Mülheim. Beim Frühjahrsempfang der Mülheimer CDU wurde der Europawahlkampf eingeläutet. Welche Sorgen der Abgeordnete und Kandidat Dennis Radtke äußerte.
Dennis Radtke war am Donnerstagabend ein gefragter Mann in der Mülheimer Stadthalle. Viele Besucherinnen und Besucher des Frühlingsempfangs der CDU Mülheim wollten dem Europa-Abgeordneten aus Bochum nach einer lebendigen Rede die Hand schütteln oder sich bei ihm bedanken. Mülheims Europawahlkampf ist im Hinblick auf den 9. Juni eröffnet.
Nach sieben Jahren im EU-Parlament weiß der 44-Jährige zu genau, dass die Europawahl für die meisten Menschen in Deutschland wohl den geringsten Stellenwert hat. „Das ist so. Und das Problem ist auch, dass die Klischees über Europa immer wieder befeuert werden“, meinte der Politiker im Gespräch mit dieser Redaktion.
„Landtags- und Bundestagsabgeordnete müssen sich an die Nase fassen“
Da könne sich auch mancher Landtags- und Bundestagsabgeordnete oder Lokalpolitiker unabhängig von der Parteizugehörigkeit an die Nase fassen. „Wenn irgendwas nicht läuft, kommt schnell der Reflex: Das kommt alles wieder aus Brüssel“, so Radtke.
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Dabei habe die Arbeit von ihm und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern durchaus Einfluss auf lokale Herausforderungen. Zum Beispiel beim Thema Vallourec. „Die Frage, wie es mit Industriearbeitsplätzen weitergeht, wird nicht hier im Stadtrat entschieden oder im Landtag, sondern bei uns. Die fehlenden Weichenstellungen in Berlin treffen die deutsche Industrie ins Mark. Das ist schon eine Brücke, die man direkt hier vor Ort sehen kann“, betont der Bochumer.
Fördermittel fließen aus der EU ins Ruhrgebiet
Außerdem fließen immer wieder Fördermittel der EU ins Ruhrgebiet. „Ich habe in Bochum mal eine Fördermittel-Tour organisiert, um den Menschen transparent zu machen, dass auch vor Ort etwas ankommt“, berichtete Radtke. Solche Ortstermine seien bisweilen aber auch schwierig, schließlich gibt es nur 96 EU-Abgeordnete aller Parteien aus Deutschland. „Ich bin für das ganze Ruhrgebiet zuständig, für 54 Kommunen und Gemeinden, für 14 CDU-Kreisverbände, das ist gigantisch“, findet der Unionspolitiker.
Bei 40 Wochen parlamentarischer Arbeit bleibe nur wenig Zeit, um das Ruhrgebiet zu bereisen. „Deswegen ist Europa für viele unsichtbar, weil die Leute sagen: Das ist doch unser Abgeordneter, aber wo ist der denn?“
Worin sich Brüssel und Berlin, Düsseldorf oder Mülheim fundamental unterscheiden
Schätzen gelernt hat er in sieben Jahren in Brüssel aber, dass die Art und Weise der Politik sich fundamental von nationalen Parlamenten unterscheide, „weil Sie diese Trennung zwischen Regierungsparteien und Opposition nicht haben. Der Streit im Parlament orientiert sich eher an der Sachfrage“, so der 44-Jährige, der das gleichzeitig nicht als Kritik an nationaler Politik verstanden wissen möchte. „Sie können die Systematik nicht vergleichen, eine Regierung muss immer eine Mehrheit haben, sonst ist sie am Ende.“
In seiner Rede hatte Radtke zuvor die Sorge geschildert, dass genau diese Systeme bei vielen Menschen offenbar an Bedeutung verlieren. Einer Allensbach-Umfrage zufolge gibt es einen historischen Niedrigwert bei der Akzeptanz von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft. „Aber nach welchen Regeln wollen wir denn dann unser Gemeinwesen organisieren? Wir sind doch kein Indianerstamm“, meinte Radtke.
Welche Methoden Radtke in der politischen Auseinandersetzung nicht akzeptieren will
Sich einen Wechsel zu wünschen, gleich ob in Berlin oder Brüssel, sei legitim. „Aber das ist doch etwas ganz anderes, als sich von diesem System zu verabschieden.“
Dies führe aber auch dazu, dass der Politik Hass und Hetze entgegenschlage. „Sogar Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker, die sich ehrenamtlich für ihre Stadt einsetzen, werden psychisch und physisch unter Druck gesetzt. Das sind keine Methoden, die wir heute in der politischen Auseinandersetzung akzeptieren dürfen“, rief der Bochumer den Mülheimerinnen und Mülheimern zu.
„Man darf nicht mehr seine Meinung sagen? Blödsinn!“
Dabei wolle er niemandem seine Kritik oder Meinung verbieten. „Dass man mundtot gemacht wird oder seine Meinung nicht mehr sagen darf, ist Blödsinn!“ Gleichwohl müsse auch die Politik anfangen, die Argumente der politischen Gegner ernst zu nehmen. Bei aller Verwunderung über Putin oder Trump: „Die Dinge, die zum Ukraine-Krieg geführt haben, lagen auf dem Tisch wie ein aufgeklapptes Buch, aber wir wollten das nicht wahrhaben und jetzt haben wir den Salat.“
Die Parteien der politischen Mitte müssten die Zeit bis zur Europawahl nutzen, um die Unterschiede gegenüber der AfD oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht deutlich zu machen. Der Wahlkampf ist eröffnet. Am kommenden Freitag legt die SPD mit ihrem Europa-Empfang nach.
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