Mülheim. Der potenzielle Investor zur Entwicklung der Mülheimer Vallourec-Fläche ist ausgemacht. Was bis jetzt dazu bekannt ist, wie es nun weitergeht.

Hinter verschlossenen Türen ist die Entscheidung gefallen, wer den Zuschlag für die Entwicklung der absehbar brachliegenden Vallourec-Fläche in Mülheim bekommen soll.

„Von Vallourec gibt es eine Entscheidung, wer der Käufer sein soll“, gab Mülheims Planungs- und Wirtschaftsdezernent Felix Blasch nun im Gespräch mit dieser Redaktion preis. Schon vor dem langen Wochenende mit Tag der Deutschen Einheit habe der Stahlrohrproduzent der Stadtverwaltung per Mail mitgeteilt, auf wen seine Wahl gefallen sei. Allerdings: Blasch nennt keinen Namen. Man habe Stillschweigen vereinbart, so lange nichts in trockenen Tüchern sei.

Vorkaufs- und Baurecht sind Druckmittel der Stadt Mülheim für die Vallourec-Fläche

Als mögliche Käufer hatten im Sommer zwei Investoren auch bei Mülheims Politik für sich geworben, denn mit ihrem Vorkaufsrecht und einem eingeleiteten Bebauungsplanverfahren haben Stadtverwaltung und Stadtrat dem abwandernden Vallourec-Konzern deutlich gemacht, dass er ohne Billigung von Investoren-Plänen nicht Kasse machen kann mit dem 33,5 Hektar großen Industrieareal an der Nahtstelle von Styrum und Dümpten.

Dem Investor Logicor, einem unter Einfluss des chinesischen Staates stehender Entwickler für Logistik-Standorte, hatte die Stadt mit gezogenem Vorkaufsrecht einen Strich durch die Rechnung gemacht, das verkehrsgünstig an der A 40 gelegene Industriegebiet für einen kolportierten Kaufpreis in Höhe von 40 Millionen Euro an sich zu nehmen. Die Logicor-Vertreter hatten mit ihrem Entwicklungskonzept nicht überzeugen können.

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Mülheims Politik hatte offenbar keinen eindeutigen Favoriten benannt

Nun soll also die Entscheidung gefallen sein, ob VGP (Hauptsitz Antwerpen) oder CTP (Stammsitz Amsterdam) in die finalen Verhandlungen mit Vallourec, aber auch mit der Stadt geht. Erfahrener in der Entwicklung deutscher Industrie- und Gewerbestandorte – in einer Größenordnung der Vallourec-Fläche – hatte sich der belgische Investor VGP präsentiert. Ob auch Vallourecs Wahl auf ihn gefallen ist, bleibt nun abzuwarten.

In Laatzen hat VGP für die Spritzgusstechniksparte des Maschinenbauunternehmens Krauss Maffei ein Produktionswerk gebaut. Auch Edeka und das Möbelhandelsunternehmen Connox siedelten dort an.   
In Laatzen hat VGP für die Spritzgusstechniksparte des Maschinenbauunternehmens Krauss Maffei ein Produktionswerk gebaut. Auch Edeka und das Möbelhandelsunternehmen Connox siedelten dort an.    © VGP Industriebau GmbH | VGP Industriebau GmbH

Ein wesentliches, wenn nicht gar das alleinige Kriterium für Vallourec dürfte das Kaufpreisangebot gewesen sein. Mülheims Politik hatte dem Vernehmen nach für sich keinen eindeutigen Favoriten benannt, auch soll keinem der Investoren grundsätzlich in Abrede gestellt worden sein, die Wirtschaftsfläche im Sinne der formulierten stadtentwicklungspolitischen Ziele wieder nutzbar machen zu wollen oder zu können.

Mülheimer Dezernent führte erste Gespräche auf der Expo Real in München

Mülheims Planungs- und Wirtschaftsdezernent Felix Blasch.
Mülheims Planungs- und Wirtschaftsdezernent Felix Blasch. © BMR/Elschner

Nennt Planungs- und Wirtschaftsdezernent Blasch auch keinen Namen, so äußert er sich doch zum Fahrplan, wie es nun weitergehen wird. Direkt nach dem Feiertag zu Beginn des Monats habe er die Gelegenheit genutzt, mit dem auserkorenen Investor auf der Münchner Expo Real den Gesprächsfaden weiterzuspinnen. Für die Stadt gehe es darum, mit dem Entwickler jenen städtebaulichen Vertrag im Detail weiter auszuverhandeln, der im Entwurf bereits übersandt war und mit dem die Stadt sicherstellen will, dass ihre Ziele zum Tragen kommen.

