Mülheim. Mülheims Kämmerer Frank Mendack hat seinen Etat-Entwurf für 2024 vorgelegt. 72 Millionen Euro Mehrbelastungen rechnet er vor. Was das bedeutet.
Stadtkämmerer Frank Mendack hat am Donnerstag im Stadtrat seinen Etat-Entwurf für das Haushaltsjahr 2024 eingebracht und dabei zusätzliche Belastungen für die Stadt von satten 72 Millionen Euro ausgemacht.
Eine neuerliche harte Sparrunde nach all den Jahren des Verzichts drohen Stadt, Bürgerinnen und Bürgern trotzdem nicht. Während zahlreiche Kämmerer von Ruhrgebietskommunen angesichts zusätzlicher Lasten, insbesondere basierend aus den Folgen von Corona, Ukraine-Krieg, Inflation und Zinsentwicklung, aktuell die weiße Fahne hissen, präsentierte Mendack dem Stadtrat nun einen Etat, der erneut einen leichten Überschuss von 1,8 Millionen Euro prognostiziert – und das, obwohl Mülheim 2024 aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen des Landes entlassen sein wird, also ohne weitere Landeshilfe auskommen muss.
Seit 2019 schreibt das überschuldete Mülheim wieder eine schwarze Null
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„Das Sparen der letzten Jahre, auch die weise Voraussicht vom Kämmerer und seinem Team rettet uns den Allerwertesten“, richtet OB Buchholz in unverblümten Worten ein dickes Lob an die Kämmerei. Insbesondere dafür, mit dem Überschuss in Höhe von 69 Millionen Euro aus dem Vorjahr Vorsorge getroffen zu haben: Mendack hatte mit den Millionen Rückstellungen gebildet, die nun helfen, die zusätzlichen Lasten im kommenden Jahr schultern zu können ohne neue einschneidende Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung. Einziger Wermutstropfen für die Bürger: Eine Gebührenerhöhung bei Abwasser, Straßenreinigung und Müll ist zu erwarten wegen der Inflation und der Tariferhöhungen. Genaue Kalkulationen dazu stehen aber noch aus.
Durch Sparanstrengungen der Vorjahre bei gleichzeitiger Zurückhaltung der Politik bei kostspieligen Extras habe die überschuldete Stadt es geschafft, über 190 Einzelmaßnahmen eine strukturelle Entlastung des Etats von jährlich 102,3 Millionen Euro zum Tragen zu bringen, so Mendack. Seit 2019 schreibt Mülheim eine schwarze Null im Haushalt.
12 Millionen mehr für Zinsen, 15 Millionen mehr für Personal in Mülheim
Gleichwohl bleiben für die NRW-Kommune mit höchster Pro-Kopf-Verschuldung die Spielräume eng. Aufgrund der neuen Millionen-Belastungen, so Mendack, werde die Stadt es seinem Entwurf nach nur gerade so schaffen, die schwarze Null zu erreichen. Überschüsse wie im Vorjahr seien nicht zu erwarten. Zu den millionenschweren Mehrbelastungen nur ein paar Beispiele. Obwohl die Kämmerei in der Niedrigzinsphase in den vergangenen Jahren für viele Kredite mittel- bis langfristig günstige Zinsen festgemacht hat, wird allein der Zinsanstieg im neuen Etat eine Mehrbelastung von 12 Millionen Euro bringen.
Die Tarifsteigerungen, aber auch neu angestelltes Personal schlagen mit zusätzlichen 15 Millionen Euro zu Buche. 84 neue Stellen, davon 36 refinanzierte wegen pflichtiger Aufgaben etwa bei der Feuerwehr, sieht der Stellenplan vor. Mendack verteidigt die Schaffung neuer Stellen. 20 davon seien etwa dafür eingerichtet, um die große Aufgabe bewältigen zu können, angesichts der gestiegenen Schülerzahlen zahlreiche Schulen zu erweitern. Auch sei der Personalnot im Planungsamt begegnet worden und es gebe neue Stellen bei der Wirtschaftsförderung. „Wie sonst sollen wir die ganzen Gewerbegebiete entwickeln?“, gibt Mendack mit Blick auf Vallourec,Mülheim-West,Flughafen und Co. zu bedenken, dass diese Entwicklungen ja auch Sorge dafür tragen sollen, die Einnahmesituation der Stadt auf lange Sicht zu verbessern – ebenso im Übrigen ja auch durch die Schaffung neuer Wohnstandorte.
