Neukirchen-Vluyn. Kerstin Pekur-Vogt ist Koordinatorin für Notfallseelsorge im Kreis Wesel. Sie war im Sommer in den Hochwassergebieten. So hat sie dort geholfen.

Kerstin Pekur-Vogt hat die Bilder noch vor Augen: „Es war erschreckend. Als wir uns dem Ort Erftstadt-Blessem näherten, liefen dort die Menschen in den Straßen und räumten Möbel aus, Lkw fuhren hin und her, alles war nass und voller Schlamm, viele Häuser waren unbewohnbar und einige sogar in eine Kiesgrube gerissen worden. Überall roch es nach der nassen Erde.“ Zum Jahreswechsel blickt die 50-jährige Notfallseelsorgerin auf einen außergewöhnlichen Einsatz zurück.

Kerstin Pekur-Vogt ist die Koordinatorin für Notfallseelsorge im Kreis Wesel und hauptamtliche Mitarbeiterin beim Kirchenkreis Moers, sie lebt in Vluyn. Dort arbeitet sie zudem als Psychologische Beraterin. „Bereits am Morgen nach der Flutnacht, am 15. Juli, fand ich die Nachricht des Landespfarramtes für Notfallseelsorge auf dem Bildschirm: Die E-Mail kam um 8.20 Uhr, wir sollten Teams zusammenstellen und Einsatzpläne machen“, erinnert sie sich. „Schon durch die Nachrichten in den Medien wussten wir, was los war.“ Aber die TV-Bilder seien nichts im Vergleich zu dem gewesen, was sie vor Ort vorgefunden habe. Vom 20. Juli an waren Kerstin Pekur-Vogt und weitere neun ehrenamtliche Notfallseelsorger aus dem Kreis Wesel im Katastrophengebiet.

Das Elend im Katastrophengebiet war groß

„Das Elend der Menschen, die gerade ihr sicheres Zuhause verloren hatten, war schrecklich“, erinnert sich die Seelsorgerin an die von der Tragödie gezeichneten Gesichter. Um so erstaunlicher sei es gewesen, dass alle die Ärmel hochgekrempelt und sich sofort ans Aufräumen gemacht hatten. Gottlob, anders als im Ahrtal habe es in Blessem wenigstens keine Toten gegeben. „Wir sind durch die Straßen gegangen und haben mit den Menschen gesprochen. Verzweiflung und Trauer standen den Leuten ins Gesicht geschrieben.“

Erftstadt knapp vier Wochen nach der Flut.
Erftstadt knapp vier Wochen nach der Flut. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Ein paar Tage später sei der Gestank schlimmergeworden. „Der Schlamm war ja mit Fäkalien versetzt, aber auch die vielen Lebensmittel aus den Kühlschränken und Truhen waren ja verdorben. Auch viele Öltanks waren geplatzt.“

„Dann kamen die vielen Helfer. Wie die fünf Studentinnen. Sie hätten kein Geld zum Spenden, aber Zeit zum Helfen, sagten sie.“ Oder die syrische Familie: „Die Mutter hat syrisches Essen für die Helfer gekocht. Zahllose Töpfe und Pfannen schleppten sie an. Der erwachsene Sohn erklärte mir, sie seien vor Jahren hier mit offenen Armen empfangen worden. Jetzt wollten sie etwas zurückgeben.“

Schlimm habe es auch eine Familie getroffen, die gerade erst ihr Holzhaus abbezahlt hatte. „Im Keller war der Öltank geplatzt. Was bedeutete, dass das Haus abgerissen werden musste.“ Ganz besonders leid getan habe ihr eine 91-jährige Frau, die nach der Flut per Helikopter in einer Trage gerettet werden musste und deren Haus nicht mehr bewohnbar war. „Da habe ich gedacht, dass eine so alte Frau, die sicher schon genug mitgemacht hat, noch so viel Elend erleben muss.“ Später habe sie erfahren, dass die Dame zeitweise im Altersheim war und ihr Haus wieder neu aufgebaut werden sollte.

Die Hilfsbereitschaft war überwältigend

Überwältigend auch die Hilfsbereitschaft der Bewohner in Blessem, die vom Wasser verschont geblieben waren: „Viele haben obdachlos Gewordene aufgenommen.“ Zudem habe es eine Sammelunterkunft in Erftstadt gegeben. „Auch zu diesen Leuten sind wir gegangen. In Gesprächen ging es auch um ganz pragmatische Dinge wie mehr Kleidung oder die Rückkehr ins alte Zuhause“, erzählt Kerstin Pekur-Vogt. Und: Nie habe sie „so unfassbar viel Dankbarkeit“ erlebt wie in diesen Tagen.

Auch interessant

Jeden Abend ging es für die Notfallseelsorger wieder zurück an den Niederrhein. Kerstin Pekur-Vogt: „Während der Fahrten haben wir uns viel über unsere Erlebnisse ausgetauscht. Das tat gut. Aber auch mein persönliches Umfeld hat mich hervorragend aufgefangen. Zudem gibt es bei uns Notfallseelsorgern auch Supervision, also Hilfe für uns selbst.“ Wichtig: „Ich bin ja auch Christ. Ich erfahre viel Kraft, Trost und Zuspruch in einem Gottesdienst und im Gebet.“