Neukirchen-Vluyn. Der Protest gegen weitere Auskiesungen in Neukirchen-Vluyn geht weiter. Jetzt haben sich in der Stadt weitere Prominente dagegen ausgesprochen.

Geballte Verwaltungskompetenz: Am Mittwoch kam es im Rathaus zu einem interessanten Zusammentreffen – zumindest virtuell. Im gemeinsamen Auflehnen gegen die Auskiesungspläne des Regionalverbandes Ruhr (RVR) hat die Stadt zu einem Online-Pressegespräch geladen; mit dabei neben dem amtierenden Bürgermeister Ralf Köpke und dem Technischen Beigeordneten Ulrich Geilmann: Ingrid Otte (Erste und Technische Beigeordnete a.D., Amtszeit 1991 bis 2007), Ralf Eccarius (Erster und Technischer Beigeordneter a.D., 2007 bis 2013) und Bernd Böing (Bürgermeister a.D., 1999 bis 2009 /1995 bis 1999 Stadtdirektor).

Sie alle eint die Sorge um die Zukunft der Stadt und die drohende Zerstörung des Naturraums an der Halde Norddeutschland, sofern die derzeit im Entwurf des Regionalplans vorgesehenen Auskiesungsflächen tatsächlich weiterhin im Fokus der Planungen bleiben und der Kiesindustrie zufallen.

Ingrid Otte: Abbau auf ein unvermeidbares Maß beschränken

Ingrid Otte kennt die Diskussionen aus der Zeit, als über den Gebietsentwicklungsplan 1999 diskutiert wurde. Damals lag die Zuständigkeit noch bei der Bezirksregierung Düsseldorf, wie sie ausführt. 2009 übernahm der RVR. Otte: „Aus meiner Sicht war das ein Problem, denn ein solcher Ballungsraum hat einen anderen Bedarf.“

  • Blick nach Kamp-Lintfort: Warum die Stadt vom RVR sehr überrascht ist

Sie bleibt zwar realistisch in ihrer Annahme, dass auf weitere Auskiesungen in der Region nicht verzichtet werden könne, betont aber deutlich, dass diese angesichts der Auswirkungen auf Natur und Landschaft und die Jahrzehnte andauernden Belastungen für die Bevölkerung auf ein unvermeidbares Maß zu beschränken sei. Belastungen habe es zwar auch früher gegeben, sagt Ex-Bürgermeister Bernd Böing, beispielsweise zu Zeiten der Zeche. Aber: „Da hatten wir tausende Arbeitsplätze auf Niederberg.“ Beim Kiesabbau dagegen gebe es keinen einzigen Vorteil für die Stadt. Dabei wirft er den Blick auf den hohen Freizeitwert der Halde. All das wäre gefährdet.

Ralf Eccarius sieht andere Belange nicht berücksichtigt

Ingrid Otte kritisiert die aktuelle Form der Bedarfsermittlung. Die nimmt auch Ralf Eccarius in den Blick, der darüber hinaus den Vorgang in seiner Gesamtheit kritisiert. „Man findet hier etwas Besonderes vor“, sagte der frühere Beigeordnete. Gemeinhin müsste es so sein, dass alle Belange in eine solche Planung einzubringen seien, dann gelte es abzuwägen und zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzubringen. „Jetzt sieht man hier einen ganz merkwürdigen Schritt“, sagt Eccarius: Zunächst habe es in den Planungen in Neukirchen-Vluyn nur ganz wenige Auskiesungsflächen in der Planung gegeben, nun seien es plötzlich ganz viele.

  • Neukirchen-Vluyn: Was eine ganze Stadt gegen den Kiesabbau tut

Auch interessant

Er sieht die Abwägung anderer Belange in keiner Form berücksichtigt. Hier nennt er die ökologische Landwirtschaft, Energie, die gewünschte Aufforstung in waldarmen Gebieten, zu denen auch Neukirchen-Vluyn gehöre. „Wie kommt man also auf die Idee, 180 ha in Neukirchen-Vluyn in den Blick zu nehmen?“ Aus seiner Sicht kann es nur eine Lösung geben: Man müsse die Ausweisung der Kiesabbauflächen zurückstellen und den Gesamtplan ohne diese Facette weiterverfolgen.

Was jetzt zu tun sei? Die Klage gegen die Bedarfsermittlung laufe, Stellungnahmen der Kommunen werden geschrieben, Bürger müssten Einsprüche erheben, es müsse politisch Druck gemacht werden, die Forderung an den RVR formuliert werden, bei Rückstellung des Teils alle Belange zu berücksichtigen. Und auch die Eigentümerinnen und Eigentümer könnten etwas tun, sagt Ralf Eccarius, nämlich die Flächen schlicht nicht zu verkaufen.

Ulrich Geilmann: Enteignung ist eine Mär

Es sind rund 40 Menschen, die Flächen auf den in Rede stehenden Arealen haben, sagte Bürgermeister Ralf Köpke. Er habe bereits etliche Gespräche geführt, auch mit jenen, denen strategisch wichtige Grundstücke gehören. „Die haben mir signalisiert, dass sie nicht verkaufen“, sagt Köpke. Sie hoffe, dass die Menschen standhaft bleiben, fügt Ingrid Otte an. Die Kiesindustrie werde sicherlich gut zahlen.

Sollte es allerdings zu keinen Flächenverkäufen kommen, sind einer Auskiesung deutliche Grenzen gesetzt, wie der Technische Beigeordnete Ulrich Geilmann betont. „Es gibt immer wieder die Mär, dass man enteignen könnte.“ Er kenne aber keinen solchen Fall. Insofern wäre eine strategische Flächenentwicklung ein Ziel.