Mülheim. Der Klimatechnik-Hersteller will den Bereich nach Slowenien auslagern - aus Kostengründen. Mitarbeiter fühlen sich in dem Prozess alleingelassen.
Rund 150 Jobs sollen auf dem Spiel stehen, wenn die Menerga GmbH ihre Ankündigung wahr macht und die Produktion an ihrem Mülheimer Sitz schließt. Ein Mitarbeiter erhebt Vorwürfe - nicht nur in Richtung Geschäftsführung, sondern auch gegenüber dem Betriebsrat. Der Mittfünfziger spricht von großer Verunsicherung unter der Kollegen sowie hoher psychischer Belastung im Betrieb.
„Wir schaffen gutes Klima“ - dieser Unternehmens-Slogan, mit dem Besucher auf der Internetseite von Menerga empfangen werden, dürfte betriebsintern obsolet sein. Denn seit das schwedische Lüftungs- und Klimatechnikunternehmen Systemair AB bekannt gegeben hat, die Produktion der Menerga-Fabrikate in Mülheim einstellen zu wollen, hängt der Firmen-Frieden einem Mitarbeiter zufolge schief. Statt in Mülheim soll die Lüftungs- und Klimatechnik, die Menerga produziert, künftig in Slowenien hergestellt werden, im bereits bestehenden Werk der Systemair-Gruppe, zu der die 1980 in Mülheim gegründete Menerga GmbH seit 2013 gehört.
Menerga-Geschäftsführer: Vertrieb, Entwicklung sowie Service bleiben in Mülheim
Geschäftsführer Martin Schotten schildert den Vorgang um die geplante Schließung auf Anfrage folgendermaßen: „Systemair fordert die Menerga-Geschäftsführung auf, die Produktion am Standort Mülheim zur Jahresmitte 2024 aufzugeben.“ Gleichwohl bekenne Systemair sich zum Standort Mülheim, wo bislang unter anderem Lüftungsgeräte für Schwimmbäder und Nullenergie-Gebäude hergestellt werden, und wolle mit Vertrieb, Entwicklung und Konstruktion von Lüftungsgeräten sowie dem technischen Service in Mülheim bleiben.
Zur Begründung der Produktionsverlagerung heißt es von Geschäftsführer Schotten: „Menerga hat - trotz beachtenswerter Unterstützung durch den Gesellschafter, die Belegschaft und den Betriebsrat – über mehrere Jahre hinweg leider keine längerfristig belastbare Gewinnsituation erreicht.“ Als Grund für die Schließung der Produktion in Mülheim führt die Systemair-Gruppe laut Branchendienst CCI-Dialog Kosteneinsparungen an.
Seit 25 Jahren Menerga-Mirarbeiter: „Fühle mich alleingelassen in der Situation“
Einer, der seit rund 25 in dem Unternehmen tätig ist - und aus Sorge vor Benachteiligung anonym bleiben möchte-, hat die Entwicklung nach der Übernahme durch Systemair hautnah miterlebt und sagt rückblickend: „Damals haben wir gedacht: Jetzt kommen die Profis. Aber es hat sich betrieblich nichts verändert. Wir haben uns gewundert, warum die uns überhaupt aufgekauft haben“
Nach der Übernahme, so berichtet es der Mitarbeiter, seien zeitweise Kollegen aus dem Systemair-Werk in Slowenien in der Mülheimer Produktion tätig gewesen. „Die sind wohl outgesourct worden und hatten Werkverträge, aber dann gab‘s Probleme mit dem Zoll, weil etwas mit ihren Papieren nicht stimmte“, berichtet der langjährige Menerga-Angehörige und schiebt einen Gedankengang hinterher: Mit dem Wissen von heute könne man mutmaßen, dass diese Mitarbeiter Wissen erworben haben, das nun in Slowenien zum Einsatz kommen wird.
