Mülheim. SWB will alle Wohnungen mit Glasfaseranschluss ausstatten. Für die Medl die Chance, um tiefer ins umkämpfte Feld der Netzanbieter einzusteigen.
Bisher war die Medl bekannt als Mülheimer Energiedienstleister – hauptsächlich als Gas- und Stromlieferant. Nun aber steigt sie mit deutlich mehr Invest ein als Betreiber von Glasfasernetzen. Im Tandem mit dem SWB sollen in den kommenden fünf Jahren massiv Glasfaser verlegt und alle Haushalte der Wohnungsbaugesellschaft an den schnellen Internetzugang angeklemmt werden.
Gerade haben Medl und SWB an der Ritterstraße in Broich einen Knotenpunkt für 10.000 Glasfaseranschlüsse fertiggestellt. Schon im kommenden Jahr wird die Medl 200 Liegenschaften und somit 1200 Wohnungen des SWB im Mülheimer Süden an ihr Netz anschließen. Auch der Glasfaserausbau in Mintard etwa kommt hier an.
Glasfaser soll Anfang 2024 in jedem Mintarder Haus liegen
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Für das Dorf auf halbem Wege nach Kettwig kann der Medl-Projektleiter für Glasfaser, Jörg Hanitz, vorsichtig verkünden, dass Anfang 2024 hier endlich die Anschlüsse in jedem Haus liegen werden – „wenn nicht irgendetwas dazwischen kommt“. Für die letzten Meter der Strecke in die Wohnung sind dann die Eigentümer zuständig. Die aber habe man im vergangenen Mai unterrichtet und für die Verlegung Fachkräfte vermittelt.
Und auch die Mülheimer Innenstadt – etwa am Hans-Böckler-Platz – soll 2024 in den Genuss des schnellen Internets der Medl kommen.
Nicht nur Daten-Geschwindigkeiten von 1000 M/bit pro Sekunde sind damit erreichbar – gut das Doppelte von dem, was in Mülheimer Haushalten derzeit möglich ist –, sondern einher geht ebenso eine spürbare Reduzierung der Energiekosten für den Netzbetreiber. „Glasfaser verbraucht etwa ein Viertel der Energie, die TV-Kabelnetze derzeit verbrauchen“, sieht Hanitz damit auch einen Beitrag zur Energiewende.
SWB will alle Mülheimer Wohnungen mit Glasfaser ausstatten lassen
Für Sven Glocker, Prokurist bei der SWB, ist die Zusammenarbeit beider Mülheimer Unternehmen eine willkommene, weil längst in der Energieversorgung eingespielte Sache: „Wir wollen unsere Gebäude in die nächste zukunftsweisende Struktur überführen. Wir bekommen hier ein klasse Produkt, aber zu besonderen Konditionen.“ Was die SWB dafür in die Hand nimmt? Geschäftsgeheimnis. Doch die Mieten sollen sich dadurch nicht deutlich verteuern und: Jeder Mieter könne am Ende selbst entscheiden, ob er den Anschluss nutzen will.
Aber nicht nur die Immobilien der Wohnungsbaugesellschaft sollen den Zugang zur Glasfaser bekommen. Anfragen könne jeder, sagt Medl-Geschäftsführer Hendrik Dönnebrink. Man plane künftig, den Glasfaserausbau auch in anderen Mülheimer Siedlungsstrukturen anzubieten und auch für die Inhalte – Internet, Telefonie und Fernsehen – will die Medl gar ein eigenes Angebot machen. So tritt das Mülheimer Unternehmen noch stärker in den Wettbewerb mit dem magentafarbenen Riesen.
Medl hat sich auf das neue Geschäftsfeld Glasfasernetz vorbereitet
Auf das neue Geschäftsfeld hat man sich inzwischen auf der Mitarbeiter-Ebene vorbereitet - vom Bauingenieur bis zum Bauleiter. Denn das potenzielle Geschäftsfeld ist groß: Nur 7000 Haushalte in Mülheim sollen nicht gigabit-fähig sein. Hanitz geht davon aus, dass dagegen 98 Prozent angeschlossen werden könnten.
Die Frage ist nur: wann? „Infrastruktur ist teurer geworden“, weiß Dönnebrink, denn nach einem Jahrzehnt der Billigzinsen, sind die wieder kräftig gestiegen. Und während andere Unternehmen sich auf Ballungsgebiete konzentrieren, könnte die Medl dort ihre Kundschaft finden, wo diese bisher zurückhaltend waren, weil die Gebäude abseits der dichten Bebauung liegen oder eher zersiedelte Strukturen gegeben sind, Hanitz nennt zum Beispiel die Oemberg-Siedlung.
Wo der Ausbau noch hakt: Genehmigungen
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Den Startschuss für das neue Betätigungsfeld gab vor zwei Jahren ein von Bund und Land geförderter Breitbandausbau von Schulen und solchen Ecken in der Stadt, die unter wirtschaftlichen Aspekten eher hinten oder gar nicht anstehen würden. Rund 24 Millionen Euro waren dafür vorgesehen. Den Zuschlag erhielt die Medl. So sieht man derzeit etliche Kilometer bunte Kabel entlang des Nachbarswegs aus dem Boden schießen – nicht etwa, weil die Medl dort jeden Tümpel anschließen und an jedem Gatter einen abrufbaren „Kuh-Er“-Code einrichten will.
Diese Stränge sollen später verzweigt und zu entlegenen Gebäuden führen, erläutert Hanitz. Die Verlegung per speziellem Fräsverfahren sei hier mit rund 50 Euro den Meter noch günstig – in der Stadt, wo die Tiefbauarbeiten kompliziert sind, würden dafür gut 200 Euro pro Meter aufgerufen.
Glasfaserausbau in Mülheim – so lief es bislang:
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Dem schnellen Ausbau im Weg jedoch stehen vielmehr die Genehmigungen für den Weiterbau in freier Natur. Viele Behörden und nicht zuletzt politische Gremien wie der Naturschutzbeirat seien einzubeziehen. Obwohl die Kabel längst liegen, muss die Medl wohl bis Mitte November warten, bis der Beirat informiert worden ist. Für Geschäftsführer Dönnebrink ist das schwer zu verstehen: „Wir arbeiten schon lange mit der Stadt zusammen. Es wäre schön, wenn man uns einen Vertrauensvorschuss geben würde.“ Und kann sich eine Spitze dann doch nicht verkneifen: „Wir sind ja nicht so, wie ein großes Börsen dotiertes Unternehmen.“