Mülheim. Ruhrbahn-Chef Michael Feller muss Macht abgeben: Ein Arbeitsdirektor und ein Manager sollen den Verkehrsbetrieb in die Zukunft führen.

Ein verkorkster Neustart beim Nahverkehr, Ärger beim Schulbusverkehr, Busausfälle, hohe Krankenstände, immer wieder Nachbesserungen, schleppender Ausbau der Mobilitätsstationen, eine desaströse Kommunikation nach außen - das vergangene Jahr stand für die Ruhrbahn in Mülheim im Zeichen von Pannen und Organisationsversagen. Der Eindruck und die Kritik auch der Politik: Die Ruhrbahn kann es nicht. Jetzt hat ihr Aufsichtsrat die Notbremse gezogen und gleich zwei neue Stellen im Vorstand beschlossen, die der Geschäftsführung beistehen sollen. Ob das die Wende für den Nahverkehr und Zufriedenheit bei den Kunden bringt?

Am besten schon zum Sommer soll es einen neuen Arbeitsdirektor sowie einen Sprecher oder eine Sprecherin der Geschäftsführung geben. Seit Uwe Bonan nach zweifelhaften Handy-Fotos seinen Hut im Verkehrsbetrieb nehmen musste, füllte Geschäftsführer Michael Feller diese Jobs zusätzlich aus. Der Arbeitsdirektor - eigentlich hätte man ihn längst wieder besetzen können, da er im Mitbestimmungsgesetz für den Betrieb mit seinen rund 2500 Mitarbeitenden verankert ist - soll den offenkundigen Spalt im Personal der 2017 fusionierten Evag und MVG kitten.

Wie lässt sich der Riss im Verkehrsbetrieb zwischen Mülheim und Essen kitten?

Aber es fehlt nicht nur an Gemeinschaftsgefühl und Zufriedenheit im Unternehmen, sondern auch weiterhin an Personalressourcen, konkret Fahrern und Ingenieuren, die die von den Kommunen Mülheim und Essen geforderte Verkehrswende auch planen und anschließend umsetzen können. „Wir müssen um Fahrer werben, die für den Schichtdienst bereit sind, wir stehen auch bei den Ingenieuren im harten Wettbewerb, wir müssen intern weiterbilden“, greift Hendrik Dönnebrink, Geschäftsführer der städtischen Beteiligungsholding (BHM), die notwendigen Herausforderungen auf.

Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller wird das Unternehmen künftig mit zwei weiteren Chefs gemeinsam leiten müssen.
Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller wird das Unternehmen künftig mit zwei weiteren Chefs gemeinsam leiten müssen. © Mülheim | Martin Möller

So deuten sich weitere Umstrukturierungsprozesse in der Ruhrbahn auch auf mittlerer Ebene in den kommenden Jahren an, die ein Arbeitsdirektor angehen müsste. Denn dass es an der Planung und Durchführung erheblich mangelt, konnten die Mülheimer seit August 2023 im Nahverkehr hautnah mitbekommen. Die Mängel führten sogar dazu, dass plötzlich die Politik einen Arbeitskreis gründete, weil sie dem Können des Verkehrsbetriebs und der Stadt nicht mehr vertraute, die Missstände zu beheben.

Ist die Ruhrbahn der Zukunft gewachsen? Auf Mülheim und Essen kommen hohe Investitionen zu

Als weitere Position soll ein Sprecher oder auch eine Sprecherin der Geschäftsführung die Kommunikation nach Außen verbessern. Doch entscheidender ist, dass sich der Aufsichtsrat - eingeschlossen der beiden Städte - mit ihm eine Strategie für die Verkehrswende und die dafür notwendigen Investitionen erhofft. Es ist also im Kern eine Manager-Stelle. Wenigstens 1,5 Milliarden Euro soll die Ruhrbahn dafür in den kommenden zehn Jahren benötigen, denn es müssen unter anderem ein neuer Betriebshof gebaut, Stellwerke erneuert und die Busse auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet werden. „Das Investitionsprogramm ist mit einer erheblichen Zunahme der Steuerungsaufgaben seitens der Geschäftsführung verbunden“, heißt es vom Aufsichtsratsvorsitzenden Beul.

