Mülheim. Die Tinte trocken, die Baugenehmigung erteilt: Mülheim lässt ein besonderes neues Quartier für Geflüchtete bauen. Daran hängt ein Versprechen.
Die Verträge sind gemacht, erste Arbeiter am Werk: Die Genossenschaft Mülheimer Wohnungsbau (MWB) macht sich in Kooperation mit der Stadt Mülheim daran, ein ehrgeiziges und wohl auch beispielloses Projekt zur Flüchtlingsunterbringung auf dem Areal der alten Stadtgärtnerei in Holthausen umzusetzen. Der Zeitplan ist nicht ohne Grund eng gesetzt. In 18 Monaten soll alles fertig sein.
Planungsamtsleiter Alexander Behringer und der Chef der städtischen Bauaufsicht, Axel Booß, verkündeten unlängst, dass die Baugenehmigung für das Bauprojekt auf der Gärtnerei-Brache neben dem Hauptfriedhof erteilt sei. „Wir sind happy, dass alles so geklappt hat“, sagte Booß im Gespräch mit dieser Redaktion und wohl auch mit Blick darauf, wie schnell aus der Idee etwas Spruchreifes geworden ist.
Neubau an Stadtgärtnerei ist Teil des neuen Mülheimer Konzeptes zur Flüchtlingsunterbringung
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Erst vor einem Jahr hatte die Stadtverwaltung der Politik angesichts der Prognose weiter zunehmender Flüchtlingszahlen ein neues Konzept zur Unterbringung vorgelegt. Darin war unter anderem vorgesehen, das 14.000 Quadratmeter große städtische Grundstück in Holthausen in Erbpacht an den MWB zu geben, damit die Wohnungsbaugenossenschaft dort in 18 Monaten Bauzeit Wohnungen für 500 bis 700 geflüchtete Menschen mit Bleibeperspektive schafft.
Im September dann legten Stadt und MWB ihre Planungen in aller Transparenz, bis zum letzten Ausstattungsdetail und Kostenpunkt, bei einer Bürgerinformationsveranstaltung offen. Den Bauantrag hatte der MWB da schon gestellt: Der Stadtrat machte den Weg keine zwei Wochen später frei, damit Stadt und MWB den letzten Feinschliff an den Verträgen vornehmen konnten. Im Stadtrat jüngst verkündeten OB Marc Buchholz und Sozialdezernentin Daniela Grobe nun, dass die Tinte unter die Verträge gesetzt sei, auch eine Förderzusage des Landes sei auf dem Weg.
Aus Wohnungen für Flüchtlinge soll später günstiger Wohnraum für alle werden
Schließlich soll das Projekt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zunächst sollen in den Wohnungen geflüchtete Menschen einen ersten Unterschlupf nach ihrer Ankunft in Mülheim finden. In Zukunft sollen die Häuser dank ihrer Grundstruktur mit einfachen Mitteln so umgebaut werden, dass sie nach einer Mindestlaufzeit von zehn Jahren, spätestens aber nach 20 Jahren als sozialer Wohnraum allen Mülheimerinnen und Mülheimern zur Verfügung stehen. Aus einer 63 Quadratmeter großen Wohnung etwa, die alsbald sechs Geflüchteten zur Verfügung stehen soll, könnte dann eine Zwei-Raum-Wohnung mit 63 Quadratmetern werden oder durch Hinzunahme einer weiteren Einheit eine Vier-Raum-Wohnung mit 95 Quadratmetern, die etwa für eine vierköpfige Familie mit SGB-II-Leistungsbezug als adäquat gilt. Für diese Perspektive will die Stadt noch Baurecht schaffen.
Auf dem Areal der alten Stadtgärtnerei will der MWB elf Wohnhäuser und einen Quartierspavillon für die Verwaltung und anderes errichten. So sollen 135 Wohnungen für Geflüchtete geschaffen werden. Theoretisch wäre Platz für 626 Betten. Weil die Stadt nicht wildfremde Menschen in einer Wohnung zusammenbringt, geht sie von einer realistischen Unterbringung von 470 bis 500 Geflüchteten vor Ort aus.
