Mülheim. Schulleitungen jubeln: „Das ist eine riesige Chance.“ Was ein neues Förderprogramm für Mülheims Kinder, Teenager und junge Erwachsene bedeutet.
Ein Satz fällt im Gespräch mit den Mülheimer Schulleitungen immer wieder: „Wir freuen uns riesig!“ Vier Grundschulen, drei weiterführende Schulen und ein Berufskolleg sind ausgewählt worden fürs „Startchancen“-Programm. Heißt: Ab dem kommenden Schuljahr werden sie zehn Jahre lang mannigfach unterstützt. So stehen laut Schuldezernent David Lüngen voraussichtlich allein 100.000 Euro pro Jahr und Schule für Investitionen in Gebäude, Schulhof oder Mobiliar bereit. Er spricht vom „größten bildungspolitischen Programm Deutschlands seit Jahrzehnten“.
Die Internetseite des Düsseldorfer Schulministeriums bringt es auf den Punkt: Es geht um Förderung „sozioökonomisch benachteiligter Schülerinnen und Schüler“, um Chancengerechtigkeit. Noch immer sei es schließlich so, dass Bildungserfolg stark von sozialer Herkunft abhängt. Bund und Länder wollen das gemeinsam ändern: Und so fließen laut Ministerium im kommenden Jahrzehnt rund 2,3 Milliarden Euro vom Bund nach NRW. Das Land investiert noch einmal in ähnlicher Größenordnung. Und auch die Kommunen werden beteiligt.
Alle Mülheimer Grundschulen der Indexstufen sechs, sieben, acht und neun konnten sich bewerben
Der jüngst neu aufgelegte Schulsozialindex war maßgeblich für die Auswahl der konkreten Schulen. Er gibt Auskunft darüber, welche Schulen mit besonders großen sozialen Herausforderungen klarkommen müssen. So konnten sich alle Mülheimer Grundschulen der Indexstufen sechs, sieben, acht und neun bewerben, berichtet Schulamtsdirektorin Heike Freitag. Gefördert werden nun die Brüder Grimm Schule aus Styrum, die Pestalozzi-Schule aus Broich, die Erich-Kästner-Schule aus Dümpten sowie die Grundschule am Dichterviertel aus Stadtmitte. Ab 2025/26 kommen eventuell die GGS Styrum, die GGS Zunftmeisterstraße, die Martin-von-Tours-Schule und die Astrid Lindgren-Schule hinzu.
Auch die Gesamtschule Saarn, die Realschule Stadtmitte, die Hauptschule am Hexbachtal und das Berufskolleg Lehnerstraße profitieren zum kommenden Schuljahr vom „Startchancen“-Projekt.
Mülheimer Schulleiterin: „Unsere Kinder haben einfach nicht die gleichen Chancen wie andere“
Uta Lang, Leiterin der Erich-Kästner-Schule mit 340 Jungen und Mädchen - darunter zwei Klassen der Ruhrstadtschule -, freut sich unbändig für ihre Kinder: „Weil sie einfach nicht die gleichen Chancen haben wie andere. Und weil man diese Ungleichheit einfach ausgleichen muss, zum Beispiel durch zusätzliche Lernförderung, bessere Ausstattung und individuelle Materialien.“ Sie hofft, dass ihre Schule durch die Förderung auch in puncto Digitalisierung einen Satz nach vorne macht. Noch sei völlig unklar, welche Unterstützung kommt: „Wir wissen bislang nur, was im Internet steht.“
Zu lesen ist dort unter anderem, dass das Programm auf drei Finanzierungssäulen fußt, es jeweils ein Budget für Investitionen, für Chancen und für Personal gibt. Unter Punkt eins falle „eine lernförderliche Ausstattung“; laut Lüngen stehen dafür besagte 100.000 Euro pro Standort bereit. Man erhalte die Summe als Gesamtbudget, müsse als Kommune zudem 30 Prozent Eigenanteil leisten. „Als Stadt profitieren wir trotzdem davon.“
Dezernent hofft auf finanzielle Unterstützung für das zu erwartende Mehr an Verwaltungsarbeit
Säule zwei umfasst unter anderem pädagogische Beratung. Laut Dezernent Lüngen fallen darunter aber auch soziale Projekte, „wie damals beim Programm ,Aufholen nach Corona‘“. Da dies voraussichtlich ein Mehr an Verwaltungsarbeit vor Ort bedeute, hofft der Dezernent darauf, dass auch der Schulträger, also die Stadt, begünstigt wird. Und was macht Säule drei aus? „Da geht es vor allem um den Aufbau multiprofessioneller Teams, also etwa um zusätzliche Schulsozialarbeiter und Sozialpädagogen“, weiß Lüngen.
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Julia Friedrichs, Chefin der Pestalozzi-Schule, an der der Migrationsanteil 80 Prozent beträgt, hat noch keine Vorstellung davon, „was letztlich an Geld ankommt“. Doch Ideen für ihre rund 280 Jungen und Mädchen, zu denen 30 Kinder mit Förderbedarf und 50 Seiteneinsteiger gehören, hat sie etliche. Sie würde gern „Lernnischen“ einrichten, gemütliche Ecken außerhalb der Klassenzimmer. Das Grüne Klassenzimmer im Schulgarten könnte ausgebaut werden. Und das Kollegium könnte weitere tolle Dinge einführen wie den „Lozzi“, damit die Kinder lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu tragen. Einen „Lozzi“ nämlich erhält, wer sich zehn Tage lang gut benommen hat. Am schulinternen Kiosk gibt es dafür dann Kleinigkeiten wie Bleistifte oder Radiergummi.
Schulleiterin setzt erneut auf „intensive Zusammenarbeit mit dem städtischen Bildungsbüro“
Verena Wettmann, die Mülheims einzige Hauptschule leitet, lobt das „große Potenzial“ der Förderung. Sie sei „voll Fantasie und Kreativität“, doch es sei wohl richtig, erst mal die finanziellen und inhaltlichen Vorgaben abzuwarten. Das Mülheimer Bildungsbüro werde sicher dabei helfen, das Geld sinnvoll anzulegen: „Ich freue mich auf eine intensive Zusammenarbeit. Die hat sich in der Vergangenheit schon bewährt.“
Auch an der Gesamtschule Saarn ist man überwältigt von der Nachricht aus Düsseldorf: „Das ist eine riesige Chance für uns“, so Schulleiterin Claudia Büllesbach. „Durch das Projekt können wir die Basiskompetenzen stärken, Deutsch, Mathe, soziales Lernen. Und die berufliche Bildung stärker unterstützen.“ Um Ausbildung und Co., um junge Menschen auf dem Sprung in die Berufstätigkeit, geht es auch am nahen Berufskolleg Lehnerstraße: „Durch die Förderung können wir unseren Schülern noch weiter unter die Arme greifen“, freut sich Leiterin Roswitha Neumann-Weber.
„Man wird schon 2024 Veränderungen an den Schulen spüren“, glaubt die Schulamtsdirektorin
Schulamtsdirektorin Freitag will alsbald Zielvereinbarungsgespräche mit den beteiligten Schulen führen. „Wir müssen genau formulieren, was am jeweiligen Standort passieren soll.“ Sie ist sicher, dass man schon 2024 Veränderungen in den Schulen sehen wird. Das Überragende an dem Projekt sei seine Langfristigkeit. „Dadurch kann man wirklich Schulentwicklung begleiten.“ Das Geld werde an richtiger Stelle investiert, glaubt sie: „an Schulen, die tatsächlich Bildungsbenachteiligung aushalten müssen.“
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