Mülheim. Ein sicherer Ort für Menschen, die drogenabhängig sind – das war Mülheims „Café Light“. Nun muss die Awo den Betrieb abgeben. Wie es weitergeht.
Was sich hinter den Kulissen bereits länger anbahnte, ist nun öffentlich geworden: Für das Mülheimer Drogenhilfezentrum der Awo, bestehend aus Drogenberatungsstelle und dem „Café Light“, naht das Ende einer Ära. Nach knapp 50 Jahren muss der Wolhfahrtsverband die Trägerschaft der Anlauftstelle abgeben – aus finanziellen Gründen. Ein schwerer Schritt, aber auch alternativlos, wie es von Seiten der Awo heißt.
„Das ist ein verheerender Zeitpunkt“, sagt Michaela Rosenbaum, Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbandes, im Gespräch mit der Redaktion. Gerade im Winter stehe vielen Abhängigen eine harte Zeit bevor. Normalerweise seien es 30 bis 40 Menschen, die die Dienste des Drogenhilfezentrums in Anspruch nähmen, im Winter oftmals auch mehr. Bereits zum Jahresende soll der Betrieb in die Hände des städtischen Amtes für Gesundheit und Hygiene übergeben werden. „Am wichtigsten ist aus unserer Sicht, dass es einen nahtlosen Übergang gibt und unsere Klienten weiterhin eine Anlaufstelle haben“, so Rosenbaum. Seit etwas mehr als zwei Jahren habe der Verband in regelmäßigem Austausch mit der Kommune gestanden. Wunsch war es, die mehr als 20 Jahre alte Abrechnungs- und Fördersystematik zu verändern – „aber das hat leider trotz vieler Gespräche nicht geklappt“.
Wie Gesundheitsdezernentin Daniela Grobe auf Nachfrage erklärt, habe das Amt für Gesundheit und Hygiene sowie sie persönlich seit fast zwei Jahren mit der Awo in Verhandlungen gestanden, um die gesetzliche Änderung im Bereich der psychosozialen Beratung umzusetzen. Nach Auslaufen einer eingeräumten Übergangszeit für eine neue Konzeptionierung habe der Wohlfahrtsverband aber mitgeteilt, die Drogenberatung unter den bestehenden Bedingungen nicht mehr leisten zu können. „Ich habe mich mit dem Fachteam des Gesundheitsamtes beraten und entschieden 1,5 Stellen aus den Mitteln des Paktes zur Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) zu schaffen, sodass die Drogenberatung dauerhaft gesichert ist und fachlich gut an den Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes angebunden wird“, so Grobe.
Mülheimer Awo-Kreisverband musste zuletzt 30.000 Euro Eigenanteil stemmen
Vor etwa zwei Monaten habe die Awo dann laut der Dezernentin mitgeteilt, dass das „Café Light“ aus finanziellen Gründen endgültig nicht mehr weitergeführt werden könne. „Diese Mitteilung kam für mich sehr überraschend, da der Awo mehrmals angeboten worden war, ein neues Konzept für den Weiterbetrieb des Cafés ohne eine Stelle für die psychosoziale Beratung vorzulegen“, erklärt Daniela Grobe. Die eingereichten Konzepte sollen den aufgestellten Anforderungen aber nicht gerecht geworden sein.
Jährlich, schildert Michaela Rosenbaum, die Geschäftsführerin des Kreisverbandes, habe die Awo mindestens 30.000 Euro an Eigenanteil in den Betrieb des Drogenhilfezentrums investiert. „Und da sind die Tarifsteigerungen noch nicht mit eingerechnet.“ Zur Erinnerung: Im April hatten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber auf eine deutliche Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst geeinigt. Zwar zahlen soziale Träger in der Regel kein Tarifgehalt, aber tarifnahe Löhne. Bei einer Erhöhung von 5,5 Prozent kommen so auf die Awo allein in diesem Jahr Personal-Mehrkosten in Höhe von 300.000 Euro zu.
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„Wir haben versucht, an den bestehenden Finanzierungsstrukturen etwas zu ändern“, so Michaela Rosenbaum. „Aber das ist historisch gewachsen, und das mussten wir lernen.“ Mit den nun in Aussicht stehenden höheren Personalkosten könne die Awo mit diesem Finanzierungsmodell den Betrieb des Drogenhilfezentrums nicht mehr stemmen. Aus Sicht von Dezernentin Daniela Grobe sei diese Begründung allein zu kurz gedacht und lasse die bereits seit Jahren geltende Dynamisierung außer Acht.
Mülheimer Drogenhilfezentrum beschäftigt aktuell fünf Menschen
Derzeit sind in der Anlaufstelle an der Gerichtstraße fünf Menschen beschäftigt, die sich um die Nutzerinnen und Nutzer illegaler Drogen kümmern. Im „Café Light“ erhalten die Klientinnen und Klienten Mahlzeiten und saubere Spritzen und bei Bedarf auch Beratung. Durch den Fachkräftemangel habe es zuletzt teils erheblich weniger Personalkosten gegeben. „Krankheitsausfälle oder Elternzeitvertretungen haben wir schon gar nicht mehr ausgeschrieben, weil wir da niemanden bekommen haben“, schildert Rosenbaum. Über die vergangenen zwei Jahre habe sich so ein Ungleichgewicht entwickelt. Während die Personalkosten sanken, stiegen die Sachkosten stetig. „Das bestehende Finanzierungsmodell hat dazu nicht mehr gepasst.“
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Wie es mit den Beschäftigten des Drogenhilfezentrums weitergeht, ist noch offen. Was aber feststeht: „Wir wollen niemandem Steine in den Weg legen“, so Rosenbaum. Es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben, alle fünf Arbeitskräfte könnten in andere Teilbereiche der Awo vermittelt werden – sofern sie das denn wünschen. Denkbar sei es durchaus, dass die Stadt als neue Betreiberin die bisherigen Angestellten übernimmt. Auf Anfrage erklärt die zuständige Gesundheitsdezernentin, dass geplant ist, die Stellen der Drogenberatung und der Sozialarbeiterinnen und -arbeiter offen auszuschreiben. Somit könnten sich auch die Beschäftigten des Cafés mit ihren Qualifikationen bewerben.
Nachfolge des Mülheimer Betriebs: Gab es keine Ausschreibung?
Denkbar wäre, zumindest theoretisch, auch die Übernahme des Drogenhilfezentrums durch einen anderen Träger gewesen. Dass es keine Ausschreibung gegeben hat, ist aus Sicht von Michaela Rosenbaum ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip. Wie Daniela Grobe erklärt, sei das zwar zunächst angedacht gewesen, man habe sich aber nach Absprachen mit anderen Verbändevertretungen dagegen entschieden. Zudem habe „das Amt für Gesundheit und Hygiene seit Längerem geplant, die eigene Kompetenz im Bereich Drogen- und Suchtberatung wieder vermehrt in die praktische Standortarbeit mit den Klientinnen und Klienten einzubringen“.
Durch die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel für den Personalaufbau im Öffentlichen Gesundheitsdienst habe das Amt nun wieder die Möglichkeit, die bisher an die Awo ausgelagerte Aufgabe der Drogenberatung selbst in die Hand zu nehmen. „Für mich und die Kolleginnen und Kollegen hat die Sicherstellung der Versorgung der Betroffenen Priorität“, so Grobe.
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