Oberhausen. KI-Programme wie ChatGPT können problemlos Aufgaben lösen. Das verändert das Lernen – Tricksereien nicht nur bei Prüfungen sind leicht möglich.

Als die Schülerinnen und Schüler zum Abitur in Oberhausen antraten, mussten sie nicht nur die Handys abgeben. Längst wurde das Handy-Verbot auf Uhren ausgeweitet. Denn mit sogenannten Smartwatches kann man ebenso schummeln. Die Möglichkeiten sind mittlerweile vielfältig, doch das, was jetzt kommt, stellt eine ganz neue Dimension dar. Künstliche Intelligenz wird die Art und Weise verändern, wie Schülerinnen und Schüler geprüft werden, sind sich viele Experten sicher. Auch in Oberhausen stellen sich die Schulen auf gravierende Veränderungen ein.

Was einst mühsam nachgeschlagen werden musste, ist heute nur einen geübten Klick im Internet entfernt. Chatprogramme wie ChatGPT setzen noch eins drauf. Sie beantworten in Sekunden komplexe Fragen. Wer sich nach der Entstehung der Weimarer Republik erkundigt, erhält in kürzester Zeit einen ausformulierten Text – neuerdings sogar mit Quellenangaben, wenn man die Bing-Suche vom Microsoft-Browser Edge nutzt.

Das NRW-Schulministerium hat das Potenzial erkannt und im Februar einen Handlungsleitfaden zum Umgang mit textgenerierenden KI-Anwendungen erstellt. Im nördlichen Bundesland Hamburg bemerkten Lehrer während des Abiturs Täuschungsversuche. Daraufhin wurden die Regeln angepasst. In den mündlichen Abiturprüfungen durften die Schülerinnen und Schüler KI-Programme nutzen, um ihre Präsentationen zu erstellen. >>> Lesen Sie auch:ChatGPT: Computer schafft coolen Werbespruch über Oberhausen

Künstliche Intelligenz: Im Verdachtsfall mündliche Prüfung

Alice Bienk, Schulleiterin am Elsa-Brändström-Gymnasium, kann von keinen Verdachtsmomenten während des Abiturs berichten. Allerdings fährt auch ihre Schule ein striktes Handy- und Smartwatches-Verbot. „Wir gehen auch durch die Reihen und prüfen das“, sagt Bienk. Die Direktorin habe „keine Angst“ vor der Künstlichen Intelligenz, allerdings stellt auch sie sich auf Veränderungen ein: „Wir müssen uns andere Prüfungsaufgaben überlegen.“

Alice Bienk, Schulleiterin des Elsa-Brändström-Gymnasiums.
Alice Bienk, Schulleiterin des Elsa-Brändström-Gymnasiums. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

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Bloße Textzusammenfassungen oder das Abfragen von Wissen gebe es in der Oberstufe ohnehin nicht mehr. Die Schülerinnen und Schüler müssten stattdessen Zusammenhänge erfassen. Dafür sei das Lernen und Verstehen wichtig, erläutert Bienk. Die Schule orientiere sich an dem Leitsatz: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Die Lehrkräfte appellieren an die Schüler, die Verantwortung für ihre Aufgaben zu übernehmen. „Das ist die Begleitung zur Selbstständigkeit.“ Gleichwohl sind Täuschungsversuche nicht ausgeschlossen. In Verdachtsfällen, sagt Alice Bienk, müssten Schülerinnen und Schüler eine mündliche Prüfung ablegen. Im Gespräch lasse sich schnell feststellen, ob der Schüler sich mit dem Thema befasst hat.

Schulleiter: Fehlerfreie Rechtschreibung – das ist ein Indiz für ein Täuschungsmanöver

Auch am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium sind die Lehrkräfte gewarnt. Sie schauen sich die schriftlichen Antworten der Schülerinnen und Schüler genauer an, sagt Schulleiter Uwe Bleckmann. Eine fehlerfreie Rechtschreibung sei meist ein erstes Indiz, das etwas nicht stimmt. Im Zweifel müsse der Schüler oder die Schülerin in einem Gespräch geprüft werden. Er erkennt aber auch das Potenzial der Technik: „Künstliche Intelligenz wird die Schule umkrempeln.“

Uwe Bleckmann, Schulleiter des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums.
Uwe Bleckmann, Schulleiter des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

An dem Sterkrader Gymnasium hatte ein Experte die Lehrkräfte über die Anwendungsmöglichkeiten von KI informiert. Die Lehrkräfte seien beeindruckt gewesen, was die Programme bereits können. Bleckmann geht wie andere von einer raschen Weiterentwicklung aus. Umso wichtiger sei es, sich mit den Programmen kritisch auseinanderzusetzen, aber auch zu fragen: „Wo können wir künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzen?“

Oberhausen: 15.000 Laptops und Tablets an Schulen

Die technischen Voraussetzungen hat fast jeder Schüler. Dafür sorgte auch die Stadt. In der Corona-Pandemie machte Oberhausen bei der digitalen Ausstattung einen Schritt nach vorn. Bislang sind an den Schulen 15.000 Endgeräte verteilt. Damit haben drei Viertel der Schülerinnen und Schüler bereits Zugriff auf ein Tablet oder Laptop. Schuldezernent Jürgen Schmidt hofft, in naher Zukunft auch diese Lücke schließen zu können. Eine Option könnte allerdings auch sein, dass Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Geräte in den Unterricht bringen dürfen.

Die Entwicklung des Unterrichts ist zwar Ländersache, doch auch die Stadt versucht, sich auf den technischen Fortschritt einzustellen. Nach Angaben des Dezernenten ist die Künstliche Intelligenz bereits Thema in den Lenkungsgremien. Die Stadt will ihren Teil dazu beitragen.