Oberhausen. Im Kindergarten flossen Tränen des Abschieds. An ihrem ersten Schultag war Mia dann die Ruhe selbst. Zum Gottesdienst kam sogar ein Eichhörnchen.
- Mehr als 2100 Kinder werden in Oberhausen eingeschult
- Eine davon: Die sechsjährige Mia aus dem Stadtteil Königshardt
- Wir haben das Mädchen bei ihrer Einschulung begleitet
„Was machen wir? Warten wir auf den Bus?“ Mia scherzt. Von uns allen ist sie die entspannteste. Das sechsjährige Mädchen steht mit ihrem rosa Schultornister vor ihrer Haustür in Oberhausen-Königshardt. Die Haare sind gekämmt, die Kleidung picobello, sogar die Sonne müht sich um ein paar Strahlen. Jetzt nur noch warten. Ah, da kommen sie, Opa Michael und Oma Paula. Mia stürmt los. Es kann losgehen!
So wie Mia und ihre Verwandten machen sich am Dienstag Hunderte Familien in Oberhausen auf zum ersten Schultag. Mehr als 2100 Oberhausener Kinder sind für das neue Schuljahr angemeldet worden – so viele wie lange nicht mehr.
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Einschulung: Anmeldezahlen in Oberhausen auf Rekordniveau
Der Tag hatte sich angekündigt, er wurde herbeigesehnt und -gezählt. In den Sommerferien malte Mia jeden Tag Füße auf einem Kalender aus. Den Kalender hatte sie von ihrem Kindergarten bekommen. Abschied und Anfang, diese beiden Enden liegen in diesem Sommer nahe beieinander. „Sie war sehr traurig und hat geweint“, erinnert sich Nadja Szwed an den letzten Tag in der Kindertagesstätte Königshardt. „Meine größte Sorge war, dass sie allein in der Klasse ist und niemanden kennt.“
Zum Glück nicht. Sieben Freundinnen und Freunde wechseln mit Mia auf die Hartmannschule. Das neue Kapitel, es begann für die Eltern mit Hoffen und Bangen. Die Anmeldezahlen sind in Oberhausen auf Rekordniveau, die Hartmannschule musste erstmals wieder drei Klassen einschulen. 70 statt 56 i-Dötzchen strömen am Dienstag auf den Schulhof. Wie andere Schulleiter musste Lutz Kruska improvisieren und einen zusätzlichen Klassenraum öffnen. >>> Oberhausener Rathaus-Kosten empören junge FDP-Politiker
In der Kirche wächst die Anspannung – zum Glück kommt ein Eichhörnchen vorbei
Mia hat den Wunschplatz bekommen. Wohl auch aufgrund der Nähe, sagt Nadja Szwed. Sie wohnt mit ihrer Tochter nur etwa einen Kilometer weit von der Schule entfernt. Mia muss nur eine Ampel überqueren – und die kennt sie schon vor ihrem ersten Schultag.
„Hey, wie hast Du das gemacht? Hast du gezaubert?“, ruft Mia über die Königshardter Straße. Auf der anderen Seite steht Tito, Partner von Nadja Szwed, und grinst. Abkürzung genommen. „Sie ist selbstbewusst und kontaktfreudig“, sagt ihre Mutter. „Da brauchst du dir keine Sorgen machen“, sagt Patentante Nadine.
Beim Anblick des evangelischen Gotteshauses St. Barbara schwindet allerdings das Selbstvertrauen. Alles sieht sehr offiziell aus, die Eltern haben sich auch herausgeputzt, zupfen die letzten Haarsträhnen zurecht, Kameras baumeln an den Schultern, Handys liegen schnappschussbereit in der Hand. Mia bleibt wie alle Kinder bei ihrer Mutter. Gemeinsam gehen sie zur ersten Sitzreihe, wo ihre Klasse 1A auf den Segen wartet.
Göttliche Fügung oder Zufall? Ein Eichhörnchen klettert über die Orgel zur Decke, rennt hin und her, weiß nicht wohin. Es ist mindestens so überrascht wie die Kinder und Familien und sorgt ganz nebenbei dafür, dass das Warten zum Spaß wird. „Das Eichhörnchen wird bestimmt auch eingeschult“, vermutet Pfarrer Thomas Levin.
Einschulung: Eltern müssen viel organisieren
Eichhörnchen wissen gar nicht, was sie für ein Glück haben, dass sie für ihre Kinder keine Einschulung vorbereiten müssen. „Ich habe gestern noch die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt“, sagt Nadja Szwed. Die 31-Jährige hat für ihre Tochter eine selbstgenähte Schultüte organisiert. Aber das war nicht alles. „Wir haben eine superlange Liste bekommen für den Schulstart“. Hefte, Bücher, Pantoffeln. Pantoffeln? „Kannte ich auch nicht“, sagt Nadja Szwed.
Als es endlich so weit ist, und Pfarrer Levin die Kinder für den Segen zu einem Kreis versammelt, löst sich die Anspannung. Weil Kinder Kinder sind. Sie beginnen zu tuscheln, zu schauen, zu winken. Endlich nicht mehr sitzen. „Hier bin ich!“ rufen die Lippen still, bis Pfarrer Levin kommt und mit ernster Gebärde die Hände über die Köpfe hält. >>> So gehen Schulen gegen neue Schummeltricks von Schülern vor
Die erste Schulstunde? Ein gut gehütetes Geheimnis
Fast geschafft, noch ein letzter Rap der vierten Klasse über die Geheimnisse der Schultüte. Dann geht es unter Applaus raus aus der Kirche und Hand in Hand zur Schule. „Aufpassen, Kinder, eine Pfütze. Schwimmen machen wir erst später“, flötet Mias Klassenlehrerin Andrea Redmer-Franz. Die Eltern müssen in der Kirche bleiben, vor dem Klassenzimmer wird das Verbot auf alle ausgeweitet. Was in der ersten halben Schulstunde passiert? Ein gut gehütetes Kinder-Geheimnis.
Wie war der erste Schultag, Mia? „Gut“. Auf welches Fach freust Du dich besonders? „Keine Ahnung.“ Wo sitzt du? „In der ersten Reihe!“ Was hat dir am meisten Spaß gemacht heute? „Das Lernen?“ Sie lächelt übers ganze Gesicht. Man müsste noch mal Kind sein.