Moers. Große Betroffenheit dominiert im Ortsteil Scherpenberg nach dem Mord an dem Moerser Kazim Tatar. Ein Besuch im ehemaligen Wohnort des Toten.

Rote, gelbe, weiße und pinke Rosen liegen auf den beiden Treppenstufen, die zur Tür der Änderungsschneiderei auf der Homberger Straße führen. „In stillem Gedenken“ steht auf einer braunen Schleife, befestigt an einem kleinen Gesteck aus Tanne. Grabkerzen leuchten zwischen den Blumen. „Die machen die Edeka-Mitarbeiterinnen jeden Morgen an“, weiß Angelika Wolff zu berichten. Die Scherpenbergerin ist an diesem Morgen zu Fuß unterwegs zum Einkaufen in dem Supermarkt, der neben der Änderungsschneiderei des ermordeten Kazim Tatar liegt.

„Er hat oft Ukulele gespielt, wenn ich in seinen Laden kam“: Angelika Wolff teilt im Gespräch Erinnerungen an Kazim Tatar.
„Er hat oft Ukulele gespielt, wenn ich in seinen Laden kam“: Angelika Wolff teilt im Gespräch Erinnerungen an Kazim Tatar. © FUNKE Foto Services | Rainer Hoheisel

Immer noch hängen die Vermissten-Plakate auf der Scheibe des Geschäftes: Das Fahndungsfoto des Toten und ein Bild des gesuchten grauen Audis, der zum Abtransport oder zum Ausladen des Leichnams verwendet worden sein soll, sind zu sehen. Die Tür ist mit einem Polizeisiegel versperrt.

Leiche des Moersers ist in Waldstück gefunden worden

Immer wieder bleiben Menschen vor den Kerzen und Blumen stehen, holen tief Luft, schütteln den Kopf über das, was in dem Haus geschehen sein soll. Am 12. September war Kazim Tatar aus einem Türkei-Urlaub nach Deutschland zurückgekehrt. Seitdem fehlte von dem Mann jede Spur - bis zum Abend des 24. Novembers. Dort fanden Leichenspürhunde die zerstückelte Leiche des 56-Jährigen in einem Waldstück im Moerser Stadtteil Hülsdonk. „Er soll ja hier umgebracht worden sein sein“, sagt Wolff und schaut an dem Haus hoch, in dem Tatar gelebt und gearbeitet hat.

Ihr Blick bleibt am Fenster zur Änderungsschneiderei hängen, sie schaut hinein. Ein blaues Stoffstück liegt noch auf der Theke, zwei Armkissen mit rotem Bezug und zahlreiche Nadeln zum Abstecken sind zu sehen. „Es sieht aus, als würde er gleich wiederkommen, als würde er nur mal eben Pause machen“, meint Wolff mit gedämpfter Stimme. Wenn sie an Tatar denke, erinnere sie sich an einen lebensfrohen Mann, der oft Ukulele gespielt habe, wenn sie sein Geschäft betrat. „Er war hilfsbereit und immer sehr kulant.“

Nachbarn zeigen sich betroffen über das, was Kazim Tatar passiert ist

Den Eindruck bestätigt auch Oliver. Er arbeitet für einen Gebrauchtwagenhändler, der seinen Sitz unmittelbar neben Tatars Änderungsschneiderei hat. „Ich habe manchmal gesehen, dass er den Nachbarn gegenüber die geänderten Sachen direkt nach Hause gebracht hat“, berichtet er. Oliver holt tief Luft, streicht sich über den Arm. „Hier, man sieht, dass ich Gänsehaut bekomme, wenn ich darüber spreche. Was soll man auch sagen? Es ist schrecklich, was passiert ist.“

Gabriela war langjährige Kundin des ermordeten Moerser Kazim Tatar.
Gabriela war langjährige Kundin des ermordeten Moerser Kazim Tatar. © FUNKE Foto Services | Rainer Hoheisel

Das irgendetwas nicht stimmen konnte, sei ihm schon klar geworden, als Anfang Oktober in der Wohnung des damals bereits vermissten Kazim Tatar ein Feuer ausbrach. Doch so richtig habe die Nachbarschaft erst wahrgenommen, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, als die Polizei die Vermissten-Plakate aufgehängt habe, sagt Scherpenberger Florian. Er habe dann durch das Internet und Nachrichtensendungen im Fernsehen von dem Mord, der in seiner unmittelbaren Nachbarschaft geschehen sein soll, Genaueres erfahren. „Ich habe den Fernseher direkt wieder ausgemacht, als ich das gehört habe. Das hat mir gereicht. Schlimme Sache. Ich habe kein gutes Gefühl, wenn ich hier langgehe“, sagt eine ältere Frau im Vorbeigehen.

Langjährige Kundinnen des Moersers Kazim Tatar zeigen tiefe Trauer

So geht es auch Irene und Gabriela, zwei langjährige Kundinnen von Tatar. „Ich war fast froh, als ich hörte, die Leiche wurde gefunden. Die Ungewissheit, was mit ihm passiert ist, war schlimm“, gesteht Gabriela. Die beiden Frauen kämen oft am Haus des Toten vorbei, um im nahe gelegenen Supermarkt einkaufen zu gehen. „Mich macht das sehr traurig, was passiert ist“, meint Irene. Sie könne den Anblick des leeren Geschäfts kaum ertragen: „Ich schaue immer weg, wenn ich da vorbei muss.“ Angelika Wolff bestätigt das Gefühl: „Es ist beklemmend hier zu stehen. Er fehlt“, sagt sie.