Mülheim. Wohnen, Mobilität, Mitbestimmung: Welche Aspekte für Mülheims Seniorinnen und Senioren künftig besonders wichtig werden.
Wie sollen ältere und pflegebedürftige Menschen zukünftig in Mülheim leben? Vor welche besonderen Herausforderungen wird die Stadt durch die Ältesten der Gesellschaft gestellt. Antworten gibt es in der „kommunalen Planung für Alter und Pflege“, die erstmals seit dem Ende der Pandemie wieder herausgegeben wurde.
Von den 175.133 Einwohnerinnen und Einwohnern Mülheims (Stand 31. Dezember) sind 54.500 über 60 Jahre alt, davon allein 21.300 schon 75 oder älter. Der Anteil an der Bevölkerung wird in den nächsten Jahren noch steigen, da die sogenannte Babyboomer-Generation ins Rentenalter kommt.
Welche Herausforderungen Mülheim in Zukunft stärker berücksichtigen will
Kommunen müssen also ihre Planungen für die betroffenen Generationen regelmäßig überdenken. „Gelingende Lebensbedingungen in Mülheim“ ist der Titel der jüngsten Ausarbeitung, die von der Stabsstelle Sozialplanung und Statistik herausgegeben wurde. Sie kommt zu der Erkenntnis, dass sich zwar die Bedarfe rein nach Zahlen betrachtet seit 2019 kaum verändert haben, wohl aber die Wahrnehmung der Lebenslagen. Die psychosoziale Lage der älteren Bevölkerung und ihre gesundheitliche Verfassung, die Erscheinungen und Auswirkungen von Altersarmut und die mangelnde Teilhabe durch Ausschluss aus einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft werden künftig noch stärker in den Fokus genommen.
Welche Wohnformen in Mülheim gefragt sind
Wie wollen Seniorinnen und Senioren künftig leben? Im Rahmen einer Untersuchung der Forschungsgesellschaft für Gerontologie wurden 2500 Einwohnerinnen und Einwohner befragt. 58 Prozent gaben an, sich grundsätzlich den Umzug in ein betreutes Wohnangebot vorstellen zu können, 54 Prozent wählten seniorengerechte und barrierefreie Wohnungen. Mehrgenerationenprojekte landeten immerhin noch bei 33 Prozent. Da die Befragung aber Diskrepanzen gegenüber persönlichen Gesprächen ergab, will die Stadt die Sozialplanung zukünftig stärker als bisher als integrierte Planung mit den Fragen der Stadtentwicklung zusammen denken.
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Mülheims Wohnungsunternehmen haben sich auf den Weg gemacht, Unterstützungsleistungen für ihre Bewohnerinnen und Bewohner zur Verfügung zu stellen bzw. vermitteln zu können. Die gute Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, der Selbsthilfe und der Stadt ist ein wichtiger Beitrag in der kommunalen Daseinsvorsorge und soll ausgebaut werden.
Pflegende Angehörige: Bald eine eigene Patientengruppe?
Pflegende Angehörige gelten mittlerweile als eigene Patientengruppe und sollen von Hausärztinnen und Hausärzten künftig noch stärker in den Blick genommen werden. Schließlich fühlen sich laut einer Befragung 72 Prozent durch die Pflege psychisch belastet. Ein bestehendes Informations- und Beratungsangebot für pflegende Angehörige soll deutlich bekannter gemacht werden.
Mitbestimmung: Worauf Mülheim künftig setzen will
Prof. Dr. Thomas Klie, einer der renommiertesten Altersforscher Deutschlands, gab den Kommunen bei der Jahresfachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenbüros mit auf den Weg, Bürgerinnen und Bürger aktiv am Planen, Erstellen und Bereitstellen öffentlicher Leistungen und Infrastrukturen zu beteiligen. Ziel und Schwerpunkt der Arbeit in den Stadtteilen müsse es auch künftig sein, die Beteiligung der Menschen so zu ermöglichen, dass sie mit ihren Vorstellungen eines guten Lebens im Alter gehört werden und es ihnen ermöglicht wird, über das Schaffen von Begegnung, insbesondere, die Faktoren Sicherheit, Mobilität, Versorgung und Information in den Blick zu nehmen.
Begegnungsstätten in Mülheim: Konzeptionelle Weiterentwicklung geplant
Eine solche Teilhabe gelingt zum Beispiel durch Begegnungsstätten, die in fast allen neuen Wohnquartieren entstehen. Deren Austausch und Kooperation soll verstärkt werden. Eine konzeptionelle Weiterentwicklung stockte durch Corona, wird aber durch die Arbeitsgemeinschaft der Begegnungsstätten nun reaktiviert.
Seelische Gesundheit seit der Pandemie besonders im Fokus
Spätestens mit der Pandemie rückte die psychosoziale Situation älterer Menschen stärker in den Fokus. Als Folge wurde von der Landesregierung die Landesinitiative Ältere beim Landeszentrum für Gesundheit eingerichtet. Die Stadt Mülheim war über eine enge Kooperation an der Entwicklung von Handlungsempfehlungen beteiligt. Zudem hat sich eine Arbeitsgruppe mit 15 bis 20 Expertinnen und Experten gegründet. Noch im ersten Halbjahr soll ein Fachtag stattfinden.
Mobilität: Klare Kritik an der Nahverkehrsplanung
Hinsichtlich der Mobilitätsförderung sind aus Sicht der Sozialplaner in den vergangenen Jahren in Mülheim keine nennenswerten Fortschritte erzielt worden. Im Gegenteil: Die Anpassung des Nahverkehrsplans brachte in ihren Augen keine Vorteile für mobilitätseingeschränkte Menschen: „Haltestellen fielen weg und Linien wurden eingestellt.“ Defekte Aufzüge und nicht funktionierende Rolltreppen kämen hinzu.
Information & Digitalisierung: Wie Mülheim niemanden ausschließen will
Für viele Seniorinnen und Senioren stehen die Tageszeitung und die kostenlose Wochenzeitung weiterhin an erster Stelle der Informationsquellen. Die Nachfrage nach Smartphone-Kursen in den Begegnungsstätten nimmt zwar zu, letztendlich kommen die Sozialplaner aber dennoch zum Schluss, dass Antragstellungen, das Postwesen, der ÖPNV, Erledigungen bei Behörden oder die Wahrnehmung von Bürgerinteressen nach wie vor durch eine „analoge“ und bedienungsfreundliche Handhabung ermöglicht werden müssen. Es widerspreche jedem Inklusionsgedanken, „Menschen von der Teilhabe deswegen auszuschließen, weil sie sich nicht mit digitalen Medien auskennen oder nicht über diese verfügen.“
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