So kam der Druck, die organisatorischen wie strategischen Aufgaben aus den Händen der bisherigen Geschäftsführung in neue Hände legen, aus Mülheim, wo man den Nahverkehr dringend benötigt, um das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität 2035 erreichen zu können. Aber eben auch aus Essen, wo Kämmerer Gerhard Grabenkamp gerade ein tiefes Finanzloch von 50 Millionen Euro bei dem Verkehrsbetrieb stopfen muss. Er setzt nun hohe Erwartungen in die neue strategische Stelle, finanzierbare umweltfreundliche Verkehrsangebote zu entwickeln.

Hat die Ruhrbahn genügend Impulse für die Verkehrswende entwickelt? Erst im September 2023 eröffnete die erste Mobilstation in Mülheim.
Hat die Ruhrbahn genügend Impulse für die Verkehrswende entwickelt? Erst im September 2023 eröffnete die erste Mobilstation in Mülheim. © Mülheim | Martin Möller

Was kosten zukünftig drei Spitzen in der Ruhrbahn?

Die Sorge um Kostenexplosionen beim Nahverkehr teilt auch die Mülheimer Politik, wo nicht nur die Energiekosten das aktuelle Mülheimer Deckungsdefizit von 33 Millionen Euro schnell auf 40 bis 45 Millionen steigen lassen könnten. So hoffen beide Städte darauf, dass die beiden neu zu schaffenden Stellen auch die Kostensteigerungen einfangen können.

Erst einmal jedoch werden sie etwas kosten. 285.000 Euro jährlich beansprucht die Geschäftsführung bislang, der Arbeitsdirektor und auch ein Sprecher würden ähnlich hoch zu kalkulieren sein. Noch aber gibt es nicht einmal eine Ausschreibung, so dass über Kosten nur zu spekulieren ist. Der Aufsichtsrat hat zwei Findungskommissionen mit der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten beauftragt.

„Wir haben noch keinen im Blick“, sagt Essens Kämmerer Grabenkamp. Klar ist wohl nur, dass der Sprecher oder Manager von außerhalb des Verkehrsbetriebs kommen soll. Und ein weiteres Signal will der Aufsichtsrat gesendet wissen: „Es geht nicht gegen Herrn Feller“, unterstreicht Grabenkamp. Fellers Vertrag müsste dem Vernehmen nach in anderthalb Jahren, Ende 2025, verlängert werden, die Entscheidung soll aber in diesem Jahr gefällt werden. Dennoch wird sein Bereich damit eingeschränkt, denn Feller soll künftig nur noch für das Rechnungswesen und Controlling zuständig sein.

Teil der Opposition begrüßt die Entscheidungen im Aufsichtsrat

Aus Sicht zumindest einer Mülheimer Opposition gibt es an den neuen Plänen nur wenig zu kritisieren. Man begrüße den Schritt, den Arbeitsdirektor wieder einzurichten: „Ich fühle mich in der Sache durchaus bestätigt, dass die anstehenden Aufgaben so groß und komplex sind, dass man sie nicht mit einer Person in der Geschäftsführung erfüllen kann“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Daniel Mühlenfeld, der damals der vorübergehenden Einsparung des Arbeitsdirektors mit dem Ausscheiden Uwe Bonans nur widerwillig zugestimmt hatte. Und hinsichtlich der Kosten kehre man so nur zur ursprünglichen Planung zurück.

Auch die neue externe Sprecher-Stelle kann Mühlenfeld „nur begrüßen. Ich finde die Entscheidung des Aufsichtsrats logisch und überzeugend. Das war schon damals zur Fusion eine Überlegung gewesen. Es braucht einen Impuls von außen, um die Themen im Unternehmen in Bewegung zu bringen.“

Mülheim und die Ruhrbahn: So liefen die Debatten

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