Die Stadt will Platz schaffen für Gewerbe, aber eben auch für neue Industrie. Hochwertige und zahlreiche Arbeitsplätze will sie angesiedelt sehen. Heimische Firmen sollen dort Chancen zur Expansion bekommen, kleinere wie größere. Im Optimalfall will sich die Stadt ein Mitspracherecht bei der Ansiedlung einräumen lassen. Wie stark ein solches ausgeprägt sein könnte, blieb bislang völlig unklar. Die Zusagen beider Bewerber waren dazu doch recht vage. Reine Logistik-Ansiedlungen wünschen Stadt und Politik nicht.

Mülheims Stadtrat soll schon am 14. Dezember sein Votum abgeben zum Investor

„Schon sportlich“ nennt Blasch das Ziel, das alles noch in diesem Jahr unter Dach und Fach zu bringen. Verschiedene Ratsgremien sind mit der Sache zu befassen, am 14. Dezember soll der Stadtrat dem ausgehandelten städtebaulichen Vertrag seinen Segen erteilen und letztlich, wenn alles gut läuft, auch das städtische Vorkaufsrecht zurückziehen.

Parallel laufen Verhandlungen zwischen Vallourec und dem designierten Käufer. Dabei werde es noch einmal um eine technische Prüfung gehen, so Blasch. Wie steht es um Altlasten? Wie hoch werden die Abrisskosten der alten Produktionshallen kalkuliert? Wie hoch wird, dem entsprechend, das endgültige Kaufpreisangebot sein?

Blasch: „Wir selber wollen eine zügige Entwicklung“

Ein historischer, für die Belegschaft im Mülheimer Werk auch wehmütiger Moment: Am 24. August wurde das letzte Rohr fertiggestellt. Die Produktion wird nach Brasilien verlagert.
Ein historischer, für die Belegschaft im Mülheimer Werk auch wehmütiger Moment: Am 24. August wurde das letzte Rohr fertiggestellt. Die Produktion wird nach Brasilien verlagert. © Vallourec

Der ehrgeizige Zeitplan, bis Mitte Dezember Klarheit zu schaffen, dürfte in allseitigem Interesse sein. „Wir selber wollen eine zügige Entwicklung da, wollen das Gelände nicht lange liegen lassen“, sagt Blasch. Er hofft, mit einem Investor schon Anfang 2024 in weitere Planungen einsteigen zu können. „Idealerweise“, so der Dezernent, liefen dann der Abbau der Produktionsanlagen und der Abriss bereits leergezogener Hallen zeitgleich.

Die SPD-Landtagsfraktion hatte sich in der Sache Mitte September mit einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung gewandt, wollte unter anderem vom Wirtschaftsministerium wissen, ob schon Anträge aus den vom Vallourec-Aus betroffenen Städten Mülheim und Düsseldorf auf Mittelbewilligungen aus dem Topf des Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramms (RWP) vorlägen. Ein knappes „Nein“ war die Antwort.

Bakum (SPD) mit Vorwürfen gegen Mülheims Verwaltung und Ratskoalition

Mülheims Dezernent Blasch begründete dies mit der Tatsache, dass bei laufenden Verhandlungen zum Investoren-Einstieg erst noch zu klären sei, „wer was macht“ – sprich: in welchem Ausmaß auch die öffentliche Hand tätig werden und finanzieren müsste, damit die Brache wieder zu wirtschaftlicher Blüte kommen kann. Klar sei, dass die Stadt keine Altlastensanierung für einen neuen Eigentümer übernehmen werde. Die Frage aber sei, inwieweit Stadt und Land Kosten zu tragen hätten für eine gewünschte Erschließung des Areals, etwa dafür, einen neuen Zubringer von der Fritz-Thyssen-Brücke zu schaffen, wie es der erste städtsche Entwürfe für einen Bebauungsplan vorzeichnet.

Mülheims SPD-Landtagsabgeordneter Rodion Bakum.
Mülheims SPD-Landtagsabgeordneter Rodion Bakum. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheims SPD-Landtagsabgeordneter Rodion Bakum überzeugt das offenbar nicht. Er habe kein Verständnis dafür, dass die Stadt noch nicht aktiv geworden sei zur Fördermittel-Beschaffung. „Die Uhr tickt! Ist das den Verantwortlichen denn nicht bewusst?“, fordert er ein, dass die Stadt „effektiv gestalten“ müsse, „um als Industriestandort überhaupt noch weiter existieren zu können“. Bakum sieht den Wohlstand Mülheims auf dem Spiel stehen. Verwaltung und schwarz-grüner Ratsmehrheit wirft er vor, dem Prozess um das Vallourec-Areal „stillschweigend zuzuschauen“.

Blasch, auch die Landesregierung stellen die Situation anders dar. Schon lange sei man für mögliche Ansiedlungen mit der Wirtschaftsförderung des Landes im Gespräch, sagt Blasch. Dabei ist laut Antwort der Landesregierung auf die SPD-Anfrage auch eruiert worden, welche Ansiedlungsanfragen aus dem In- und Ausland für die Fläche passend sein könnten.

Das Vallourec-Aus in Mülheim – eine kleine Chronik:

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