Mülheim. Der neue Kalender kombiniert historische und aktuelle Fotos. Fritz Heckmann hat den Wandel Mülheims erlebt. Als man mit 20 Pfennig noch weit kam.
Die meisten Menschen, die den Styrumer Kalender betrachten, blicken bei den historischen Aufnahmen in Zeiten, die sie selbst nicht erlebt haben. Ganz anders ist es für Fritz Heckmann. Stolze 100 Jahre ist der Mülheimer alt. Als er geboren wurde, war der im gesamten Stadtgebiet bekannte Bahnhof Styrum – heute markant in Terrakotta gestrichen – gerade einmal 14 Jahre alt.
Im Styrumer Kalender ist nun eine Collage zu sehen, die eine historische und eine aktuelle Ansicht des Bahnhofs kombiniert. „Mir ging es darum, eine Brücke zwischen der Styrumer Vergangenheit und der Styrumer Gegenwart zu schlagen“, erklärt Ulrike Nottebohm. Die ehemalige Co-Chefin der Styrumer Feldmannstiftung hat den Kalender des Styrumer Geschichtsgesprächskreises auch in diesem Jahr wieder zusammengestellt. Fritz Heckmann liefert lebendige Erinnerungen dazu.
Als die Bahnfahrt in Mülheim nur 20 Pfennig kostete
„Vom Bahnhof Styrum bin ich früher oft mit der Ruhrtalbahn nach Kettwig und nach Saarn gefahren“, erzählt er. Er sieht noch die alten Straßenbahnwagen vor sich, in denen man damals auf Holzbänken saß und seine Fahrkarte vom Schaffner abgeknipst bekam. Auch eine Erinnerung: Die Straßenbahnfahrt von Styrum in die Stadt kostete nach dem Krieg 20 Pfennige.
Als die Original-Aufnahme des Kalenderbilds 1910 entstand, lebten 40.000 Menschen in Styrum. Sie arbeiteten überwiegend bei Thyssen und im Bergbau. Damals zählten die Verkehrsbetriebe jährlich neun Millionen Fahrgäste. Zum Vergleich: Heute transportiert die Ruhrbahn jährlich 100 Millionen Fahrgäste. Diese verteilen sich aber auf drei Stadtbahn-, elf Straßenbahn- und 54 Buslinien, die durch Mülheim und Essen fahren. Dennoch war die Tram, die 1910 mit 10 km/h durch die Stadt fuhr, kein Zuschussgeschäft, sondern mit einem Jahresplus von mehr als 600.000 Mark eine kommunale Einnahmenquelle.
In den Sechzigerjahren hielten am Bahnhof Styrum täglich noch 250 Züge, stiegen jeden Tag 15.000 Fahrgäste ein und aus. Fritz Heckmann ist in einer Zeit aufgewachsen, in der Mülheim noch keine Autostadt mit mehr als 90.000 Fahrzeugen war. Autos waren noch ein seltenes Luxusgut. 1928 gab es in Mülheim 1284 Kraftfahrzeuge. 30 Jahre später, das Wirtschaftswunder machte es möglich, waren es schon 15.226. Für den Bauer Roland, der in Styrum und Menden einen Hof betrieb, ist der heute Hundertjährige 1938 sogar noch mit Pferd und Wagen durch die Stadt gefahren.
Die erste Radstation NRWs gab es in Styrum
„Mein erstes eigenes Fahrzeug war ein Miele-Fahrrad, das mir mein Vater für 90 Mark gekauft hatte. Leider wurde es mir nach dem Krieg gestohlen“, erinnert sich Fritz Heckmann. Apropos Fahrrad: 1997 eröffnete am Bahnhof Styrum die erste Radstation Nordrhein-Westfalens. Aber das ist eine ganz eigene Geschichte, die uns auf ein neues Gleis führen würde.
Fritz Heckmann, der den Styrumer Geschichtsgesprächskreis 1991 mit ins Leben gerufen hat, wurde bei der Vorstellung des fünften Styrum-Kalenders zum Ehrenmitglied ernannt.
Der Kalender ist für drei Euro an den folgenden Stellen zu haben: Feldmannstiftung an der Augustastraße 108 bis 114, Buchhandlung Fehst am Löhberg, Schul- Stadtteilbücherei in der Willy-Brandt-Schule an der Oberhausener Straße, RWW-Aquarius-Wassermuseum an der Burgstraße.
Der Styrumer Gesprächskreis trifft sich am zweiten und vierten Freitag, zwischen 10 und 12 Uhr in der Feldmannvilla an der Augustastraße 108.
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