Mülheim. Bitter für Senioren und Angehörige: In Mülheim ist an manchen Tagen kein einziger Kurzzeitpflegeplatz frei. Doch bald soll es Entlastung geben.
Die Mülheimer Pflegeheime sind fast komplett belegt. Besonders schwer zu finden sind Kurzzeitpflegeplätze - etwa für Menschen, die gerade aus dem Krankenhaus kommen, deren Angehörige dringend eine Pause brauchen oder selber erkranken. Für Menschen also, die grundsätzlich noch zu Hause leben.
Die Online-Suche über den Heimfinder Nordrhein-Westfalen (heimfinder.nrw.de) des Landesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales ergibt beispielsweise am heutigen Montag: Kein einziger Kurzzeitpflegeplatz in Mülheim ist aktuell frei. Bei Einrichtungen in den Nachbarstädten Essen (zwei Plätze) oder Duisburg (sieben Plätze) könnten Betroffene anrufen können. Ist der Heimfinder, den es auch als Handy-App gibt, überhaupt eine verlässliche Anzeige?
Aktuell 158 Kurzzeitpflegeplätze in Mülheimer Heimen
Er sei zuverlässig, „soweit Plätze als frei gemeldet werden“, erklärt Saskia Kühle, Abteilungsleiterin der Mülheimer Heimaufsicht. Tägliche Meldungen an die Datenbank sind für alle stationären Einrichtungen verpflichtend und würden von der Heimaufsicht überwacht. Notfalls fordere man zur Meldung auf. Neben der Online-Suche per Heimfinder bleibe betroffenen Angehörigen wohl nur der klassische Weg, so Saskia Kühle - „telefonisch Einrichtung für Einrichtung abzufragen“.
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Insgesamt gibt es in Mülheim nach Angaben der Heimaufsicht aktuell 158 Kurzzeitpflegeplätze. Sie verteilen sich auf 17 der 19 Altenpflegeheime und sind „eingestreut“. Das bedeutet: Sie befinden sich auf den regulären Wohnbereichen oder Stationen, wo freie Betten entsprechend genutzt werden. Wenn gewünscht oder nötig, können die Pflegebedürftigen nach Einzug auch dauerhaft bleiben. Viele Altenheime haben auch Plätze, die ausschließlich für Kurzzeitpflege reserviert sind, sogenannte Fix/Flex-Plätze.
Mülheimer Angebote im Fliedner-Dorf und im EKM wieder eingestellt
Was es in Mülheim nicht gibt, ist eine Einrichtung, die ausschließlich Kurzzeitpflege anbietet. Die auch planbare Plätze hat, beispielsweise für pflegende Angehörige, die einen Urlaub buchen wollen. Zwei Anläufe wurden 2020 gestartet, während der Corona-Pandemie: Im Selbecker Fliedner-Dorf gab es zeitweise einen separaten Wohnbereich mit 20 Plätzen, und auch das Evangelische Krankenhaus Mülheim (EKM) richtete zehn Kurzzeitpflegeplätze ein. Im Rahmen eines Modellprojektes wurden dort freie Zimmer in der Augenklinik genutzt. Beide Angebote sind inzwischen jedoch wieder eingestellt.
Doch Entlastung ist in Sicht: Der Senioren-Park Carpe Diem an der Hansastraße in Mülheim-Speldorf wird um eine solitäre Kurzzeitpflege mit 20 Plätzen erweitert. Sie befindet sich in einem separaten Neubau. „Zurzeit sind noch Handwerker im Gebäude“, sagt Volker Paikert aus dem Interim-Leitungsteam des deutschlandweit tätigen Pflegeunternehmens. Auch Möbel müssten noch geliefert werden. Falls die behördliche Abnahme wie geplant erfolgt, könnte die neue Einrichtung schon Anfang März eröffnen.
Senioren-Park in Mülheim-Speldorf plant 20 neue Plätze
Bislang stehen im Mülheimer Carpe-Diem-Haus nach Angaben von Paikert acht eingestreute Kurzzeitpflegeplätze zur Verfügung plus zwei Fix/Flex-Plätze. Im neuen Wohnbereich wird auch Urlaubspflege möglich sein - sobald er eröffnet ist, können Plätze über Monate im Voraus gebucht werden. Für die Anbieter sei eine solitäre Kurzzeitpflege „finanziell schwierig abzubilden“, erläutert Volker Paikert. „Für die Betreiber ist es immer böse, wenn Leerzeiten auftreten.“ Doch die Voraussetzungen würden besser. An anderen Carpe-Diem-Standorten funktioniere das Modell bereits, und man rechne künftig auch in Mülheim mit einer guten Belegung, denn im Umkreis gebe es keine entsprechenden Angebote.
Das Problem fehlender Kurzzeitpflegeplätze betrifft nicht nur Mülheim. Das Land NRW versucht, neue Anreize zu schaffen. Dazu gehört das Modellprojekt einer Kurzzeitpflege im Krankenhaus, auf Grundlage einer Vereinbarung der NRW-Landesregierung mit den Pflegekassen und der Krankenhausgesellschaft NRW. Als landesweit erstes Haus hatte sich das Mülheimer EKM daran beteiligt, befristet auf zwei Jahre. Zehn Plätze richtete das EKM Anfang 2020 ein - in erster Linie für eigene, ältere Patientinnen und Patienten, die direkt nach der Krankenhausentlassung noch nicht mobil waren oder noch keinen ambulanten Pflegedienst beziehungsweise Heimplatz gefunden hatten.
Kurzzeitpflege im Krankenhaus: Eigene Ärzte durften selbst im Notfall nicht helfen
Zwei Jahre lang wurde das Modell erprobt, dann wieder aufgegeben. Es habe sich nur teilweise bewährt, resümiert EKM-Geschäftsführer Nils B. Krog. Die Hürden in der „sektorenübergreifenden Versorgung“ seien in der Praxis schwer zu überwinden. Krog nennt zum einen die fehlende Refinanzierung, zum anderen erhebliche Einschränkungen in organisatorischen Abläufen. Plastisches Beispiel: „Eine Ärztin oder ein Arzt unseres eigenen Krankenhauses durfte die Patientinnen und Patienten der Kurzzeitpflege nicht behandeln. Selbst bei Notfällen war es der korrekte Weg, über die 112 einen Notruf abzusetzen. Das ist in der täglichen Praxis nicht zu vermitteln.“
Der EKM-Geschäftsführer nennt aber auch positive Aspekte des Modellprojektes: „Die Nachfrage war sehr gut.“ Die Patienten kamen schneller zu einer Anschlussbehandlung. Man habe sich durchweg, auch zur Schließung der Kurzzeitpflege, mit dem NRW-Gesundheitsministerium abgestimmt, ergänzt Krog. „Sollten die Grenzen zwischen den Sektoren zukünftig fließender werden, würden wir sofort wieder Kurzzeitpflege im Krankenhaus vor Ort anbieten wollen.“
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