Moers. Der Wirkstoffmangel in der Pharmaindustrie erreicht Moers. Bei Antibiotika für Kinder ist die Lage besonders dramatisch. Was Apotheker sagen.
Infectocillin, Amoxicillin, Gentamicin – das sind nur drei Beispiele für Antibiotika, die in allen Darreichungsformen und Stärken auf unbestimmte Zeit nicht lieferbar sind, sagt Simon Krivec. Er ist der Inhaber der Adler-Apotheke in der Moerser Innenstadt und er ist besorgt: „Zurzeit sind oft über 300 Medikamente nicht lieferbar, heute sind es sogar 364 Medikamente und davon sind viele Antibiotika.“
Wie ihm geht es auch Dr. Thomas Geerkens. Der Kinder- und Jugendarzt hat festgestellt: „Bestimmte Antibiotika sind gar nicht mehr vorhanden, einige nur geringfügig. Dadurch können wir manche Krankheiten schlechter behandeln.“ Es gebe immer ein sogenanntes „Mittel der ersten Wahl“, ein Antibiotikum, das gut zur Behandlung einer bestimmten Erkrankung passt. Doch ein solches Mittel sei derzeit meist nicht verfügbar, weshalb er dann auf das zweitbeste Medikament ausweichen müsse, berichtet Geerkens, der auch stellvertretender Obmann des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte im Kreis Wesel ist.
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Allgemeiner Wirkstoffmangel
„Die Mittel der zweiten Wahl haben aber oft ein viel breiteres Wirkspektrum als die der ersten Wahl und häufig mehr Nebenwirkungen“, erklärt Thomas Geerkens weiter. Einen bakteriellen Infekt, der eines Antibiotikums bedarf, wolle man eigentlich möglichst schmal behandeln: „Wenn wir breit behandeln, können wir mehr Schaden anrichten, auch im Hinblick auf die Entwicklung von Resistenzen.“
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Antibiotika für Kinder gibt es meist nur in Saftform. „Fehlen diese Säfte, haben wir ein Versorgungsproblem in der Pädiatrie“, schlussfolgert Apotheker Krivec und ergänzt: „Wir können sie teilweise auch nicht selbst herstellen, wie wir das beim Fiebersäfte-Engpass im Winter getan haben, wegen des momentanen generellen Wirkstoffmangels.“ Ein Beispiel sei Penicillin, erklärt Krivec. In keiner Darreichungsform sei es bei ihm erhältlich. Wenn keine Penicillin-Tabletten zu bekommen sind, könne man eben keinen Penicillin-Saft (Infectocillin) für Kinder herstellen. Krivec weist auf die aktuelle Scharlach-Welle bei Kindern. Penicillin ist da das Mittel erster Wahl. Es gebe also „einen regelrechten Ansturm“ auf das zweitbeste Mittel. „Und wenn das nicht mehr zu kriegen ist? Sollen wir dann das Mittel dritter Wahl geben? Dieser Zustand ist für ein Land wie Deutschland teilweise ein Armutszeugnis“, so der Apotheker.
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Seien allerdings andere Darreichungsformen verfügbar, könnten durchaus Säfte für die kleinen Patienten hergestellt werden, da sind sich Kinderarzt und Apotheker einig. „Problematisch sind aber die Mehrkosten. Ärzten und Apothekern wird davon abgeraten – wir könnten darauf sitzen bleiben“, meint Dr. Geerkens. Aus Kostengründen werde billigend in Kauf genommen, dass Kinder nicht optimal medizinisch versorgt werden können, kritisiert der Mediziner.
Keine Entspannung in Sicht
Er stelle Säfte trotzdem her, auch wenn er zuzahlen müsse, versichert Simon Krivec. Vielen seiner Kollegen gehe es genauso, vermutet er. Aber die Mehrkosten selbst zu tragen, sei trotzdem nur bis zu einem gewissen Grad möglich: „Wenn wir hier irgendwann von tausend Säften sprechen, können wir das auch nicht mehr leisten“.
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Geerkens fürchtet: „Sind irgendwann nur noch intravenöse Antibiotika erhältlich, müsste jedes Kind zu einer solchen Verabreichung in ein Krankenhaus.“ Laut dem Kinderarzt verschlechtere sich die Lage momentan von Woche zu Woche. Entspannung? „Leider nicht in Sicht.“