Mülheimer spricht von großer Belastung: Mitarbeiter brechen während der Arbeit zusammen
Mehrere Jahre, so sagt der Mitarbeiter, hätte die Belegschaft geahnt, dass „etwas nicht stimmt. Seit der Firmengründer gestorben ist, ging‘s mit der Firma bergab.“ Dass die Produktion nun aber ganz weggeht, sei „wie aus heiterem Himmel“ gekommen. „Das war für uns undenkbar. Wir wussten zwar, dass es nicht so gut läuft, aber es war immer nur von Auslagerung die Rede.“ Seines Wissens nach soll die Produktion im Sommer stillstehen. Dabei, sagt der Hinweisgeber: „Wir haben beste Auftragsbücher.“
Nicht erst jetzt, seit Bekanntwerden der Produktionsschließung, sei die Verunsicherung in der Belegschaft groß, sagt der Mitarbeiter. Er spricht von 150 Kollegen, die von der Schließung betroffen seien. Mancher sei mitten bei der Arbeit zusammengebrochen, habe der immensen psychischen Belastung nicht mehr standhalten können, erzählt der Mitarbeiter, der davon spricht, dass er sich in der aktuellen Situation alleingelassen fühle. Nicht nur von der Geschäftsführung sei nichts zu erfahren, „auch der Betriebsrat schweigt“.
Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, schildert der Menerga-Geschäftsführer: „Unmittelbar nach dieser schwerwiegenden Entscheidung haben wir den Betriebsrat und die Belegschaft vor Ort informiert. Mit der Nachricht über diese Entscheidung haben wir die Mitarbeitenden auch bereits darüber informiert, dass wir betriebsbedingte Kündigungen vermeiden und entsprechende Instrumente wie eine Transfergesellschaft untersuchen wollen.“
Mitarbeiter: „Menerga scheint sich einen schlanken Fuß zu machen.“
Davon, dass eine Transfergesellschaft gegründet werden soll, habe er auf einer Mitarbeiterversammlung Anfang März erfahren, berichtet der Menerga-Mitarbeiter. „Genaueres wissen wir aber noch nicht“, sagt der Mittfünfziger und meint: „Menerga scheint sich einen schlanken Fuß zu machen.“ Denn, so die Interpretation des Mannes: „Sie scheinen keine Abfindung zahlen zu wollen und alleine auf die Transfergesellschaft setzen zu wollen. So ist das bislang rübergekommen.“
Droht Stellenabbau, zumal in großem Umfang, ist in der Regel die Gewerkschaft informiert und involviert. Nicht so allerdings im Fall Menerga. „Wir wissen nicht viel und sind nicht einbezogen“, sagt die zuständige Gewerkschaftssekretärin der IG Metall, Wencke Hartjes. Einzelne Fälle, bei denen es um Aufhebungsverträge ging, habe die IG Metall begleitet - eben dann, wenn Mitglieder sich von sich aus an ihre Gewerkschaft gewendet haben. „Die Konditionen waren dann auch nach der individuellen Sicht der einzelnen Betroffenen in Ordnung“, sagt die Gewerkschaftssekretärin.
IG Metall zum Fall Menerga: „Ungewöhnlich, dass unsere Hilfe nicht angenommen wird“
Das Unternehmen aber scheine im Gros nicht gewerkschaftlich organisiert zu sein. „Wir haben jahrelang versucht, Kontakt zu bekommen - vergeblich.“ Ungewöhnlich nennt die Gewerkschaftsvertreterin das Vorgehen, doch wenn die Firma nicht gewerkschaftlich organisiert ist, könne sie nicht mehr als ihre Hilfe anbieten.
Dass einzelne mit einem Interessensausgleich schon gegangen sind, hat auch der Mitarbeiter verfolgt: „Das waren eher die, die nicht mehr gebraucht wurden. Aber die Leute, die noch gebraucht werden, sind jetzt noch da, kriegen aber wahrscheinlich schlechtere Konditionen.“
Hoher Altersdurchschnitt - und damit keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt?
Mancher scheint angesichts der Tragweite eines sehr wahrscheinlichen Jobverlusts in Schockstarre auszuharren wie das Kaninchen vor der Schlange. Keiner der Kollegen, die der Mitarbeiter angesprochen hat, damit auch sie ihre Sicht der Dinge mit der Presse teilen, war bereit zu einem Gespräch mit dieser Redaktion. Auch der Menerga-Betriebsrat hat auf Anfragen dieser Redaktion nicht reagiert.
„Wir haben einen hohen Altersdurchschnitt in der Produktion, um die 50 Jahre“, ordnet der Hinweisgeber ein. Überdies seien die Tätigkeiten sehr spezialisiert, Schlosser ebenso wie Elektriker arbeiteten seit Jahren nur an den Klimageräten nach Menerga-Art - von jetzt auf gleich sei man damit wohl nirgends anders einfach einzusetzen. Für sich selber sieht er ohnehin keinerlei Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt, sagt der Mittfünfziger: „Auch nicht in der Transfergesellschaft. Ich will lieber eine Abfindung haben.“
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