Mülheims Kämmerer: „Ohne Ukraine-Krieg wären wir aus allem rausgewesen“
Dritter Batzen mit Mehrbelastungen in zweistelliger Millionenhöhe (12 Millionen Euro): die Hilfen zur Erziehung, die für Kinder eingesetzt werden, deren Wohl im familiären Umfeld gefährdet ist. Die Kosten steigen in Mülheim wie überall im Land, aber überproportional. Mendack kündigt eine Untersuchung gemeinsam mit der Gemeindeprüfungsanstalt an, ob Mülheim hier Sparpotenziale hat, ohne das Kindeswohl zu vernachlässigen.
Ohne die zusätzlichen Belastungen infolge des Ukraine-Krieges könnte die Stadt laut Mendackscher Rechnung erneut 32 Millionen Euro Plus machen, „wir wären aus allem rausgewesen“. So aber bleibe die Aufgabe, die Haushaltssicherung als oberste Priorität beizubehalten.
Klimawende, Schulen und Co.: Mülheims große Herausforderungen
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Große finanzielle Herausforderungen kommen auf die Stadt noch zu. Weil die Medl für die Klimawende erheblich werde investieren müssen in die Infrastruktur (Stichwort Wärmenetz), werde man absehbar nicht mehr mit Gewinnausschüttungen in gewohnter Höhe rechnen können, so Mendack. Vielmehr werde die Stadt hier gefordert sein, Investitionsmittel über die Beteiligungsholding zuzuschießen. Erhebliche Investitionen summieren sich laut Mendack zudem aus der späteren neuen Erschließung des Vallourec-Geländes, die Digitalisierung und den Glasfaserausbau, die erwähnten Schulerweiterungen, den Ausbau der Plätze im Offenen Ganztag.
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Dabei will die Stadt in 2024 weiter insbesondere ihre Investitionen in die Schulinfrastruktur fortsetzen. Verschiedenste Projekte stehen absehbar vor der Vollendung. Künftig finanziert werden sollen eine Sanierung der Hauptgebäude der Dümptener Hauptschule und des Otto-Pankok-Gymnasiums, die G9-Erweiterung am Gymnasium Broich sowie eine Sanierung der Sporthalle Ludwig-Wolker-Straße. Darüber hinaus steht der Neubau des Heißener Schwimmbads an. Auch die Generalüberholung von Kunstrasenplätzen geht weiter.
„In Mülheim passiert doch eine Menge, obwohl wir so knapsen mussten“
Weitere Investitionsprojekte (Realschule Stadtmitte, Rembergschule, Grundschule Steigerweg und Barbaraschule) sind in Planung. „In Mülheim passiert doch eine Menge, obwohl wir in den vergangenen Jahren so knapsen mussten“, stellt OB Buchholz auch mit den Stadtentwicklungsprojekten für die Wirtschaft und neue Wohnungen fest. „Man sieht, was man aus der Stadt machen kann, wenn man sie entwickelt“, ergänzt Mendack – mit einem Seitenhieb Richtung SPD-Vorgänger im Oberbürgermeisteramt, Ulrich Scholten: „Die Zeit bis 2020 ist aber nicht so schnell aufzuholen.“
Die Lage aber bleibt ernst für das überschuldete Mülheim, wie seit vielen Jahren appelliert Kämmerer Mendack an Bund und Land, endlich eine Altschuldenlösung zu kreieren, um der Stadt die erheblichen Risiken der Zinsbelastung zumindest in großen Teilen zu nehmen. Mülheim schiebt mehr als 1,1 Milliarden Euro allein an Krediten zur Liquiditätssicherung vor sich her. „Ohne Lösung der Altschuldenfrage“, so der Kämmerer, „ist ein Haushaltsausgleich in 2025 ausgeschlossen.“
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