Moers. Martin Flasbarth hat in 38 Jahren für das Schlosstheater Moers viele Kulissen gebaut. Jetzt ist er Rentner. Sein Plan für den Ruhestand steht.

Theater hört nicht hinterm Vorhang auf. Martin Flasbarth weiß das nur zu genau. Er hat 38 Jahre lang seinen Job hinter eben diesem Vorhang so gemacht, dass auf der anderen Seite die Schauspielerinnen und Schauspieler glänzen konnten. Flasbarth war Mitglied des Werkstatt-Teams des Schlosstheaters Moers (STM) – ein Job, in dem neben Handwerkerwissen vor allem Kreativität und Improvisationskunst gefragt sind und kein Tag wie der andere war. Seit dem 1. Januar ist Flasbarth Rentner – und blickt, meist zufrieden, auf ein bewegtes und erfülltes Berufsleben zurück.

Die Kulissen für das Kinderstück „Rapunzel“, das das STM-Ensemble im Jugendheim St. Barbara aufführt, waren Martin Flasbarths letztes Werk. „In gewisser Weise schließt sich für mich damit ein Kreis“, sagt er. „Meine ersten Kulissen habe ich im März 1984 für das Junge Schlosstheater gebaut.“ Aristophanes’ „Krieg und Frieden“ hieß das Stück.

Dafür zimmerte er ein Hochhaus nach dem Vorbild der seinerzeit populären TV-Serie „Dallas“ zusammen. Zudem musste das acht Meter hohe Holzgebäude so präpariert werden, dass Schauspieler mit einem VW-Käfer hineinkrachen konnten, ohne sich zu verletzen und die Kulisse bei der nächsten Aufführung im Schlosshof wieder zu benutzen war.

In dem Schlosstheater-Stück „Futur II“ spielten die Schauspieler, hier Katja Stockhausen, Marieke Kriegel, Frank Wickermann, Patrick Dollas und Matthias Heße, in einem Pool, dessen Wasser Martin Flasbarth und sein Team auf 28 Grad erwärmt hatten.
In dem Schlosstheater-Stück „Futur II“ spielten die Schauspieler, hier Katja Stockhausen, Marieke Kriegel, Frank Wickermann, Patrick Dollas und Matthias Heße, in einem Pool, dessen Wasser Martin Flasbarth und sein Team auf 28 Grad erwärmt hatten. © Archivfoto: Schlosstheater Moers

So erkannte der gelernte Bau- und Möbelschreiner schnell, dass sich sein Job in der Theater-Werkstatt von einem herkömmlichen Schreiner-Arbeitsplatz mit viel Routine stark unterscheiden sollte. Was auch für den Umgang der Belegschaft galt. Das Ensemble lernte Martin Flasbarth am ersten Tag im „Konversationszimmer“ im Terheydenhaus kennen. „Dort flog irgendwann die Tür auf, ein Typ mit halblangen Haaren kam rein, hielt mir die Hand hin und sagte: ‘Ich bin der Holk, ich bin hier der Intendant.’“ Flasbarth stand vor seinem neue Chef Holk Freytag, dem Gründungsintendanten des STM.

Der 64-Jährige war zuletzt einer von fünf Leuten in der STM-Werkstatt, die einst deutlich besser besetzt gewesen ist und beispielsweise eigene Schlosser und Elektriker beschäftigte. Aber der Sparzwang und die Entwicklung der Technik haben den Job stark verändert. Die Mitarbeiter sind jetzt Bühnen- und Eventtechniker.

Wobei Martin Flasbarth nie als lupenreiner Schreiner beim STM tätig gewesen ist, der die Kulissen nach den Entwürfen von Bühnenbildnern gebaut hat. Der gebürtige Rheinhauser brachte Häuser zum Einstürzen, machte die „Kapelle“ an der Rheinberger Straße mit Dünensand zur Wüste und ließ Rosen auf dem Betonboden wachsen. Für die Fünfeinhalb-Stunden-Aufführung der „Orestie“ setzte er die Bühne unter Wasser. Als während einer Aufführung die Wasserpumpe streikte, flitzte er zur Moerser Feuerwehr, lieh sich ein Ersatzgerät und pumpte die 32.000 Liter ab, als wäre nichts gewesen. Das Publikum bekam davon nichts mit.

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Eine Menge zu tüfteln gab es auch für das Stück „Futur II“. Die Schauspieler spielen eineinhalb Stunden in einem Pool, der mit 30.000 Litern Wasser gefüllt ist – und mit acht Grad aus dem Hydranten kommt: „Da kann ich die Schauspieler nicht anderthalb Stunden reinschicken“, wusste Flasbarth. Er und sein Team kamen auf die Idee, das Becken über einen Wärmetauscher an den Wasserkreislauf der Hausheizung anzuschließen: „Eineinhalb Tage später hatten wir 28 Grad im Pool.“

Bei „Dantes Inferno“ kam ihm – und dem Theater – zugute, dass er sich seit Jahrzehnten in der DLRG engagiert und deren Bezirksleiter in Duisburg ist. So organisierte er zehn Boote der Lebensrettungsgesellschaft in ganz NRW, auf denen die Theaterbesucher an den Schauspielern über den Schlossparkteich geschippert wurden.

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Dass es immer wieder neue Herausforderungen gab „und wir das auch immer irgendwie geschafft haben“, habe ihn geprägt, sagt Flasbarth. Deshalb habe er den Job stets gerne gemacht. Die technische Abteilung müsse stets gute Arbeit abliefern, die Schauspieler müssten sich darauf verlassen können. „Deshalb sehe ich mich sehr wohl als anerkanntes Mitglied dieses Hauses, obwohl ich kein Schauspieler bin.“

Fünf Intendanten hat Martin Flasbarth kennengelernt, dazu Künstler, bei denen sich später herausstellte, dass sie in Moers ihre ersten Schritte für große Karrieren machten: Karin Neuhäuser etwa, Stephan Ulrich, Joachim Król, Joachim Ostendorf, Dietmar Bär, der mal kurzfristig für einen Kollegen am STM einsprang. Bei Gastspielen von Hanns-Dieter Hüsch hat Flasbarth den Kabarettisten oft als Techniker betreut.

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Seit dem Neujahrstag ist Martin Flasbarth raus aus der Theaterwerkstatt. Was will er als Rentner machen: „Mein Treppenhaus“, sagt er trocken. Auf Dauer wäre Griechisch eine Option, weil er und Ehefrau Silke dort gerne Urlaub machen. Und wer weiß, vielleicht schreibt Martin Flasbarth ja doch noch ein Buch über seine Zeit beim Schlosstheater Moers: „Die besten Geschichten spielen sich hinter dem Vorhang ab“, meint Flasbarth augenzwinkernd.