mit anfasst, wird es ebenfalls sauberer. Dass die Zufriedenheit der Befragten mit 33,4 Prozent ,sehr zufrieden’ im Sozialraum Sterkrade-Nord wesentlich höher ist als in den übrigen, spricht ja auch dafür, dass sich das Engagement unserer Vereine auszahlt.“ Tobias Szczepanski, per Mail
„Wenn man wegziehen will, braucht man auch das nötige Kleingeld. In Oberhausen wohnt und lebt man noch recht günstig und versucht, sich die schönsten Ecken auszusuchen. Die anderen meidet man dann halt. Früher scheint Oberhausen aber schön gewesen zu sein, so wie viele Ruhrpottstädte. Das Stadtbild hat sich halt drastisch verändert und auch die Mentalität, die den Ruhrpott mal ausgemacht hat. Das finde ich sehr, sehr traurig. Früher wäre mir nie eingefallen überhaupt auf die Idee zu kommen, woanders leben zu wollen.“ Jessica Fidorra-Steinmetz, per Facebook
„Oberhausen ist wegen der billigen Mieten und der guten geografischen Lage attraktiv. Den Rest kann man in die Tonne hauen.“ Andy von Janta Lipinski, per Facebook
„Ist doch nicht verwunderlich, dass jeder Vierte lieber woanders wohnen möchte. Die Innenstadt ist komplett heruntergewirtschaftet. Zudem gibt es kaum noch Orte, an denen man seine Freizeit angenehm verbringen kann. Es wundert mich, dass nur jeder Vierte zu dieser Ansicht kommt.“ Bernd Sachs, per Facebook
„Um am ,Unterhaltungsspaß’ dieser Stadt teilzunehmen, braucht man Geld. Der Aquapark ist nicht so günstig, dass Familien regelmäßig dort schwimmen gehen könnten. Dasselbe gilt für Einkaufsmöglichkeiten: Sie nutzen nichts, wenn der Großteil des Einkommens für Miete, Strom und Lebensmittel draufgeht. Und wann haben Sie das letzte Mal versucht, einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen? Meine Hautärztin nimmt erst wieder ab März 2024 (!) überhaupt neue Patienten an. Ich fahre mit dem Rad zur Arbeit und bin auch privat viel damit unterwegs. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es durchaus schöne Wege für Freizeitfahrer gibt, aber die Wege durch (!) die einzelnen Stadtteile sind oft grottenschlecht und gefährlich. Mit dem ÖPNV brauche ich fast eine Stunde für knapp sieben Kilometer! Ich bin in Oberhausen geboren und habe die Entwicklung hier zeitlebens mitbekommen. Mein Fazit: Von ein paar gehobenen Stadtteilen abgesehen, kann ich jedem Außenstehenden nur empfehlen, nicht nach Oberhausen zu ziehen.“ Melanie Bergmann, per Mail
„Die pauschale Verunglimpfung von Rheinländern hat mich doch sehr irritiert. Ich bin in Krefeld geboren und halte mich für einen Rheinländer durch und durch. Durch jahrhundertelange permanente Grenzverschiebungen haben Rheinländer gelernt. Sie sind weltoffen, anpassungsfähig und pragmatisch. Das hat gar nichts zu tun mit Kölsche Klüngel, den Sie als typisierend anklingen lassen. Wir wohnen seit 1981 in Oberhausen und fühlen uns wohl in dieser Stadt. Der amtierende Oberbürgermeister macht eine gute Politik und versucht mit Erfolg, Oberhausen trotz der chronisch prekären Finanzsituation nach vorne zu bringen!“ Bruno Kesseler, per Mail
„Ich bin hier in Oberhausen geboren und aufgewachsen. Das Centro hat Oberhausen zerstört! Zudem hat man es zugelassen, dass die Metallbranche zerstört wurde. Die Wiege der Stahlindustrie Oberhausen existiert nicht mehr! Nur noch Dienstleister!“ Özdemir Gündogdu, per Facebook
„Oberhausen besteht nicht nur aus der Stadtmitte und dem Bahnhof. Es gibt sehr viele schöne Ecken und Orte. Am Stadtrand – und wenn man zum echten alten Stadtkern der Stadt schaut – sieht man, dass es sehr viele Menschen gibt, die gerne hier wohnen und auch etwas dafür tun, dass es lebenswert bleibt.“ Jen Benne, per Facebook
„Ich bin auch nur hier gelandet, weil man Immobilien hier hinterhergeworfen bekommt. Oberhausen hat außer den Veranstaltungen in den Turbinenhallen und den gelegentlichen netten Ausstellungen im Gasometer oder in der Ludwiggalerie wirklich nichts zu bieten, was es in anderen Städten nicht auch und in der Regel wesentlich ansprechender gibt. Seit über 20 Jahren wird sich auf die Neue Mitte verlassen, die sich selbst überlebt hat. Der einzige Vorteil an Oberhausen ist die gute Autobahnanbindung, so dass man schnell hier weg ist, um in anderen Städten zu flanieren oder Kultur zu erleben.“ Sascha Gröling, per Facebook
„In die Stadt gehe ich nur noch zum Arzt. Sonst fühle ich mich da nicht mehr wohl: Man fühlt sich wie im Ausland und nicht mehr wie zu Hause. Außerdem gibt es da keine Läden mehr, in die man gehen möchte.“ Brigitte Schneider, per Facebook
