Am Niederrhein. Immobilien-Interview: Guido Lohmann von der Volksbank Niederrhein über Strategien in der Krise und welcher Bereich völlig eingebrochen ist.

Immer weniger Menschen können es sich leisten, ein eigenes Haus zu kaufen. Steigende Kreditzinsen und hohe Baukosten machen für viele den Traum von den eigenen vier Wänden zunichte. Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein, beobachtet die Entwicklung seit Jahren. Matthias Alfringhaus (NRZ) hat ihn um eine Einschätzung gebeten.

Wie hat sich die Nachfrage nach Baukrediten am linken Niederrhein in diesem Jahr entwickelt?

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Guido Lohmann: Die Nachfrage nach Baukrediten hat sich insbesondere im Winter 2022 und in der ersten Jahreshälfte 2023 deutlich abgeschwächt. Seit etwa Mai diesen Jahres spüren wir aber eine wieder steigende Nachfrage in unserem Geschäftsgebiet, so dass ich glaube, dass wir am Jahresende durchaus wieder auf dem Niveau vor der Corona-Krise ankommen könnten. Allerdings handelt es sich dabei nahezu ausschließlich um Bestandsimmobilien. Der Neubau ist nahezu vollständig zum Erliegen gekommen.

Warum ist die Nachfrage nach dem Boom der vergangenen Jahre gesunken?

Nie zuvor in den letzten fünfzig Jahren sind die Zinsen so schnell und so stark angehoben worden wie derzeit. Dies führt dazu, dass für eine zehnjährige Zinskondition nun am Bankenmarkt Zinssätze von deutlich über vier Prozent erhoben werden. Das bedeutet im Klartext, dass für die Finanzierung eines Kaufpreises von zum Beispiel 300.000 Euro für eine Wohnung oder ein Haus pro Monat jetzt 750 Euro mehr bezahlt werden müssen als noch vor wenigen Monaten.

Das überfordert ganz einfach sehr viele Bau- und Kaufinteressenten, vor allem natürlich junge Familien – gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Inflationsanstieg der letzten Monate die Haushaltskassen der Menschen ohnehin schon kräftig belastet. Dazu kommen im Neubaubereich noch deutlich gestiegene Baukosten, in deren Folge man kaum noch ein Haus mit Grundstück unterhalb von einer halben Million Euro neu bauen kann. Und dann kommen da ja auch noch 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer in NRW dazu, bundesweit leider einer der höchsten Hebesätze, der auch nicht gerade zum Bauen oder Kaufen einlädt.

Besonders ärgerlich und sowohl für Immobilienbesitzer wie auch für Bau- und Kaufinteressenten kaum noch nachvollziehbar ist das leidige Wirrwarr rund um das Heizungsgesetz. Dieses ganze Chaos hat die Menschen leider sehr irritiert und verunsichert, gepaart wurde dies noch mit einer mehr als unübersichtlichen Förderlandschaft, die im letzten Jahr dann auch noch quasi über Nacht von der Bundesregierung gekappt worden ist.

Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein.
Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck


Ist Abwarten jetzt die richtige Strategie?

Wer es finanziell stemmen kann, sollte aus meiner Sicht die aktuelle Marktlage nutzen und gerade jetzt den Kauf einer Immobilie ernsthaft prüfen. Denn der Zinsanstieg und die Verunsicherung der Menschen haben zu einem leichten Rückgang der hohen Kaufpreise der letzten Jahre geführt. Die Preise sind nicht stark gefallen, aber haben sich doch ein wenig beruhigt. Da kann man jetzt besser agieren als in der hitzigen Zeit vor zwei oder drei Jahren.

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Gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Lage zu Gunsten von Immobilien-Interessenten ändert?

Ich rechne damit, dass die Immobilienpreise stabil bleiben werden und sogar bald wieder anziehen könnten. Der Grund liegt in der absolut unzureichenden Schaffung neuer Wohnungen. Die Bundesregierung hat von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr gesprochen, ich glaube, es werden nächstes Jahr kaum 200.000. Bei aber ständig steigender Nachfrage nach Wohnraum wird das zwangsläufig wieder zu steigenden Preisen führen.

Wie hat sich die Volksbank Niederrhein auf die veränderten Bedingungen eingestellt?

Die grundsätzlichen Marktveränderungen können wir natürlich nicht beeinflussen. Wir haben uns aber schon vor Jahren ein stabiles Netz an externen Kooperationspartnern rund um die Baufinanzierung aufgebaut. Ein recht neues Feld ist unser Angebot „VBN Wohnen Leben“, welches sich speziell an Immobilieneigentümer aus der Generation 60 + wendet. Ziel ist es hier, durch eine moderate Belastung der eigenen Immobilie vor allem ökologisch sinnvolle Sanierungen bequem umsetzen zu können, ohne dabei die eigene finanzielle Unabhängigkeit aufgeben zu müssen.