Mülheim. Welche politischen Themen bewegen junge Menschen? Kaum überraschend: Social Media spielt beim Informieren eine große Rolle - mit Einschränkungen.

„Was sind nochmal die wichtigen Sachen, auf die ihr hinweisen sollt?“ – „Dass die Wahl freiwillig ist, anonym und geheim, und dass jeder nur eine Stimme hat.“ Tim Kundt hat sein Wahlhelferteam für diesen Mittwoch in einem Raum im Souterrain der Realschule Stadtmitte versammelt und gibt ein letztes Briefing.

Er ist aber nicht etwa ein paar Tage zu früh dran für die anstehende Europawahl: Mit den Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern aus seinem Sozialwissenschaftskurs führt er an der Realschule Stadtmitte in dieser Woche die Juniorwahl zur Europawahl durch. Bei dem Projekt werden Landtags-, Bundestags- und Europawahlen für Jugendliche an ausgewählten weiterführenden Schulen in ganz Deutschland simuliert. Für die aktuelle Europawahl machen knapp 6000 Schulen mit, die Realschule Stadtmitte ist laut dem stellvertretenden Schulleiter Jens Dübbert zum ersten Mal dabei.

Die Realschule Stadtmitte in Mülheim ist eine von bundesweit 6000 Schulen, die an der Wahlsimulation teilnimmt.
Die Realschule Stadtmitte in Mülheim ist eine von bundesweit 6000 Schulen, die an der Wahlsimulation teilnimmt. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Mülheimer Schüler wählen auf Original-Stimmzetteln

Es ist aber nicht einfach eine abgespeckte Version der „echten“ Europawahl. Die Schüler statten einen Raum der Schule als Wahllokal mit Registrierungs-Tischen, Wahlkabinen und Urne aus, nutzen Klassenlisten als Wählerlisten und stellen eigenhändig Wahlbenachrichtigungen aus, die sie am Wahltermin auch kontrollieren, bevor sie die Stimmzettel aushändigen. Die sind übrigens original: Es sind genau dieselben großen, blauen Papiere, die auch am Sonntag den Wählerinnen und Wählern ausgehändigt werden. Alles soll möglichst authentisch sein.

Die Schüler Alaaddin Kazan, Marie Fein, Sebastian Cebulla, und Mohamed Dakoure (v.l.), bei „ihrer“ Europawahl im Klassenraum.
Die Schüler Alaaddin Kazan, Marie Fein, Sebastian Cebulla, und Mohamed Dakoure (v.l.), bei „ihrer“ Europawahl im Klassenraum. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Das nimmt die Unsicherheit, wenn die Schüler dann in einigen Jahren tatsächlich Erstwähler sind“, erklärt Kundt. Alle siebten bis zehnten Klassen sind an der Realschule Stadtmitte nun zur Wahl aufgerufen. Für alle Klassen gab es Kopiervorlagen, damit sie sich vorab mit der Europawahl, den Parteien und ihren Inhalten auseinandersetzen konnten.

Mülheimer Jugendliche informieren sich längst nicht nur auf Social Media

Doch haben die Schüler das genutzt, um sich zu informieren? Oder haben junge Menschen ganz andere Quellen? Welche Themen sind es, die die Jugendlichen dabei abholen und von denen sie ihre Wahlentscheidung abhängig machen? Das sagen die Neuntklässlerinnen aus dem Sozialwissenschaftskurs und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler der 9d:

Sebastian Cebulla

Sebastian Cebulla
Sebastian Cebulla © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„In meiner Familie ist Politik ein großes Thema, besonders mein Opa spricht viel mit mir darüber. Daher hatte ich schon eigene Vorstellungen, aber ich habe sie noch mit dem Wahl-O-Mat überprüft.“

Zukunftsthemen beschäftigen die Neuntklässler: Frieden, Umwelt, Frauenrechte – und natürlich Schule

Amuewosa Eboigbe

Amuewosa Eboigbe
Amuewosa Eboigbe © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Den Wahl-O-Mat habe ich, glaube ich, zuletzt in der fünften Klasse gemacht. Ich schaue jetzt einfach auf TikTok oder Instagram. Dabei ist mir natürlich wichtig, ob die Parteien etwas umsetzen wollen, das mir gefällt. Ich achte darauf, ob sie angegriffene Länder bei Kriegen unterstützen möchten, auch indem sie Waffen dorthin senden.“

Marie Fein

„Meine Freundinnen und ich haben uns vor der Wahl viel darüber unterhalten und ich habe etwas Nachrichten gelesen, im „Spiegel“, den meine Eltern bekommen. Auf Instagram bekomme ich auch manchmal politische Inhalte angezeigt, aber dann frage ich meine Eltern, ob das überhaupt stimmt. Ich werde wählen, was meinen Wünschen am nächsten kommt, nämlich saubere Schulen, mehr Lehrer und Förderung für den Sport.“

„Man hört immer nur von den großen Parteien“

Alaaddin Kazan

„Ich finde es entscheidend, dass sich die technische Ausstattung der Schulen verbessert. Darum habe ich geschaut, welche Parteien sich für Bildung einsetzen und zusätzlich die Parteiprogramme von SPD und Der Partei gelesen.“

Mohamed Dakoure

Mohamed Dakoure
Mohamed Dakoure © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Als Kind musste ich selbst flüchten und bin so nach Deutschland gekommen. Deswegen finde ich Friedenssicherung sehr wichtig und habe mich auch damit beschäftigt, wie die verschiedenen Parteien mit Flüchtlingen in Deutschland und Europa umgehen wollen. Man hört immer nur von den großen Parteien, jetzt weiß ich, dass es noch viele andere gibt, die eigene Positionen haben.“

Realschule Stadtmitte Mülheim will bei nächster Juniorwahl wieder dabei sein

Elisabeth Germann

Elisabeth Germann
Elisabeth Germann © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Die meisten Werbungen, die ich sehe, finde ich nicht ansprechend oder überzeugend. Durch den Wahl-O-Mat habe ich schon eine Tendenz, wo ich mein Kreuz setzen werde. Aber ich glaube, definitiv entscheide ich mich spontan. Wichtig sind mir auf jeden Fall die Themen Umwelt und Frauenrechte, weil das für meine Zukunft eine Rolle spielt.“

Mülheimer Schule erhält ihre eigenen Wahlergebnisse

Das Ergebnis der Juniorwahl an der Realschule Stadtmitte wird ebenfalls der Sozialwissenschaftskurs mit Tim Kundt auswerten und an die Organisatoren in Berlin übermitteln. Die Gesamtergebnisse werden am Abend der Europawahl bekannt gegeben. Am Montagmorgen wird daher das Projekt Juniorwahl auch an der Realschule Stadtmitte noch nicht beendet sein. Dann heißt es Ergebnisse von Juniorwahl und Europawahl vergleichen und diskutieren.

Die Lehrer Tim Kundt (l.) und Jens Dübbert begleiten die Wahl an ihrer Schule.
Die Lehrer Tim Kundt (l.) und Jens Dübbert begleiten die Wahl an ihrer Schule. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Zufrieden sind alle Beteiligten aber unabhängig vom Ergebnis schon jetzt. „Die Schüler haben das sehr selbstständig organisiert und auch das Feedback der anderen ist toll. Wir würden bei der nächsten Wahl gerne wieder mitmachen“, sagt Jens Dübbert.

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