„Ich lebe gern in Oberhausen. Wir haben das Altenberg, Turbinenhalle, Ebertbad, Druckluft, die Arena, die Stadthalle usw. Regelmäßig sind dort Veranstaltungen für die unterschiedlichsten Zielgruppen; ich kenne kaum eine Stadt, die mehr kulturelle Veranstaltungen hat. Mit dem Centro haben wir ebenfalls Einkaufsmöglichkeiten, wie keine unserer Nachbarstädte. Im Sommer gibt es eine Open-Air-Party nach der anderen – ob Ballermann-Partys, Olgas Rock, Ruhr in Love, Musiksommernacht. In der Innenstadt gibt es inzwischen mehr Restaurants und Eiscafés als in Essen, obwohl Essen mehr als doppelt so groß ist. Wir haben den Gasometer, das Schloss, Sea Life, Lego, den Kaisergarten, Klettergarten, Kartbahn, Trampolinhalle – eine solche Auswahl an Freizeitaktivitäten sucht man anderswo vergebens. Die Stadt ist durchzogen mit kleinen und großen Parks und viele Straßen sind mit Bäumen begrünt.“ Viktor Flippe, per Facebook
„Beim Lesen Ihres heutigen Kommentars zur Umfrage zur Lebensqualität in Oberhausen möchte ich Folgendes anmerken: Wer soll denn das „Alarmsignal“ der Umfrage hören, die erforderlichen Maßnahmen einleiten und vor allem die Durchführung kontrollieren? Sie haben das sehr zurückhaltend und recht wohlmeinend formuliert: ,...fehlende Dienstleistungsmentalität im Rathaus...’. Die Mannschaft ist fest davon überzeugt, und vermittelt das auch ungeniert, dass die Bürger für die städtischen Angestellten da sind und gefälligst dankbar und bescheiden zu sein haben. Telefonanrufe annehmen, E-Mails beantworten, Termine in zumutbaren Zeiträumen vergeben – da könnte ja jeder kommen! Da reißt sich niemand ein Bein aus – Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren!“ Meinolf Storks, per Mail
„Das Urteil der Einwohner über ihre Heimat ist nicht ungerecht, wie Sie in Ihrem Kommentar behaupten. Von den Sanierungsfortschritten im Stadtbild merke ich nicht viel. Viele Straßen und die von Ihnen gelobten Radwege sind voll Löcher bzw. in einem katastrophalen Zustand. Die Vermüllung der Stadt kann man leider nicht leugnen. Das liegt nicht nur an der mühsamen Müllbeseitigung der Stadtreinigung, sondern auch am heutigen fehlenden Bewusstsein für Sauberkeit. Dass man in guten Restaurants speisen kann, wage ich zu bezweifeln. In Oberhausen gibt es sicherlich viele Esslokale, aber der Begriff „Restaurant“ passt nicht dazu. Ich kenne nur zwei italienische Restaurants, die diese Bezeichnung verdienen und eine gute Qualität anbieten. Das Thema Sicherheit ist ein heikles Thema. Oberhausen ist vermutlich eine der sichersten Großstädte Deutschlands, weil die meisten nachts aus Angst vor Überfällen lieber zu Hause bleiben. Bertrand Grolleau, per Mail
„Ich habe den Eindruck, dass die Stadtverantwortlichen die Probleme in der Stadt nicht wahrnehmen und versuchen, alles schönzureden. Fakt ist, dass Oberhausen immer dreckiger wird, es kaum noch Fortgeh-Möglichkeiten gibt (Cafés sperren schon um 18 Uhr zu) und in eine soziale Schieflage geraten ist. Ich finde, es ist ein Riesenproblem, wenn draußen kaum noch Deutsch gesprochen wird, weil dadurch parallele Kulturen gebildet werden und das soziale Gefüge aus den Fugen gerät. Von der Innenstadt brauchen wir gar nicht zu reden!!!“ Onur Kas, per Facebook
„Ich glaube nicht, dass die Bürger zu hart urteilen. Es gibt viele Stellen, die sehr ungepflegt erscheinen. Es gibt zu wenige (und für Familien bezahlbare) Schwimmbäder. Die Eishalle modert seit Jahren vor sich hin, das Solebad darf man auch nur von außen bewundern. Der neue Bewegungshügel im Revierpark Vonderort ist klasse – aber da war die Stadt Oberhausen wahrscheinlich nur am Rande beteiligt. Und ja, kulturtechnisch bietet Oberhausen einiges, wenngleich ich mich (abgesehen vom Ebertbad) eher in Essen oder Mülheim umtue. Über die Oberhausener Innenstadt brauchen wir nicht zu reden. Was mich besonders traurig und betroffen macht, ist die bevorstehende Abholzung von 5000 Bäumen im Sterkrader Wald.“ Anette Friedhoff, per Facebook
„Als ich aufgewachsen bin, war Oberhausen eine Stadt im Aufbau der Nachkriegszeit, Osterfeld, wo ich geboren und später gearbeitet habe, ein Schmuckkästchen. Jeder respektierte seinen Ort und legte Wert auf Ordnung und Sauberkeit. Stadtspaziergänge waren interessant, in den Geschäften gab es alles, was man brauchte. Auch die Gastronomie und Kultur entwickelte sich zum Positiven. Irgendwann ging es abwärts, und das war schon vor dem Bau der Neuen Mitte. Heute würde ich Oberhausen den Rücken kehren, wenn ich noch jung genug dazu wäre.“ Rita Angenendt, per Facebook