Kamp-Lintfort. Bürger in der Altsiedlung sind alarmiert: Vorschrift der Stadt würde 63 Haushalten tausende Euros kosten. Der Streitpunkt: Dachfenster.
„Ich bin sauer“, erklärt ein junger Kamp-Lintforter, der anonym bleiben möchte. Er steht an der Moritzstraße in der Altsiedlung und blickt von Hausdach zu Hausdach, zeigt auf die kleinen Fenster, die inmitten der rot-braunen Dachziegel gebaut sind. „Diese sollen zurückgebaut werden“, erklärt der junge Mann. Das zumindest fordert die Stadt in einem Schreiben, das seine Familie – genauso wie zahlreiche Nachbarn – im Dezember vergangenen Jahres erhalten haben.
Die Begründung: Dachflächenfenster seien nach den Vorgaben der Gestaltungssatzung nur zulässig, wenn sie zur Verbesserung des Wohnwertes unbedingt erforderlich sind. Dazu müsse also zunächst einmal ein Wohnraum vorhanden sein. „Im Bereich des Spitzbodens befinden sich häufig höchstens Abstellräume, sodass hier kein Dachflächenfenster eingebaut werden darf, was das Verwaltungsgericht auch so bestätigt hat“, schreibt Stadtsprecherin Sarah Krams auf Anfrage dieser Redaktion.
169 Gebäude in Kamp-Lintfort sind betroffen
Denn: Im Zuge eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens seien der Stadt zahlreiche Gebäude genannt worden, in denen sich Dachflächenfenster befinden. Es betraf insgesamt 169 Gebäude. „Nach interner Prüfung der Stadt wurde festgestellt, dass hiervon bei insgesamt 63 Gebäuden Dachflächenfenster nicht unter Bestandsschutz stehen oder bereits genehmigt wurden“, erläutert die Stadtsprecherin.
Das Bauordnungsamt könne prüfen, ob der Einbau nachträglich genehmigt werden könne, weil Wohnraum geschaffen werden kann. Ansonsten gelte eine Frist von drei Monaten für den Rückbau. „Die Frist kann verlängert werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass ein Handwerksunternehmen beauftragt wurde und dieses die Arbeiten innerhalb der Frist nicht durchführen kann“, teilt Krams mit. Auch die Familie des jungen Kamp-Lintforters wird ihre Fenster zurückbauen müssen. Kostenpunkt bis zu 3.000 Euro, betont der junge Mann. In Zeiten von Inflation und Energiekrise seien das enorme Kosten, die auf seine Eltern – eine Reinigungsfachkraft und einen Buchhalter – zukämen.
CDU-Fraktion will Anpassung der Gestaltungssatzung diskutieren
Auch an die Parteien in Kamp-Lintfort sind die Beschwerden der Anwohner herangetragen worden. Wie die Kamp-Lintforter CDU in einer Pressemeldung mitteilt (wir berichteten), wolle die Fraktion eine Anpassung der Gestaltungssatzung Altsiedlung in der kommenden Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am Dienstag, 14. Februar, diskutieren: „Bei genauer Betrachtung der gesamten gestalterischen Fragen der Altsiedlung in der heutigen Zeit, kann man durchaus zu der Auffassung gelangen, dass einige inhaltliche Bestimmungen der damals beschlossenen Satzung nicht mehr der heutigen Lebenswirklichkeit entsprechen, zumal sie bei aktuellen und möglichen künftigen Eigentümern oder Kaufinteressenten auf großes Unverständnis stoßen“, führt Franz-Josef Hüls, Sprecher der CDU-Fraktion im Stadtentwicklungsausschuss, aus. Bis zum Abschluss der Diskussion schlägt die Partei zudem vor, die eingeleiteten Verfahren zunächst ruhen zu lassen.
Die CDU ist jedoch nicht die einzige Partei, die Handlungsbedarf sieht. „Ich verstehe den Unmut und glaube, dass Politik und Verwaltung noch mehr erklären müssen“, zeigt sich Norbert Thiele, Fraktionsvorsitzender der SPD, verständnisvoll gegenüber den Bürgerinnen und Bürger. Deswegen werde die Partei auch einen Antrag im kommenden Stadtentwicklungsausschuss stellen, eine Diskussions- und Informationsveranstaltung in der Altsiedlung durchzuführen. Eine Anpassung der Gestaltungssatzung sehe der SPD-Politiker im Moment allenfalls im Bereich der erneuerbaren Energien. „Ich bin sicher, dass es uns gelingt, die für viele Kamp-Lintforter schönste Bergarbeitersiedlung im Ruhrgebiet so zu erhalten, dass man dort gerade wegen der besonderen Architektur gerne wohnt“, betont Thiele.