Kamp-Lintfort. Kevin Anhamm ist Milchviehhalter aus Hoerstgen. Sein Betrieb darf sich nun mit dem Titel „Innovationshof“ schmücken. Was genau dahinter steckt.

Landwirt Kevin Anhamm macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Ich muss nicht mehr wachsen. Ich brauche nicht noch mehr Kühe. Meine Familie und ich wollen am Leben teilhaben und wir wollen auch in den Urlaub fahren.“ Wenn er nicht weiter wachsen will mit seinem Milchviehbetrieb, dann kann er aber immer noch besser werden. Deshalb hat er sich als Innovationshof bei der Molkereigenossenschaft Arla, deren Mitglied er ist, beworben und den Zuschlag erhalten. Allein in NRW beliefern 650 Landwirte Arla.

Ein „Leuchtturmprojekt“ nannte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen es und einen „Meilenstein“ in der Milchviehwirtschaft. Es gehe um zukunftsweisende Milchproduktion. Auf dem konventionellen Hoerstgener Hof wird künftig noch mehr am Tierwohl, am Klimaschutz und an der Nachhaltigkeit getüftelt. Anhamms 295 Milchkühe haben Vorbildcharakter, ebenso seine Art zu füttern oder mit der Gülle umzugehen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen den anderen Genossenschaftshöfen als Vorbild und Anreiz dienen. Nachhaltige Produktion würdigt der Molkereiriese mit einem Zuschlag beim Milchgeld.

Mein Herzblut steckt in jedem Liter Milch, den ich produziere
Kevin Anhamm hat 295 Milchkühe im Stall

Dass das Thema in der Branche von Interesse ist, ließ sich am großen Bahnhof bei der offiziellen Vorstellung des innovativen Anhamm‘schen Hofes am Montag erkennen. Es brauchte Parkplatzanweiser, in einem großen Zelt nahmen die Besucher Platz, Arla schickte seine oberste Riege an Vertretern.

Steigende nationale oder europäische Klimaziele hätten zu diesen Überlegungen ebenso geführt wie das steigende Interesse der Verbraucher am Tierwohl und an Nachhaltigkeit. „Wir sehen uns als Teil der Lösung“, erklärte Arla-Geschäftsführer Tino Gottschalk in Hoerstgen. Eines der Ziele ist ehrgeizig: Bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen der Milchbetriebe um ein Drittel sinken, bis 2050 auf null gehen. Das wird spannend angesichts der nicht abgasfreien Verdauung der Rindviecher und der Gülle, die zwangsläufig entsteht.

Das Arla-Konferenz-Zentrum auf dem Hof in Hoerstgen mit Platz für 20 Teilnehmer, die am Austausch über nachhaltige Milchwirtschaft interessiert sind.
Das Arla-Konferenz-Zentrum auf dem Hof in Hoerstgen mit Platz für 20 Teilnehmer, die am Austausch über nachhaltige Milchwirtschaft interessiert sind. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

In Schweden, Dänemark und Großbritannien gibt es solche Innovationshöfe schon, in Deutschland wird nun der Anfang gemacht. Die Ministerin Silke Gorißen hat den Eindruck, dass mit Anhamm der Richtige die Vorreiterrolle übernimmt. Sie erinnert sich: „Im Herbst saßen die Beteiligten bei mir im Büro, um die damals abstrakte Theorie zu erläutern. Sie strahlten über das ganze Gesicht“, meinte sie zum Hoerstgener Milchbauern gewandt. Und weil Politik nach ihrer Ansicht nicht ohne die Praxis am Tisch funktioniere, begrüße sie auch das kleine Konferenzzentrum, das auf dem Familienbetrieb an der Molkereistraße errichtet wurde, um genau hier zum Austausch mit vielen einzuladen.

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Es geht nicht um Idylle, am Ende ist die Wertschöpfung wichtig

Dass es bei dem Thema keineswegs um Landwirtschafts-Idylle gehe, machte Kasper Nielsen, Direktor der Genossenschafts-Mitglieder, klar: „Wir wollen führend in Nachhaltigkeit und Wertschöpfung sein.“ Das Stichwort „Effizienz“ fällt nicht selten an diesem Morgen.

Der überaus kommunikative Kevin Anhamm ist sicher ein guter Botschafter für Arla.
Der überaus kommunikative Kevin Anhamm ist sicher ein guter Botschafter für Arla. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Dass Kevin Anhamm insgesamt schon auf einem guten Weg ist, macht sich zum Beispiel daran fest, dass seine Kühe relativ alt werden dürfen und die Eutergesundheit keinen Strich durch die Rechnung macht. Das ist dem Hoerstgener eine Herzensangelegenheit, sagt er. Schließlich gelte es, den Einsatz von Antibiotika zu minimieren. Die Gülle wird in Festes und Flüssiges getrennt, das Flüssige kommt auf die Felder, das Feste, bei dem Methan durch einen Zusatz gespeichert wird, in die nächste Biogasanlage. Sowas nennt sich neuerdings „Gülle-Management“.

Die Kühe haben Entscheidungsfreiheit

Die Hoerstgener Kühe können nach draußen gehen, wenn ihnen danach ist, und haben Platz in ihrem offenen, belüfteten Stall. Ebenso entscheiden sie selbst, wann sie zum Melkroboter gehen oder zur Bürstenmaschine. Die Tiere bekommen laut Anhamm sowenig Kraftfutter wie möglich. Der 39-Jährige setzt auf das Grün von seinen Feldern. An der genauen Zusammensetzung wird immer wieder mit Computerunterstützung getüftelt. Am Ende steht ein besserer Ertrag. So ist der Plan.

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