Abriss der alten Mülheimer Stadtgärtnerei soll schon Anfang Januar starten
Mit Blick auch auf die Zukunft plant der MWB einfache, aber moderne Bauten mit langer Lebensdauer. Die Wohnblöcke mit Südbalkonen sollen sich um einen Quartiersplatz und eine Spielstraße herum reihen. Eine Zufahrt soll es über die Zeppelinstraße (Höhe Einmündung Rembergstraße) geben. Der MWB will mit vorgefertigten Bauelementen arbeiten und in Holzbauweise. Herausspringen sollen Effizienzhäuser mit dem Standard 40 oder gar 40+. Dach- und Fassadenbegrünungen soll es geben, Photovoltaik auf den Dächern und eine zentrale Wärmeerzeugung über eine Luft-Wärme-Pumpe. Das hierfür nötige Technikgebäude ist entgegen ursprünglichen Plänen und zur Wahrung des Nachbarschaftsfriedens versetzt worden in Richtung alten Betriebsweg der Stadtgärtnerei.
Laut MWB-Vorstand Frank Esser hat es auf dem Gelände schon Rodungsarbeiten gegeben. Schon am 2. Januar soll mit dem Abriss der alten Stadtgärtnerei begonnen werden. Zeitnah danach sollen die Arbeiten an den Neubauten beginnen. „Wir freuen uns, dass wir das machen dürfen“, spricht Esser mit Blick auf Größe und Aufgabenstellung von einem „besonderen Projekt“. Der MWB sieht ein Vorhaben mit Modellcharakter für weitere Städte, die diesen neuartigen Weg öffentlich geförderten Wohnungsbaus einschlagen könnten.
Aus für die ZUE Raadt im Sommer 2025? OB Buchholz ist zuversichtlich
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Oberbürgermeister Marc Buchholz zeigt sich auch sehr zufrieden mit eben dieser Entwicklung. Insbesondere auch deswegen, weil an den Neubau der 135 Geflüchteten-Wohnungen in Holthausen sein Versprechen geknüpft ist, nach Fertigstellung die Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes, die ZUE Raadt, nicht länger dulden zu wollen. Regierungspräsident Thomas Schürmann hatte der Stadt schriftlich zugesagt, die Option zur Mietverlängerung des Bürogebäudes in Raadt über den Sommer 2025 hinaus nur zu ziehen, wenn der Stadtrat dem Ende 2024 zustimmt. Mit den neuen Wohnungen an der Stadtgärtnerei, dazu der Zusage des MWB, der Stadt bis zu 150 zusätzliche Wohnungen zur Flüchtlingsunterbringung jährlich zur Verfügung zu stellen, sieht sich die Stadt in der Lage, ohne die Plätze der ZUE ihr Aufnahmekontigent stemmen zu können. Ohne dass wieder Turnhallen zweckentfremdet werden müssen.
In einem Schreiben an die Nachbarn der ZUE Raadt, das dieser Redaktion vorliegt, hat der OB den festen Willen der Stadt noch einmal bekräftigt, die ZUE im Sommer 2025 auslaufen lassen zu wollen. Buchholz räumte darin noch einmal ein, dass mit dem ersten Bezug der ZUE „vieles schwierig“ und herausfordernd gewesen sei und bedankte sich ausdrücklich für einen konstruktiven Austausch in den vergangenen Monaten, um Problemlösungen herbeizuführen. Sozialdezernentin Daniela Grobe hatte in der Ratssitzung zuletzt festgestellt, dass bei der letzten Bürgersprechstunde nur noch wenig Kritik von Nachbarn zu vernehmen gewesen sei. Lediglich zu schnelles Fahren sei noch Thema. „Zu erkennen ist, dass das neue Brandschutz- und das neue Evakuierungskonzept greifen“, so Grobe.
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