Mülheim. Alle Altenheime in Mülheim sind ausgelastet. Wie lange ist das personell zu schaffen? So sehen Heimaufsicht und Betreiber die Lage.

Aus den Pflegeheimen im Land kommen alarmierende Nachrichten. So klagen viele Einrichtungen in NRW über steigenden wirtschaftlichen Druck, immer häufiger müssen Häuser sogar Insolvenz anmelden. Drohen Pleiten auch in Mülheim?

Die städtische Heimaufsicht, die gerade ihren neuesten Tätigkeitsbericht für 2021/22 veröffentlicht hat, sieht hier aktuell keine Gefahr. „Dass Mülheimer Einrichtungen die Insolvenz droht, glaube ich überhaupt nicht“, sagt Abteilungsleiterin Saskia-Alexandra Kühle im Gespräch mit dieser Redaktion. Solche Fälle müssten der Heimaufsicht auch frühzeitig angezeigt werden, um alternative Lösungen für die Bewohner zu finden.

Der bislang einzige Fall einer Altenheim-Pleite in Mülheim liegt schon fast 14 Jahre zurück: Anfang 2011 musste die katholische Engelbertus gGmbH Insolvenz beantragen. Betroffen waren damals unter anderem der Wohnpark Dimbeck und das St. Engelbertus-Stift an der Seilerstraße. Für sie wurden sichere Auffanglösungen beziehungsweise neue Betreiber gefunden.

Mülheimer Pflegeheime fast komplett ausgelastet

In Mülheim gibt es derzeit 19 Altenpflegeheime mit 1866 stationären Plätzen. Im vergangenen Jahr waren es laut Bericht der städtischen Heimaufsicht noch 30 Plätze mehr. Grund ist der Abbau von Plätzen im Seniorenstift St. Engelbertus, das im Bestand umgebaut und umfassend modernisiert wird. Das Gesamtangebot hat sich in Mülheim in jüngster Zeit nicht gravierend verändert. Größere Neueröffnungen gab es zuletzt 2019 und Anfang 2020, als zunächst die Alloheim-Seniorenresidenz im Stadtquartier Schloßstraße an den Start ging, dann das neue Seniorenstift Christopherus in Broich. 2022 wurde neben dem Wohnstift Raadt ein Neubau eröffnet, hier stehen nun 20 Intensivpflegeplätze für Wachkoma-Patienten zur Verfügung. Daneben gibt es in Mülheim mittlerweile 25 Pflege-WGs, in denen insgesamt 218 Menschen Platz finden.

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Wer kurzfristig einen Pflegeheim-Platz in Mülheim sucht, hat es schwer. Beispielsweise waren am Mittwoch vergangener Woche stadtweit nur zwei Plätze frei: im Charleston Wohn- und Pflegezentrum am Hingberg. „Die Einrichtungen sind eigentlich immer komplett ausgelastet“, berichtet Saskia-Alexandra Kühle, Chefin der Heimaufsicht. Im Ernstfall müsse man weiträumig verschiedene Häuser abtelefonieren, „Man kann sich nicht mehr nur auf eine Stadt konzentrieren, sondern muss auch in Essen, Oberhausen, Duisburg schauen.“

Heimaufsicht: Personalmangel definitiv größtes Problem

Aufgeschreckt hat vor wenigen Tagen ein neuer Pflegeheim-Report, den das RWI/Leibniz-Institut für Wirtschaftsförderung veröffentlicht hat. Er hebt insbesondere den immer schwerwiegenderen Personalmangel hervor, der Einrichtungen in ganz Deutschland zu schaffen macht. Viele Häuser könnten dringend benötigte Betten schon nicht mehr belegen, weil Fachkräfte fehlen, heißt es dort. In Mülheim wirkt sich der Personalmangel in dieser Schärfe bislang nicht aus. Die Heime sind nahezu ausgelastet. Dass Fachkräfte fehlen, bleibe aber in der stationären Pflege „definitiv das größte Problem“, so Saskia-Alexandra Kühle.

Saskia-Alexandra Kühle ist Abteilungsleiterin der städtischen Heimaufsicht in Mülheim.
Saskia-Alexandra Kühle ist Abteilungsleiterin der städtischen Heimaufsicht in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Ganz ähnlich bewertet Alexander Keppers, Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, die Lage. Stand jetzt sei: „Unsere Einrichtungen sind alle voll ausgelastet.“ Überall, auch in der ambulanten Pflege oder im betreuten Wohnen, sei die Nachfrage sehr hoch. In den drei städtischen Seniorenheimen - den Häusern Kuhlendahl, Gracht und Auf dem Bruch - sei es bislang erst in „ganz wenigen Ausnahmen“ passiert, dass freie Plätze aus Personalnot nicht belegt werden konnten, so Keppers. Doch in Zukunft könnte dieser Fall häufiger eintreten, fürchtet der Chef der Mülheimer Seniorendienste. „Die Gefahr halte ich für sehr hoch. Während die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen stetig steigt, verlassen die Generation der Babyboomer und Teile der Generation X in den nächsten Jahren sukzessive den Arbeitsmarkt.“ Sprich: Mitarbeitende, die jetzt über 50 sind. „Zudem arbeiten Menschen in der Pflege oft nicht bis zum regulären Renteneintritt.“

Contilia: Bilden unsere Fachkräfte von morgen selber aus

Auch bei der katholischen Contilia GmbH, die in Mülheim vier Altenpflegeheime betreibt, müssen keine Zimmer leer stehen, weil Personal fehlt. „Wir haben momentan eine Vollauslastung, 100 Prozent, und keine freien Plätze“, erklärt eine Contilia-Sprecherin. Die Gefahr, dass Betten notgedrungen leer bleiben müssen, sehe man nicht, „weil wir seit Jahren ganz aktiv dabei sind, unsere Fachkräfte von morgen selber auszubilden“.

Voll ausgelastet sind auch die beiden Alloheim Senioren-Residenzen an der Dimbeck und im Stadtquartier Schloßstraße. Generell sei „die Bewerberlage in Mülheim vergleichsweise gut“, erklärt eine Alloheim-Sprecherin. Daher sehe man momentan keine Gefahr, dass die beiden Häuser aufgrund von Personalmangel nicht mehr komplett belegt werden könnten.

Behörde hat wenig Möglichkeiten, eine konkrete Mindestbesetzung anzuordnen

Gleichwohl sind personelle Engpässe häufig Grund für Beschwerden bei der Mülheimer Heimaufsicht. In deren Bericht heißt es, oft würden „subjektiv empfundene Mängel an der personellen Ausstattung“ gemeldet, doch die Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde, eine konkrete Mindestbesetzung der Dienste anzuordnen, seien begrenzt. So muss laut Wohn- und Teilhabegesetz (§ 21 WTG) „jederzeit, auch nachts und an Wochenenden, mindestens eine zur Leistung des konkreten Betreuungsbedarfes der Nutzerinnen und Nutzer geeignete Fachkraft anwesend sein“.

Dass nur eine examinierte Kraft vorgeschrieben ist, rufe bei den Menschen, die sich beschweren, meist „großes Unverständnis“ hervor, so die Heimaufsicht. „Das Personal wird nicht mehr, die Bedingungen werden nicht besser“, resümiert Saskia-Alexandra Kühle.

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