Mülheim. Die Mülheimerin Irmgard Haferkamp (100) liebt ihr neues Zuhause im fünften Stock. Einer alten Nachbarin (91) ist Schlimmes passiert.
Ein herzförmiger Luftballon mit Glückwunsch. Frische Blumensträuße auf Tischen und Kommoden. Ein Stapel Geburtstagsbriefe. Eine Dame im blau-gestreiften Pullover, die strahlend und zufrieden auf ihrer Couch sitzt, mit Blick durch bodentiefe Fenster auf die spätherbstliche Ruhr. Irmgard Haferkorn, geboren am 22. November 1923 in Mülheim, hat gerade ihren 100. Geburtstag gefeiert, im neuen Zuhause.
Die Hundertjährige lebt seit Ende August im Stadtquartier Schloßstraße, betreutes Wohnen, fünfter Stock. „Gott sei Dank gibt es hier einen Aufzug“, sagt Irmgard Haferkorn. An ihrer alten Adresse gab es keinen, was den Alltag beschwerlich machte. Vor einigen Monaten sei sie unglücklich hingefallen und habe sich die Hüfte gebrochen, berichtet die Seniorin. Der Umzug, den ihre Tochter Bärbel mit den Enkeln organisierte, war eine Notlösung, die sie dennoch einsichtig und dankbar akzeptierte. Auf das 60-Quadratmeter-Appartement, das sie vorher nicht einmal besichtigen konnte, hatte sie sich gefreut: „Mein Herz hängt nicht an irgendwelchen Dingen. Ich fange ganz neu an.“
Mülheimerin gehört seit 100 Jahren zu ihrer Kirchengemeinde
Irmgard Haferkorn wurde in Mülheims Stadtmitte geboren. Sie ist Katholikin und betont: „Ich gehöre seit 100 Jahren zur Gemeinde St. Mariae Geburt.“ Dort ist sie getauft. Nach Abschluss der Volksschule besuchte sie ein Jahr lang die kaufmännische Privatschule Schwenzer, die lange Zeit eine Mülheimer Institution war. Anschließend sei sie bei einem Rechtsanwalt in die Lehre gegangen, berichtet die Hundertjährige. Sie habe ihren Beruf geliebt.
Während der Kriegsjahre war die junge Frau zum Arbeitsdienst und Kriegshilfsdienst verpflichtet, der sie weit von ihrer Heimatstadt entfernte. Erst in Richtung Osten, später nach Süddeutschland. Dort hatte sie ein bis heute tief nachwirkendes Erlebnis: Nach einem Bombenangriff in München sei sie im Keller eines Hauses verschüttet gewesen, erzählt sie. „Ich habe mir gesagt: Wenn ich hier als Krüppel rauskomme, möchte ich sterben.“ Sie überlebte, blieb unversehrt. Das Kriegsende erlebte sie im österreichischen Salzburg, flüchtete nach Mülheim zurück.
Lange hat sie den demenzkranken Ehemann gepflegt und nebenbei gearbeitet
Über 66 Jahre lang lebte Irmgard Haferkorn in einem Mehrfamilienhaus an der Friedrichstraße in der Mülheimer Innenstadt, wenige hundert Meter vom betreuten Wohnen entfernt. Dort war sie im Frühjahr 1957 mit ihrem Ehemann und zwei kleinen Töchtern eingezogen. Dort erlebte sie glückliche, aber auch harte Zeiten. 18 Jahre lang, bis Ende der Sechziger, betreute sie ihren Schwiegervater, verzichtete auf eine Berufstätigkeit. Später pflegte sie ihren demenzkranken Ehemann, nahm aber zeitgleich eine Teilzeitstelle in einer Anwaltskanzlei an. „Das war meine Therapie. Ich habe gearbeitet, bis ich 72 war.“ Im Jahr 2000 verstarb ihr Mann nach langer Krankheit, im Jahr 2015 ihre jüngste Tochter - eine der schlimmsten Erfahrungen in Irmgard Haferkorns langem Leben.
Was ihre persönliche Gesundheit angeht, wirkt sie zuversichtlich. Sie glaubt, dass sich auch mit 100 Jahren noch manches zurückgewinnen lässt. „Ich habe eine gute Physiotherapie und bin schon wieder weit gekommen“, sagt Irmgard Haferkorn. Letztens habe sie es am Rollator wieder alleine bis ins Forum geschafft. Sie liest immer noch gerne Romane, Bücher in großer Schrift. Im neuen Haus sei ihre Mutter momentan die Älteste, aber nicht die Schwächste, ergänzt ihre Tochter.
Ehemalige Nachbarin wurde vor der Haustür ausgeraubt und verletzt
Den Herzchen-Ballon hat ihr eine ehemalige, befreundete Nachbarin geschenkt, die ihren Wegzug von der Friedrichstraße sehr bedauerte. Seit 1966 hatten die beiden Tür an Tür gewohnt, auf derselben Etage. Diese Freundin, auch schon 91, kam nach einem hässlichen Erlebnis mit einer Verletzung zur Geburtstagsfeier, einer Platzwunde am Kopf, die genäht werden musste. Sie wurde vor zwei Wochen vor ihrer Haustür von einem Mann überfallen und ausgeraubt. Kurz vorher habe sie bei der Sparkasse 100 Euro abgehoben, berichtet Irmgard Haferkorn, der Unbekannte habe die 91-Jährige wohl verfolgt, dann zu Boden gestoßen und ihr Portemonnaie geraubt. „Den Ehering hat er ihr auch noch vom Finger gezogen.“
Im neuen Zuhause hat Irmgard Haferkorn bislang keine nachbarschaftlichen Kontakte geknüpft. „Noch nicht“, sagt die Hundertjährige. „Ich bin aber offen dafür.“
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